# taz.de -- Brasilien vor der Fußball-WM: Sicherheitspolitik der robusten Art | |
> Vor dem Großereignis lässt die Regierung die Muskeln spielen. An den | |
> Grenzen stehen 30.000 Soldaten, in den Städten patrouilliert die | |
> Militärpolizei. | |
Bild: Damit's unterm Zuckerhut schön ruhig bleibt: In Rio übt die Militärpol… | |
RIO DE JANEIRO taz | Erst kommt die Militärpolizei, dann soll das | |
Fußballfieber steigen: Rund 30.000 brasilianische Soldaten sind nach | |
Angaben des Verteidigungsministeriums seit dem Wochenende im Einsatz, um | |
entlang der gesamten Landesgrenze Brasiliens eine gigantische Militäraktion | |
abzuhalten – ein Mammutunterfangen. Brasiliens Landesgrenze ist knapp | |
17.000 Kilometer lang, das Flächenland ist größer als sämtliche Länder der | |
Europäischen Union zusammen. | |
Bei der Operation „Ágata 8“ sollen Waffengattungen aller Art zum Einsatz | |
kommen, unter anderem Helikopter und Militärschiffe. Außerdem sollen | |
Polizeieinheiten Unterstützung leisten. Zwar findet eine derartige Aktion | |
dreimal im Jahr statt, doch kurz vor dem Beginn der | |
Fußballweltmeisterschaft will Brasiliens Regierung mit ihr vor allem ein | |
internationales Zeichen der Stärke aussenden. Angeblich gilt die Operation | |
der Bekämpfung von Waffen- und Drogenschmuggel sowie der illegale | |
Einwanderung. | |
Am 12. Juni wird in der Wirtschaftsmetropole São Paulo die | |
Fußballweltmeisterschaft der Herren angepfiffen – doch das Land hat mit | |
zahlreichen politischen und sozialen Großbaustellen zu kämpfen. Immer | |
wieder ließen auch Fußballfunktionäre in den letzten Wochen durchblicken, | |
dass sie mit gemischten Gefühlen und Skepsis nach Brasilien reisen. Drei | |
der WM-Stadien befinden sich noch im Bau, zahlreiche Flughäfen sind noch | |
nicht wie geplant fertiggestellt, mindestens acht Menschen sind bereits bei | |
den Bauarbeiten für die WM ums Leben gekommen. Erst am Wochenende wurden | |
die Arbeiten an einem Airport in São Paulo ausgesetzt – aus | |
Sicherheitsgründen. | |
In dem Land, in dem Anfang Oktober Präsidentschaftswahlen und damit eine | |
Entscheidung über die Zukunft der an Zustimmung verlierenden Präsidentin | |
Dilma Rousseff anstehen, wird die Weltmeisterschaft mit sehr gemischten | |
Gefühlen gesehen. Viele BrasilianerInnen glauben, von der Regierung und dem | |
Weltfußballverband Fifa beraubt zu werden: Während das Land die Kosten für | |
die gigantischen Bauvorhaben – unter ihnen vier Stadien in Städten ohne | |
Erstligamannschaften - aus Steuereinnahmen trägt, darf der | |
Weltfußballverband seine erwarteten Milliardengewinne steuerfrei aus dem | |
Land tragen. | |
## Strafen für „Verbreitung von Panik“ | |
Unterdessen liegen weite Teile des Gesundheits- und Schulsystems brach. In | |
der Folge kommt es seit langem landesweit immer wieder zu Protesten. Am | |
Wochenende und in der letzten Woche traten unter anderem Bankmitarbeiter in | |
den Ausstand, Busfahrer legten die Arbeit nieder und Polizeigewerkschafter | |
drohten damit, während der WM die Arbeit einzustellen. | |
Doch weil die Zeit drängt, reagiert Brasiliens Präsidentin Rousseff vor | |
allem mit Sicherheitspolitik der robusten Art. Zwar machte sie nach den | |
Massenprotesten im letzten Jahr auch soziale Zugeständnisse und gab neues | |
Geld für Infrastrukturvorhaben aus – angesichts des nahenden | |
Großereignisses müssen es nun aber vor allem Militär und Polizei richten. | |
Als Reaktion auf Ausschreitungen entwarf der brasilianische Senat etwa ein | |
sogenanntes Anti-Terror-Gesetz, das die „Verbreitung von Panik“ mit | |
drakonischen Strafen belegen soll. | |
Im März hatte die Militärpolizei große Armenviertel in Rio de Janeiro | |
besetzt, um sie aus der Hand von Drogengangs zu befreien. Nahezu täglich | |
kommt es in Armenvierteln bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen | |
Polizei und Gangs zu Toten und Verletzten. In Rio de Janeiro patrouillieren | |
Militärpolizisten auch im Stadtzentrum und an Touristenorten. Wer an die | |
Copacabana reist, muss von der brasilianischen Realität also nur einen Teil | |
fürchten: Kleinkriminalität - und lauwarmen Winterregen. | |
11 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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