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# taz.de -- Auf Radtour in der Toskana und Umbrien: „Keiner will das E-Bike a…
> Stets leistungsbereit, eher ehrgeizig – bei der Gruppentour durch die
> Toskana und Umbrien geben alle ihr Bestes: Sportlich und fit muss es
> sein.
Bild: Akku wird aufgeladen: Zwangspause für E-Biker.
Sie zischt. Er schnaubt. Die Nächste stöhnt: „Du schon wieder.“ Ich ziehe
auf einem E-Bike an einem nach dem anderen vorbei. Motorstufe „medium“. Die
anderen haben normale Fahrräder. Es geht bergauf. Mehr muss man eigentlich
nicht sagen.
Man konnte wählen, für diese Radtour durch die Südtoskana und Umbrien:
E-Bike oder normales Fahrrad. Die anderen zehn TeilnehmerInnen schätzen den
sportlichen Aspekt der Tour und nehmen normale Räder. Nur ich nicht.
Schließlich will ich einen Artikel über E-Biken in Umbrien schreiben. Das
wird der erste Lacher. Meine Mitreisenden halten es für eine gelungene
Ausrede.
Wir starten in Florenz. Stadtführung und Verspeisen des berühmten Bistecca
fiorentia, eines Steaks vom weißen Chianina-Rind aus der Gegend. Rotalis
nennt die Reise „klein und fein“, nur elf TeilnehmerInnen, maximal 50
Kilometer radeln pro Tag. Das Gepäck wird transportiert, man übernachtet in
4-Sterne-Hotels und wird mit viergängigen Menus traktiert. Gehobenes Radeln
quasi.
Die anderen, das sind Ehepaare rund um die fünfzig, ein Einzelradler und
zwei Töchter, die dem Papa die Reise zum 90. Geburtstag schenken. Hartwig
[Name geändert, d. R.] wird bewundert. Mit 90 noch eine Radtour.
Ich habe schon einen leichten E-Bike-Komplex und biete gleich an, dass wir
auch mal tauschen könnten. Aber Hartwig, hager und drahtig, ist fit, ein
E-Bike unter seiner Würde.
Größere oder nicht so schöne Strecken werden mit dem Zug oder dem Kleinbus
zurückgelegt. Wir düsen per Zug nach Arezzo, wo wir knappe 20 Minuten
Besichtigungszeit haben.
Dann geht’s los. Erik radelt vorweg. Erik und Tobias begleiten uns, zwei
Studenten. Tobias fährt den Bus und bereitet das Mittagspicknick zu, Erik
radelt. Und wie. Schon ist er um die nächste Kurve verschwunden, das
Radlerfeld zieht sich auseinander.
Und, wie ist es auf dem E-Bike?, wollen alle wissen. Man kann den Motor
zuschalten und Low, Medium und High einstellen. Als ich mit Medium anfahren
will, fährt das Rad fast von allein los. Vor Schreck stelle ich den Motor
aus. Das Rad hat außerdem noch eine Kettenschaltung, eigentlich kann man
auch ohne Motor ganz gut damit fahren. Aber an Steigungen macht sich das
Gewicht bemerkbar.
## Mit dem E-Bike am Berg
Mitten auf einem Anstieg zu einer Brücke will ich den Motor zuschalten.
Geht nicht. Allgemeines Blinken. Schon muss ich schieben. Merke: den Motor
nicht erst bei Belastung zuschalten, sondern schon vorher. Dann aber gibt
es diesen wunderbaren Schwung, man tritt, und es ist, als habe man
Riesenkräfte.
An den Steigungen muss ich mir Mühe geben, nicht immer allen davonzuradeln.
Soziales E-Bike-Fahren heißt, dass man sich trotzdem im Mittelfeld
einsortiert, auch wenn man sogar Erik abhängen könnte.
Apropos: Wo ist eigentlich Erik? Weit weg. Und der Schluss der Gruppe? Ganz
weit hinten, der Einzelradler Dieter, der auch schon älter ist – und
Hartwig.
Wir fahren durch ein Weingebiet. Toskanagefühl. Apfelplantagen,
Tabakfelder. Die Wege sind prima ausgewählt, kaum Autostraßen, liebevollst
wurden sie mithilfe von Militärlandkarten ausgekundschaftet. Man radelt mal
neben dieser, mal neben jenem. Mehrere ÄrztInnen sind dabei, Unternehmer,
Manager. Obere Mittelschicht. Völlig unprätentiös. Sofort wird geduzt.
## Schlafen in der Traumvilla
Wir logieren in einer Traumvilla von 1527 mitten auf dem Land. Stille.
Einer plätschert im Pool, zwei spazieren durch den Garten. Dieter, der
Informatiker im Ruhestand, erzählt, dass er gleich wieder umkehren wollte,
als er die Gruppe in Florenz sah.
Warum? Wir sehen nicht aufregend exklusiv aus, aber eigentlich auch nicht
so abschreckend. „Ich bin eigentlich kein Gruppentyp“, windet er sich.
Er hatte schon einen Rückflug gebucht. Erst eine nette Unterhaltung mit
Hartwig konnte ihn umstimmen. Als er von weiteren Hobbys erzählt, wird auch
klar, dass es ihm nichts ausmacht, eine 1.500 Euro teure Reise mal eben
abzubrechen. Am liebsten fliegt er mit dem Heißluftballon über die Alpen.
Wohnt im teuren Münchner Stadtteil Lehel. Hat ein zweites Haus am
Tegernsee.
## Die Weine sind alle gut. Alle
Es geht zum Lago di Trasimeno. Erik erzählt von „dem guten Hannibal“, der
hier im Zweiten Punischen Krieg 217 vor Christus die Römer besiegte. Tobias
bereitet ein Picknick am See. Käse von Parmigiano bis Scamorza, Schinken,
Salami, Salat, Antipasti, Prosecco Jetzt schon trinken? Na ja, nur ein
Schlückchen.
Die Weine sind alle gut. Alle. Und schon ist Erik wieder weg. Das Tempo ist
ordentlich. Warum beklagt sich eigentlich keiner? Weil hier die obere
Mittelschicht radelt, stets leistungsbereit, eher ehrgeizig.
Keiner will das E-Bike von mir leihen. Mittlerweile würde ich es aber auch
nicht mehr so gern hergeben. Ich habe mich daran gewöhnt. Steht eine
Steigung bevor, werfe ich den Motor an. Radfahren im hügeligen Gelände wird
zum Kinderspiel. Ich werde beneidet und gefoppt.
Abends gibt es noch eine Stadtführung in Perugia. Dann Crostini mit
Steinpilzen, Tagliatelle in Safransoße, Rind mit Spinat und Profiteroles.
## Schwarze, graue und braune Mönche
Mit dem Bus hinauf nach Assisi. Wir lernen, dass es schwarze, braune und
graue Franziskanermönche gibt. Sehen fantastische Giotto-Fresken, deren
berühmtestes zeigt, wie Franziskus den Vögeln predigt.
Von Assisi, malerisch am Hang des Apennin-Berges Monte Subasio gelegen,
radeln wir bergab durch Olivenhaine, durch nette Städtchen bis zu einer
Villa auf dem Land, die wieder ein echter Traum ist. Der Blick von den
riesigen Terrassen geht über das Valle Umbra mit Zypressen, Gärten und
Feldern bis zur Apenninkette.
Man kommt sich näher und spricht davon, wie man die eigenen Scheidung
verkraftet hat und wie man die Ehen der Mitreisenden einschätzt.
Am „Ruhetag“ geht es, halb radelnd, halb wandernd durch eine Landschaft,
die einem toskanischen Tromp l’oeil gleicht, ins Bergstädtchen Montefalco,
besichtigen eine alte Ölmühle, verkosten Öl und fangen nun schon, ohne mit
der Wimper zu zucken, um halb 12 an Wein zu trinken. Der Sagrantino di
Montefalco ist schon wieder eine Entdeckung.
## Heimliche Werbung fürs E-Bike
Hartwig ist das Tempo übrigens doch zu schnell, aber laut sagt er es nicht.
Neuester E-Bike-Schnack: Ich wurde der Gruppe zugeteilt, um Schleichwerbung
für E-Bikes zu machen.
Inzwischen sind wir vollgefüllt: Fresken, Kirchen, fantastisches Essen und
der ewig treibende Erik. Der Wunsch nach Ruhe macht sich breit. In Todi,
der Trüffelstadt, decken wir uns mit herrlichsten Trüffelpasten ein und
haben nur noch für die Sexszenen an einem Kirchenportal Augen. Dafür wird
die Landschaft jetzt immer noch schöner. Weniger zersiedelt, wild
romantisch – und bergig.
Wieder gibt es Etappen im Bus oder mit einer Wanderung, wenn die Steigung
zu arg ist. Beim Mittag in einem Agriturismo mit selbst gemachten Pizzen
und Weinen schlagen wir nun routiniert zu. Wir trinken ordentlich und
entspannen uns.
Danach zieht Erik uns davon: eine lange Steigung. Zum ersten Mal zeigt der
Akku an, dass er nicht mehr lange kann. Mir graut. Wie man mit Wein intus
ohne E-Bike den Berg hochkommt, ist mir ein Rätsel. Aber meine Mitreisenden
jammern nicht einmal.
## „Ich kaufe mir auch so ein Ding“
Zur unserer letzten Station, Or.Dvieto, fahren wir auf langen Rolltreppen
hinauf, es liegt auf einem Tuffsteinblock. Unglaublich schöner Dom, tolle
Altstadt, fantastisches Abendessen. Hartwig wird gewürdigt, die
Mitfahrenden, die Stimmung ist super.
Ein letztes Mal geht es um das E-Bike. Würde ich die nächste Tour wieder
mit Motor machen? Ja, denn es ist Radfahren ohne jede Quälerei. Und bei
Dieter hat die E-Bike-Werbung gefruchtet: „So, die Entscheidung ist
gefallen“, verkündet er: „Ich kauf mir auch so ein Ding.“
11 May 2013
## AUTOREN
Heide Oestreich
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