# taz.de -- Sparen bei 1-Euro-Jobbern: Eine Geschichte wiederholt sich | |
> Hamburg will auch 2013 mehr 1-Euro-Jobs abbauen als nötig. Wird nicht | |
> gegengesteuert, fließt auch 2012 viel Geld zurück an den Bund - das gabs | |
> auch 2011 schon. | |
Bild: Klassischer 1-Euro-Job: Essensausgabe in der Kantine | |
Ein Jahr ist es her, dass der Bremer Arbeitsmarktforscher Paul Schröder | |
Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) darauf hinwies, dass Hamburgs | |
Eingliederungs-Titel für Langzeitarbeitslose (EGT) in 2012 nicht nur 100, | |
sondern 110 Millionen Euro betrage. Der Hinweis wurde bekanntlich | |
ignoriert, im vorigen Dezember gab es eine hektische Debatte, was mit den | |
Millionen passieren soll – bis schließlich die SPD-Fraktion 500 zusätzliche | |
1-Euro-Jobs und einen Überbrückungsfonds für notleidende Stadtteilprojekte | |
durchsetzte. | |
Der erste Akt dieser Geschichte wiederholt sich gerade. Schröder, der in | |
seinem Bremer Institut alle Zahlen, die Hartz-IV-Empfänger betreffen, | |
analysiert und dokumentiert, schickte dieser Tage wieder eine Rundmail. | |
Zwar kürzt der Bund für 2013 erneut die Mittel, doch Hamburg könne mit 97 | |
Millionen Euro rechnen und nicht mit den auf der Sozialbehörde-Homepage | |
publizierten 90 Millionen Euro. Er warnt davor, dass der SPD-Senat die | |
Mittel erneut „unterschätzt“. | |
Relevant ist dies zum Beispiel für die geplante Zahl der | |
Arbeitsgelegenheiten, AGHs, wie 1-Euro-Jobs heißen. Setzt man die Kürzung | |
des Bundes hier proportional um, müsste Hamburg die AGHs von jetzt 4.275 | |
auf etwa 3.700 reduzieren. Doch die Sozialbehörde plant nur mit 3100, weil | |
dies dem Bedarf entspreche. „Bemessungsgrundlage“, sagt Sprecherin Nicole | |
Serocka, seien die alten Planungszahlen für 2012 und der „voraussichtliche | |
Haushaltsansatz“ für 2013 von „rund 90 Millionen Euro“. | |
Der Senat wolle die 500 AGHs wieder abbauen und plane zu vorsichtig, warnt | |
die GAL-Politikerin Filiz Demirel. „Mit sieben Millionen Euro mehr könnten | |
manche Strukturen erhalten bleiben, es gäbe mehr Luft für eine aktive | |
Arbeitsmarktpolitik.“ | |
Und an der fehlt es in Hamburg. Noch Anfang 2011 gab es über 9.800 AGHs und | |
eine Vielzahl von Quartiersprojekten, in denen Langzeitarbeitslose | |
sinnvolle Aufgaben fanden. Das allseits gewünschte Ziel, für diese Menschen | |
sozialversicherte Jobs zu schaffen, gelang nur bei den Schulküchen, die ab | |
sofort ohne 1-Euro-Jobs betrieben werden. Doch die haben auch regelmäßige | |
Einnahmen, die anderen Projekten fehlen. | |
Demirel erinnert daran, dass Hamburg im Vorjahr 20 Millionen Euro an | |
EGT-Mitteln zurück an den Bund geben musste und findet, man dürfe den | |
gleichen Fehler nicht zwei Mal machen. | |
Die GAL hat gerade schriftlich nach dem bisherigen Mittelabfluss für 2012 | |
gefragt. Bis Ende Mai wurden demnach erst 38 der 110 Millionen Euro | |
ausgegeben. Fließt das Geld weiter in diesem Tempo ab, bleiben Ende | |
Dezember knapp 18 Millionen übrig. | |
Hamburg stünde im Bundesvergleich „ausgezeichnet“ da, es seien schon 85,7 | |
Prozent der Mittel verplant, versichert indes die Behörde. Zur Jahresmitte | |
gebe es eine „leichte Unterauslastung“ in einzelnen Programmen, weshalb das | |
Jobcenter gegensteuere. So gebe es eine geringere Nachfrage bei dem | |
„Hamburger Modell“, das Betrieben Zuschüsse für Arbeitnehmer gewährt. We… | |
dieses Instrument seit 2012 nur noch für Arbeitsmarktferne gilt, sei es | |
„deutlich schwieriger, Arbeitgeber zu finden“. | |
„Das Jobcenter steuert um zugunsten der leicht Intergrierbaren“, weiß Petra | |
Lafferentz, Sprecherin der Beschäftigungsträger, zu berichten. Die | |
Jobcenter stünden unter Druck, als Erfolg zähle nur, Menschen in den ersten | |
Arbeitsmarkt zu bringen. „Dabei geraten die Schwachen aus dem Blick. Das | |
muss aufhören.“ Hamburg brauche ein langfristiges Programm für | |
Stadtteil-Infrastruktur, um den Langzeitarbeitslosen Perspektive zu bieten. | |
29 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Senioren | |
Schuldenbremse | |
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