# taz.de -- CSU am rechten Rand: Wadlbeißer mit Kalkül | |
> Der CSU-Vize Peter Gauweiler ist immer für eine Provokation gut. Diesmal | |
> schießt er gegen die Bundeswehr – nicht ohne Grund. | |
Bild: Gauweiler (vorn) will nichts mehr werden – Seehofer nicht Getriebener s… | |
Peter Gauweiler hat sich mal wieder zu Wort gemeldet. Und wenn er das tut, | |
ist eines gewiss: Was er sagt, ist provokativ, und hernach distanziert sich | |
jemand von seinen Worten. | |
In einem Interview mit dem Spiegel kritisierte der CSU-Parteivize das | |
Verhalten der deutschen OSZE-Beobachter, die von prorussischen Separatisten | |
in der Ostukraine festgehalten und am Samstag wieder freigelassen worden | |
waren. Zuvor hatten die Entführer unter der Leitung des selbsternannten | |
Bürgermeister Wjatscheslaw Ponomarjow die Männer im holzvertäfelten Rathaus | |
von Slawjansk auf einer Pressekonferenz den Medien vorgeführt. | |
Auf dieser Pressekonferenz bemühte sich der deutsche Leiter des sogenannten | |
„Military Verification Teams“, Oberst Axel Schneider, nichts zu tun, was | |
die Männer, in dessen Gewalt er und sein Team sich befanden, verärgern | |
könnte. „Wir sind Gäste von Ponomarjow. Wir sind keine Kriegsgefangenen“, | |
sagte er in stockenden Worten und mit sehr aufrechtem Rücken ins Mikrofon. | |
Dies wiederum kritisierte nun Gauweiler im Spiegel-Interview: „Ich habe | |
mich allerdings auch gefragt: Warum zum Beispiel bedankt sich ein deutscher | |
Offizier bei seinem Geiselnehmer in einer öffentlichen Pressekonferenz? Der | |
ganze Vorgang macht auch für die Bundeswehr einen unguten Eindruck.“ | |
## Seehofer passt das gut in den Kram | |
Und Gauweiler eröffnete noch eine zweite Front. Deutschland dürfe sich | |
nicht von der „Revolutionsregierung in Kiew, deren Legitimität man mit | |
gutem Grund anzweifeln kann“, noch tiefer in den Konflikt hineinziehen | |
lassen. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Am Montag | |
distanzierte sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer von den Aussagen | |
Gauweilers. Dessen Äußerungen gäben „in weiten Teilen seine persönliche | |
Haltung wieder, gerade in Hinblick auf den Oberst“, sagte Seehofer. Will | |
heißen: Mit all dem habe er, Seehofer, rein gar nichts zu tun. Das stimmt | |
zwar in gewisser Hinsicht. Denn Seehofer hat die deutschen OSZE-Gesandten | |
tatsächlich nicht kritisiert. | |
Mittelbar kann man aber davon ausgehen, dass die provokanten Aussagen | |
Gauweilers dem CSU-Chef ganz gut in den Kram passten. Schließlich hat | |
Seehofer den „schwarzen Peter“ erst im Herbst zum CSU-Vize und damit zum | |
institutionalisierten Wadelbeißer ernannt. Gauweiler soll die Erfolge der | |
CSU bei der Landtags- und Bundestagswahl bei der Europawahl fortführen. Mit | |
seinen euroskeptischen Positionen sichert er die CSU am rechten Rand gegen | |
die AfD ab. Dass Gauweiler nun auch als Russlandversteher auftritt, ist das | |
Zuckerl obendrauf. | |
Schon seit einiger Zeit ist in der von Seehofer zum Schoßhündchen | |
degradierten CSU nicht alles, wie es einst sicher schien. Seehofer hört | |
zwar nicht wirklich auf das Volk, aber er hört doch in es hinein. Und das | |
Volk sieht in den Ukrainern vor allem ostige „Grattler“, die jetzt auch | |
noch was vom EU-Kuchen – also nicht zuletzt vom bayerischen – abhaben | |
wollen. Die Freiheit der Ukraine ist deswegen niemandem einen Krieg wert: | |
Sollen sich die Russen darum kümmern. Gauweiler spricht dieses Ressentiment | |
aus, Seehofer ergreift die Gelegenheit, sich transatlantisch und | |
staatsmännisch statt populistisch zu geben. In der Welt sind am Ende beide | |
Positionen – und schon fühlen sich alle CSU-Wähler wahrgenommen. | |
## Satte Einnahmen | |
Gauweiler will nichts mehr werden. Der 64-Jährige sitzt seit 2002 als | |
Abgeordneter im Deutschen Bundestag – gewählt per Direktmandat. Auch | |
finanziell dürften Gauweiler keine weiteren politischen Ämter mehr locken. | |
Seine Einnahmen aus „Nebentätigkeiten“ in seiner Münchner Anwaltskanzlei | |
belaufen sich auf 500.000 Euro im Jahr, wie der Spiegel berichtete. | |
Seehofer indes will auf keinen Fall der Getriebene sein. Zu einer Zeit, da | |
sich manche konservativen Kommentatoren fragen, was aus der verlässlich | |
USA-treuen CSU geworden ist, ist es für Seehofer an der Zeit, den Mann von | |
Welt zu geben. Die Frage wird sein, wie lange Partei-„Freunde“ und Wähler | |
noch einem Mann folgen wollen, der Politik absolut wertefrei betreibt – mit | |
der Rendite aber stets fest im Blick. | |
5 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Marlene Halser | |
Ambros Waibel | |
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