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# taz.de -- Westen der Ukraine: Trügerische Normalität
> In Lemberg, im Westen der Ukraine, schwankt die Stimmung zwischen Alltag
> und Trauer. Die Angst vor Auseinandersetzungen liegt in der Luft.
Bild: Lemberg im Februar: Mittlerweile gehören Totenmessen und öffentliche Ge…
LEMBERG taz | Die Zelte am Schewtschenko-Denkmal auf dem Prospekt Swobody,
dem Freiheitsboulevard, sind längst nicht mehr da. Auch die Bühne und der
große Bildschirm wurden abgebaut. Nur die Kerzen und die Fotos der Toten
erinnern noch daran, dass dies einst der Lemberger Maidan war.
Die Stadt ist scheinbar wieder zum normalen Leben zurückgekehrt. Allmählich
füllen sich die schmalen verwinkelten Gassen mit Touristen, Polnisch und
Russisch hört man in diesen Tagen fast genauso oft wie Ukrainisch. Die
Straßencafés und Kneipen sind voll bei schönem Frühlingswetter. Die
Lemberger gehen wie gewohnt ihren Geschäften nach. An den Werktagen bilden
sich wie immer Staus, die durch das typisch chaotische Fahrverhalten nur
noch schlimmer werden. Gut sortierte Läden, keine Schlangen vor
Bankautomaten. Nichts erinnert daran, dass das Land sich nahe dem
Kriegszustand befindet.
Doch die Normalität ist trügerisch. Es liegen Anspannung und Unsicherheit
in der Luft. Man diskutiert über die Ereignisse im Osten und ist ratlos,
wie es weitergeht. „Die Nachrichten erinnern an die Kriegsmeldungen von der
Front – Schüsse, Panzer, Tote, Barrikaden, besetzte Gebiete und Gebäude“,
meint Marjana, die ein kleines Geschäft für Einrichtungsgegenstände führt.
„Man geht alle paar Minuten ins Internet, um zu überprüfen, ob nichts
Schlimmes passiert ist. Das lähmt einen regelrecht.“
Es ist aber auch die Angst vor Provokationen. Zwar ist Putins Hilfe das
Letzte, was sich die russische Minderheit in Lemberg wünscht, aber das
interessiert die russische Propaganda kaum. Die müsste sich allerdings
derzeit enorm anstrengen, um neue Lügen zu erfinden – denn weder die
rechtspopulistische Partei Swoboda noch der Rechte Sektor sind im Stadtbild
präsent.
## Die Rechten verlieren an Boden
Swoboda, obwohl sie nach den letzten Kommunalwahlen sowohl im Stadtrat als
auch im Regionalparlament mit der größten Fraktion vertreten ist, scheint
zuletzt stark an Zuspruch verloren zu haben. Ihr Präsidentschaftskandidat
Oleg Tjagnybok liegt Meinungsumfragen zufolge landesweit bei 1,4 Prozent.
Sicherlich kann man auch in Lemberg vereinzelt Neonazis finden; im
Gegensatz zu ihren Gesinnungskameraden in vielen russischen Städten haben
sie aber am 1. Mai keine Aufmärsche organisiert.
Nun hofft man in Lemberg, dass es auch am 9. Mai, dem „Siegestag“, ruhig
bleiben wird. Denn das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete für Galizien
nicht nur die Befreiung von den Nazis, sondern auch die Fortsetzung des
Stalin-Terrors. Vor einigen Jahren kam es zu Zusammenstößen zwischen
Nationalisten und prorussischen Demonstranten, die an diesem Tag
mehrheitlich aus dem Osten nach Lemberg kamen.
Aber auch Trauer ist in diesen Tagen in Lemberg deutlich zu spüren. Die
Stadt trauert um die Toten von Odessa, ein ökumenisches Gebet auf dem
Marktplatz klingt wieder wie eine Mahnung. In letzter Zeit sind Totenmessen
und öffentliche Gebete zu einem festen Bestandteil des Alltags geworden.
Auch das traditionelle Stadtfest am ersten Maiwochenende findet ohne Musik
und große Festivals statt.
5 May 2014
## AUTOREN
Juri Durkot
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