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# taz.de -- Spitzenkandidaten zur EU-Wahl: Gesichter für die Wahlfreude
> Erstmals gibt es Kandidaten für den Vorsitz der EU- Kommission. Ob diese
> Personalisierung gegen die Wahlmüdigkeit hilft?
Bild: Die Chefin und ihr Kandidat, ein gewisser Jean-Claude Juncker.
BRÜSSEL taz | Stell dir vor, es ist Europawahl und keiner geht hin! Der
Albtraum aller EU-Politiker wurde schon mehrfach wahr. 2009 gaben nur 43
Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme ab, die Beteiligung sinkt seit
der ersten Direktwahl 1979 kontinuierlich. Doch diesmal soll alles besser
werden: mit europäischen Spitzenkandidaten.
Der Chef des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), sprach es als Erster
aus. Mit Hinweis auf den EU-Vertrag von Lissabon, der dem Parlament mehr
Macht gibt, forderte Schulz bisher Unerhörtes: Die Parteien sollten
gemeinsame Spitzenkandidaten aufstellen – und der Wahlsieger solle dann zum
nächsten Chef der EU-Kommission aufsteigen.
Die Idee dahinter ist so simpel wie einleuchtend: Nur durch gemeinsame
Kandidaten, die in allen 28 EU-Ländern auftreten, lässt sich eine
europäische Öffentlichkeit schaffen. Und nur durch das Versprechen, den
Sieger zum Kommissionschef zu machen, erhält die Wahl eine tiefere
Bedeutung. Mit rein nationalen Kandidaten und Debatten lassen sich die
Bürger nicht hinterm Ofen hervorlocken.
Die EU-Kommission stellte sich hinter den Vorstoß. Doch der mächtige Rat,
in dem auch Kanzlerin Angela Merkel sitzt, mauert. Bis heute ist nicht
klar, ob Merkel und die anderen EU-Chefs das Spiel mitspielen. Ihr oberster
Zeremonienmeister, Ratspräsident Herman Van Rompuy, äußerte sich sogar
ablehnend: „Ich bin kein begeisterter Anhänger dieser Idee mit den
Spitzenkandidaten“, sagte er.
## Chaos bei der Nominierung
Zu spät: Schulz hat sich durchgesetzt, alle Parteien machen mit. Als erste
kürten die Sozialdemokraten Schulz zu ihrem Frontrunner. Kurz danach
nominierten die Grünen José Bové und Ska Keller. Die Linke schickt den
griechischen Eurokritiker Alexis Tsipras ins Rennen.
Die Nominierung lief nicht immer rund. Bei den Grünen nahmen nur rund
20.000 Menschen an einer europaweiten Urwahl nach US-Vorbild teil, manche
Länder wie Österreich zogen gar nicht mit. Ausgerechnet die deutschen
Grünen konterkarierten ihre EU-weit gewählten Spitzen mit einer nationalen
Liste, die von Rebecca Harms angeführt wird. Am chaotischsten lief die
Nominierung aber bei Merkels Konservativen. Die Kanzlerin wollte zunächst
gar keinen Spitzenkandidaten. Als sie sich schließlich auf den abgewählten
Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker einließ, tauchte unerwünscht
plötzlich EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier als Gegenkandidat auf,
setzte sich aber nicht durch.
## Duell mit Tücken
Juncker tritt nun gegen Schulz an – nur die beiden haben echte Chancen,
Kommissionspräsident zu werden. Doch auch dieses Duell hat seine Tücken.
Zum einen torpediert Merkel die Idee der europaweiten Spitzen, indem sie
sich selbst auf den Wahlplakaten zeigt – und eben nicht Juncker. Zum
anderen ist das Duell sehr deutschlastig. Schulz ist Deutscher, Juncker
spricht deutsch, die großen TV-Debatten werden in deutscher Sprache
abgehalten. Noch nicht einmal in Frankreich war zunächst eine
Live-Übertragung geplant.
Ein bisschen ist es so, als würden nur die Kandidaten des „deutschen
Europa“ miteinander streiten. Zudem sind Juncker und Schulz keine neuen
Gesichter, sondern ziemlich alte Hasen im Brüsseler Geschäft. Schulz
verspricht zwar einen „Politikwechsel“ – weg von der harten
Austeritätspolitik, hin zu einem sozialeren und grüneren Kurs. Doch als
Parlamentschef hat er viele Sparpläne mit abgesegnet. Und Juncker zieht
schon jetzt Ideen zurück, die Merkel stören könnten – zum Beispiel
gemeinsame Anleihen (Eurobonds).
Um Kommissionschef zu werden, sind beide zudem auf Mehrheiten im neuen
Europaparlament angewiesen. Da kommen dann die Liberalen ins Spiel, die
sich mit ihrem Spitzenkandidaten Guy Verhofstadt – einem belgischen
Föderalisten – schon als Königsmacher empfehlen. Grüne, Linke und noch
Kleinere hingegen werden ausgegrenzt. Und so könnte alles doch noch im
üblichen Gekungel enden.
9 May 2014
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
EU-Kommission
Martin Schulz
Jean-Claude Juncker
Ska Keller
Alexis Tsipras
Peter Sunde
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