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# taz.de -- TV-Duell vor der Europawahl: Wie im Kinderfernsehen
> Harmonie statt Kontroverse und Diskussionen auf Grundschulniveau. Den
> Kandidaten fehlte im TV-Duell vor allem eins: eine Idee von Europa.
Bild: „Hihi“: Martin Schulz (l.) und Jean-Claude Juncker (r.) waren auch wi…
BERLIN taz | Das ist der Martin, und das ist der Jean-Claude. Der eine ist
Präsident des Europaparlaments, war Bürgermeister von Würselen und hat mal
ziemlich gut Fußball gespielt. Der andere ist ein Arbeiterkind aus
Luxemburg, der schon Ministerpräsident war – da war er noch keine 40 – und
mal eine Geheimdienstaffäre hatte.
Es war ein wenig wie bei „Logo“, den Kindernachrichten des ZDF:
Erklärfernsehen auf Viertklässlerniveau. Da treten die Spitzenkandidaten
der großen Parteienbündnisse in Europa zum TV-Duell gegeneinander an und
die veranstaltenden Sender, das ZDF und der Österreichische Rundfunk, gehen
davon aus, dass die Zuschauer (ZDF) und Zuseherinnen (ORF) nichts, aber
auch gar nichts über Europa wissen, keine Ahnung haben, wer dieser
Sozialdemokrat Martin Schulz oder der Konservative Jean-Claude Juncker ist.
Als die beiden endlich miteinander streiten dürfen, als sie ihre ersten
wenig witzigen Witzeleien („58? Sie sehen aus wie 59, hihi“) ausgetauscht
haben, müssen sie gleich über die Ukraine sprechen. Da redet sich Schulz
beinahe schon um Kopf und Kragen, als er meint, dass die Ukraine ein Teil
Europas sei, allein schon, weil der westliche Teil katholisch geprägt sei.
Vielleicht hätte er sich in den vergangen Wochen ein paar Mal die
„Logo“-Nachrichten ansehen sollen, dann hätte er Substanzielleres zum
beherrschenden Thema dieser Tage beitragen können.
Was Juncker sagte, zeugte zwar auch nicht von viel Verständnis und ging
über wohlfeile Sätze wie: „Wir hatten genug Kriege“ nicht hinaus, aber er
blamierte sich wenigstens nicht. Auf jeden Fall war er sich sicher, dass
die Ukraine erst einmal nichts in der EU verloren hat.
## Keine Idee von Europa
Und hier wird es endlich spannend. Da stehen zwei, die für sich in Anspruch
nehmen, eine Idee vom vereinigten Europa zu repräsentieren und haben keine
Lust, sich grundsätzliche Gedanken über die europäische Integration zu
machen.
Es werden in den nächsten fünf Jahren keine Staaten in die EU aufgenommen,
das versprach Juncker. Die EU könne Erweiterunsgrunden nicht verkraften.
Schulz mochte da nicht widersprechen.
Da streiten sich zwei Verwalterseelen, die einzig das Funktionieren ihrer
Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne haben, um das Amt des
Kommissionspräsidenten. Und der einzige Konflikt des Abends dreht sich
darum, wer nun schuld sei daran, dass die EU mit der Türkei über einen
Beitritt verhandelt, Altkanzler Gerhard Schröder oder Angela Merkel. Nein,
eine Idee von Europa will keiner der beiden formulieren.
Klar haben die beiden so etwas wie ein Programm. Juncker will die
Unternehemnssteuern „harmonisieren“, um „dauerhaftes Wachstum und
Stabilität“ herzustellen. Schulz will dafür sorgen, dass die Steuerzahler
nicht dafür „blechen“ müssen, was Banken anrichten.
Die Außengrenzen der EU müssen dicht bleiben, da sind sie sich einig, auch
wenn Schulz für eine geregelte Einwanderungspolitik der Marke Kanada
plädiert hat. Und wie mit den „Sozialtouristen“ (Juncker) innerhalb der EU
umzugehen sei, das sein Sache der nationalen Regierungen. So wie die
Geldpolitik Sache der unabhängigen Europäischen Zentralbank ist.
Am Ende lag die Frage in der Luft, was der Wahlgewinner dereinst überhaupt
bestimmen kann, sollte er tatsächlich Kommissionspräsident werden.
Vielleicht klärt uns ja „Logo“ in den nächsten Tagen darüber auf.
9 May 2014
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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