| # taz.de -- Todesstrafe in den USA: Vom Staat zu Tode gefoltert | |
| > Über Ablauf und Hintergründe der verkorksten Hinrichtung in Oklahoma wird | |
| > immer mehr bekannt. Zum Umdenken scheint selbst das aber nicht zu führen. | |
| Bild: Todeskampf hinter hohen Mauern: Oklahomas Staatsgefängnis. | |
| BERLIN taz | Drei Tage nach der [1][grausam verlaufenen Hinrichtung] des | |
| 38jährigen Schwarzen Clayton Lockett in Oklahoma hat die | |
| Justizvollzugsbehörde des US-Bundesstaates neue Einzelheiten | |
| veröffentlicht. Demnach hat sich Lockett heftig gewehrt, als ihn Beamte am | |
| Morgen aus seiner Zelle zur vorgeschriebenen medizinischen Untersuchung | |
| bringen wollten. Zwei Beamte hätten ihn mit dem Elektrotaser | |
| bewegungsunfähig gemacht, um ihn aus der Zelle bringen zu können. Er habe | |
| selbst herbeigeführte Wunden am Arm gehabt. | |
| Es habe es 51 Minuten gedauert, heißt es in einem Schreiben der Behörde an | |
| Gouverneurin Mary Fallin, bis eine Vene gefunden worden sei, um den Zugang | |
| zu legen, durch den später das tödliche Gift fließen sollte – schließlich | |
| sei ihm der Zugang im Schambereich zwischen den Beinen angelegt und mit | |
| einem Tuch verdeckt worden. Die eigentlich für 18 Uhr angesetzte | |
| Hinrichtung begann so mit 23 Minuten Verspätung. Was die Justizbediensteten | |
| nicht merkten: Die Vene sei unbrauchbar gewesen. | |
| Locketts Anwälten kommt das seltsam vor: Lockett sei weder drogensüchtig | |
| noch sonst irgendwie krank gewesen, er habe starke Arme mit deutlich | |
| sichtbaren Venen gehabt, sagen sie. | |
| Sicher ist, dass bei Lockett zum ersten Mal in Oklahoma eine neue Abfolge | |
| von drei Drogen gestestet wurde, die so noch nirgendwo angewandt worden | |
| war. Als erstes sollte Lockett 100 Milligramm Midozalam verabreicht werden, | |
| um ihn ohnmächtig werden zu lassen, dann sollte durch Vecuroniumbromid eine | |
| Muskellähmung und Atemstillstand eintreten und schließlich mit | |
| Kaliumchlorid der Herzstillstand herbeigeführt werden. | |
| ## Todeskandidat richtet sich auf | |
| Aber, so berichten es bei der Hinrichtung anwesende Journalisten, auch | |
| sieben Minuten nach Beginn der Hinrichtung – zu einem Zeitpunkt, an dem | |
| meist bereits der Tod festgestellt wird – sei Lockett noch wach gewesen. | |
| Der anwesende Arzt habe festgestellt „Er ist nicht bewusstlos,“ und Lockett | |
| selbst habe gesagt: „Bin ich nicht.“ Drei Minuten später habe der Arzt ihn | |
| dann für bewusstlos erklärt und mit der Injektion von Vecurnoniumbromid | |
| begonnen. | |
| Weitere zwei Minuten später habe Lockett sich wieder bewegt, seinen Kopf | |
| hin und her geschüttelt und zu sprechen versucht. Außer „Mann!“ seien die | |
| Worte unverständlich gewesen, berichten die Journalisten, Lockett habe | |
| versucht aufzustehen, was jedoch durch die Gurte unmöglich war. Daraufhin | |
| seien die Jalousien heruntergelassen worden, der Blick auf die | |
| Hinrichtungskammer wurde versperrt. Gefängnisdirektor Robert Patton wurde | |
| ans Telefon gerufen und erklärte Minuten später, die Hinrichtung sei | |
| ausgesetzt. | |
| Weitere zehn Minuten später starb Lockett – unter Schmerzen an einem | |
| Herzinfarkt. Der Staat habe ihn zu Tode gefoltert, erklärte die | |
| Bürgerrechtsorganisation ACLU. Die eigentlich noch für den selben Abend | |
| geplante Hinrichtung eines zweiten Mannes, Charles Warner, wurde für | |
| zunächst zwei Wochen ausgesetzt. Gouverneurin Fallin kündigte an, die | |
| Justizvollzugsbehörde werde vollständig untersuchen, was bei der | |
| Hinrichtung schiefgelaufen sei. | |
| ## „Grausam und ungewöhnlich” | |
| Der achte US-Verfassungszusatz verbietet „grausame und ungewöhnliche | |
| Strafen“. Dieses Verbot wird in den USA nicht etwa als ein Verbot der | |
| Todesstrafe interpretiert, sondern mit dem Gebot, Hinrichtungen sollten | |
| schmerzfrei ablaufen. Das hatte dazu geführt, dass frühere Tötungsmethoden, | |
| vom Galgen über den Elektrischen Stuhl, von Erschießung bis Gaskammer, in | |
| nahezu allen Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe praktiziert wird, | |
| abgeschafft sind. Hingerichtet wird per Giftspritze. | |
| Das Problem: Das jahrelang benutzte Mittel Pentobarbital, das etwa auch in | |
| der Schweiz zur Sterbehilfe benutzt wird, bekommen die | |
| US-Hinrichtungsstätten nicht mehr. Europäische Firmen verweigern den Export | |
| für Hinrichtungen, der einzige US-Hersteller auch. Daher experimentieren | |
| die Staaten mit neuen Mischungen. Einige, wie auch Oklahoma, weigern sich | |
| zudem, die Hersteller der verwendeten Drogen anzugeben – angeblich zum | |
| Schutz der Hersteller vor Anfeindungen der Öffentlichkeit. | |
| Dagegen hatten die AnwältInnen von Lockett und Warner geklagt und erst vor | |
| wenigen Tagen vom Obersten Gerichtshof Oklahomas Recht bekommen. Unter | |
| Berufung auf die notwendige Transparenz hatten die Richter eine vorläufige | |
| Aussetzung der Hinrichtungen angeordnet. Gouverneurin Fallin allerdings, | |
| vom Rechtsaußenflügel der Republikaner, hatte das Urteil schlicht nicht | |
| anerkannt, ihnen vorgeworfen, ihre Kompetenzen zu überschreiten, der | |
| republikanische Kongress hatte den Richtern mit Amtsenthebung gedroht. | |
| Daraufhin hatten die Richter die Aussetzung zurückgenommen. | |
| ## Unabhängige Untersuchung gefordert | |
| Die Anwälte fordern jetzt eine unabhängige Untersuchung der genauen | |
| Umstände. Unklar ist etwa, ob die benutzte Vene von vornherein „geplatzt“ | |
| und nicht zu gebrauchen war, oder ob der Zugang herausgerutscht ist. | |
| Offenbar sind die Drogen nur zu einem geringen Teil tatsächlich in Locketts | |
| Körper gelangt. Präsident Barack Obama drängte darauf, Hinrichtungen in | |
| Einklang mit der Verfassung zu bringen. | |
| Lockett war wegen der Ermordung der 19-jährigen Stephanie Feimann zum Tode | |
| verurteilt worden. Die junge Frau hatte Lockett und zwei Komplizen beim | |
| Einbruch in die Wohnung einer Freundin ertappt und war von den Räubern | |
| gefesselt und aus der Stadt gefahren worden. Weil sie sich, so Locketts | |
| eigene Angaben, weigerte, den Mund zu halten, habe er auf sie geschossen – | |
| und sie dann, noch lebend, vor den Augen ihrer Freundin begraben. | |
| Die Eltern der Getöteten hatten als Nebenkläger im Prozess auf die | |
| Todesstrafe gedrungen. Noch wenige Tage vor dem Hinrichtungstermin hatten | |
| sie öffentlich festgestellt, dass Lockett nicht die gleichen Qualen | |
| erleiden werde wie ihre Tochter in den letzten Stunden ihres Lebens. Jetzt | |
| bedauern sie, dass die Umstände der Hinrichtungen es ihnen unmöglich | |
| machten, zur Ruhe zu kommen. | |
| In einer Online-Umfrage der Zeitung Tusla News geben nur gut zwei Prozent | |
| der LeserInnen an, die Horror-Hinrichtung habe ihre Meinnung zur | |
| Todesstrafe geändert. Gut drei Viertel gaben an, sie unterstützten die | |
| Todesstrafe nach wie vor. | |
| 2 May 2014 | |
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| Bernd Pickert | |
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