# taz.de -- Logistik in der Stadt per Fahrrad: Die Lastenräder-Offensive | |
> Pedalo-Spediteure können die Hälfte der innerstädtischen Kleinlaster | |
> ersetzen. Ein neues Internetportal präsentiert die günstige | |
> Dieselruß-Alternative. | |
Bild: Zweispuriger Radverkehr: Da geht was – bis 400 Kilogramm. | |
Ob Logistikunternehmen oder werksinterner Verkehr, Dienstleistungen, | |
Handwerker und mobile Verkaufs- und Werbestände – dem Lastenrad steht die | |
Zukunft weit offen. Das unterstützt der ökologische Verkehrsclub | |
Deutschland (VCD) nun mit einem neuen Informationsportal im Internet. | |
Auf [1][lastenrad.vcd.org] findet der VCD praktische Antworten auf viele | |
Fragen bezüglich der Lastenräder als innerstädtischer Alternative zum | |
Automobil. So finden sich dort unter anderem ein Kostenrechner, eine | |
Datenbank zu den Typen, Informationen zu Anschaffung, Betrieb und | |
Arbeitsschutz sowie Tipps für Kommunen. | |
Einspurige Modelle mit verlängertem Radstand und tiefer gelegter | |
Ladefläche, vierrädrige Hecklader, hinterradgelenktes Dreirad, die Vor- und | |
Nachteile von Drehschemel und Achsschenkellenkung – auch für techniklastige | |
Milieus ist hier allerhand Fachjargon möglich. | |
## 1.500 Mopeds auf einen Schlag ersetzt | |
Große Logistikbetriebe wie DHL verwenden in anderen Ländern zunehmend | |
Lastenräder. In den Niederlanden wurden so bereits 33 Zustellerautos durch | |
Lastenräder ersetzt. Der Umstieg lohnt sich finanziell: 70 Prozent der | |
Lieferkosten entstehen auf den letzten 1,5 Kilometern vor dem | |
Zustellungsort. | |
Auch in anderen Branchen setzt sich das Lastenrad durch. BASF etwa ersetzte | |
1.500 Mopeds durch elektrische Lastenräder für das riesige Ludwigshafener | |
Firmengelände. Daneben finden Lastenräder auch bei kleineren Firmen wie | |
Apothekern, Metzgern, Bäckern, Blumenläden oder Cateringdiensten mehr und | |
mehr Anklang, wie Randy Rzewnicki vom europäischen Verband European Cycle | |
Logistics Federation (ECLF) bestätigt. | |
Ein weiterer Nutzen des Booms liegt laut Rzewnnickis Verband im | |
Klimaschutz: Würde nur eine von tausend Fahrten auf dem Fahrrad erfolgen, | |
könnten in der EU so jährlich 15.000 Tonnen Treibstoff und 37.000 Tonnen an | |
CO2-Emissionen eingespart werden. | |
## Dreijährige Studie zum Potential | |
In einer dreijährigen Studie über den innerstädtischen Warentransport | |
konnte gezeigt werden, dass über die Hälfte aller motorisierten Fahrten | |
innerhalb der Stadt durch Lastenräder ersetzt werden könnte, egal ob | |
privater oder kommerzieller Natur. | |
Bis jetzt werden so gut wie alle Gütertransporte mit motorisierten | |
Fahrzeugen bewerkstelligt. Laut VCD macht der innerstädtische | |
Wirtschaftsverkehr in den größten deutschen Städten bis zur Hälfte des | |
gesamten Kfz-Verkehrsaufkommens aus. Die Fahrzeuge sind zumeist | |
dieselbetrieben. | |
Auch im Privatleben gibt es hier deutliches Verbesserungspotenzial. Der | |
ECLF-Studie zufolge wird nur in 6 Prozent aller Einkäufe tatsächlich ein | |
Auto benötigt, gut 90 Prozent könnten ebenfalls mit dem Rad erledigt | |
werden, die meisten davon mit einem großen Fahrradkorb und rund 14 Prozent | |
mittels Anhänger oder Lastenrad. Letztere können gut 100 Kilogramm Gewicht | |
mühelos transportieren. Der Trend geht sogar hin zu größeren Lastenrädern | |
und Anhängern, welche bis zu zwei Kubikmeter und 400 kg Frachten | |
transportieren können. | |
Darüber hinaus haben Lastenräder weitere Vorteile gegenüber dem Automobil: | |
Sie benötigen weniger Parkplatzfläche, müssen sich nicht an die Ladeverbote | |
in Fußgängerzonen halten und können das Straßennetz effizienter nutzen. | |
## 10.000 Tote könnten es weniger sein | |
Nicht in dieser Studie, sondern in einer der Weltgesundheitsbehörde WHO, | |
kommen noch ganz andere Zahlen zu Tage. Die Organisation mit Sitz in Genf | |
hat die europäischen Hauptstädte verglichen und festgestellt: Über 76.000 | |
Menschen würden im umweltfreundlichen und gesunden Transport mehr | |
angestellt sein - wenn denn alle diese Städte auf dem Rad-Niveau von | |
Kopenhagen wären. Und 10.000 Verkehrstote weniger würde es jährlich in | |
diesen Städten geben. Hier geht es allerdings um den gesamten Radverkehr, | |
nicht nur um Lastenräder. | |
Die Studie heißt [2][„Unlocking new Opportunities“] und erschien Mitte | |
April 2014. Demnach weist Kopenhagen einen Anteil von 26 Prozent | |
Fahradfahrten am Gesamtverkehr auf. Nummer eins der Hitliste ist Amsterdam | |
mit 33 Prozent, Berlin liegt noch ganz gut auf Platz drei mit 13 Prozent. | |
In Süd- und Osteuropa liegen das Ende der Tabelle, dort sind es null oder | |
ein Prozent Fahrrad-Anteil am sogenannten "modal split" des Verkehrs. | |
## Modellprojekt mit E-Rädern | |
Zurück zum kommerziellen Verkehr hierzulande: Damit auch die im Vergleich | |
zu den Niederländern und Dänen eher fahrradfaulen Deutschen – jeder Zweite | |
fährt hierzulande nie mit dem Rad zur Arbeit – vermehrt umsteigen, | |
starteten Organisationen, Bund und Länder bereits einige Kampagnen. | |
„Ich ersetze ein Auto“, lautet zum Beispiel ein Modellprojekt im Rahmen der | |
Nationalen Klimaschutzinitiative, bei dem neun städtische Kurier- und | |
Expressdienste mit deutschlandweit 40 E-Lastenrädern ausgestattet werden. | |
Das Potenzial, innerstädtische Kurierdienste auf Lastenräder umzulegen, | |
liegt bei 85 Prozent. | |
Als Vorbild umweltfreundlicher Mobilität wird neben den Niederlanden stets | |
Kopenhagen genannt. Dort wird die Zahl der benutzten Lastenräder auf rund | |
40.000 im Großraum Kopenhagen geschätzt, bei etwa 750.000 Einwohnern. Vor | |
allem die Familiennutzung ist hier hervorzuheben. Die Stadtverwaltung | |
schätzt, dass rund 28 Prozent aller Familien mit zwei oder mehr Kindern ein | |
Lastenrad besitzen. | |
In London sind dazu im Vergleich nur rund 3.000 Lastenräder auf den Straßen | |
unterwegs, bei mehr als 8 Millionen Einwohnern. Ben Johnson von der | |
Londoner Cargo Bike Company rechnet allerdings mit einem Anstieg von 20 | |
Prozent in diesem Jahr. | |
## Essenslieferung per Fahrrad | |
Ihm zufolge sind die hohe Londoner Verkehrsbelastung sowie hohe Parkplatz- | |
und Verkehrsgebühren der Garant für steigende Nachfrage an Lastenrädern. | |
Viele Cafés böten mittlerweile zur Lunch-Zeit Essenslieferungen in die | |
Geschäftsviertel mit Lastenrädern an. | |
Den gewaltigen Unterschied zwischen Kopenhagen und London führt Eric | |
Poscher vom Leipziger Laden Rad3 auf die Gegenkultur der Freistadt | |
Christiania zurück, die nach der Besetzung des einstigen Militärgeländes | |
als automobilfreie Zone ausgerufen wurde. | |
Alte Transporträder des Typs „Long John“ fanden zu neuem Nutzen und auch | |
neue Vehikel wurden fabriziert. Aus seinem Geschäft weiß Poscher zu | |
berichten, dass nach wie vor Familien die stärkste Kundschaft darstellen, | |
Firmen halten sich noch recht bedeckt. Die zweirädrige Alternative zum | |
Dieselruß müssen sie erst noch entdecken. | |
11 May 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://lastenrad.vcd.org | |
[2] http://www.euro.who.int/en/publications/abstracts/unlocking-new-opportuniti… | |
## AUTOREN | |
Moritz Holler | |
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