| # taz.de -- Zeitungskrise in Spanien: Unabhängige Nachrichten gefragt | |
| > Spaniens Tageszeitungen verlieren das Vertrauen ihrer Leser – auch weil | |
| > sie den Sparkurs aus Brüssel verteidigen. Neue Projekte haben eine | |
| > Chance. | |
| Bild: Einsamer Leser an der Costa Blanca. | |
| MADRID taz | Spaniens traditionelle Medien stecken in der Krise. Die großen | |
| Zeitungen des Landes büßen Jahr für Jahr Leser ein. Über 12.000 | |
| Medienschaffenden verloren seit 2005 ihren Job. Gleichzeitig entstehen neue | |
| Medien. Die meisten von ihnen im Internet. So manche der über 300 neue | |
| Medien stoßen auf großen Zuspruch beim Publikum. | |
| „Die generelle Krise der Printmedien erklärt dies nur teilweise“, sagt der | |
| Medienwissenschaftler der Madrider Universität Complutense, Rafa Díaz. „Die | |
| traditionellen Publikationen haben in den letzten Jahren stark an | |
| Glaubwürdigkeit verloren. Allen voran El País“, fügt er hinzu. | |
| Die größte Zeitung des Landes, die in den 1970er Jahren entstand, als sich | |
| Spanien auf dem Weg von der Diktatur zur Demokratie machte, war Referenz | |
| für ein breites Spektrum von Mitte-links bis links. In den letzten Jahren | |
| sei, so Díaz, ein Wechsel in der Blattlinie zu verzeichnen. El País | |
| entwickle sich hin zu einem wirtschaftsliberalen Blatt. In Zeiten der Krise | |
| verteidigt die Zeitung immer wieder die Sparrezepte aus Brüssel. Teile der | |
| Leserschaft suche enttäuscht nach neuen Medien. | |
| Auch Gonzalo Boye, Anwalt aus Madrid und Herausgeber des Satiremagazins | |
| Mongolia, beobachtet diese Entwicklung und hat eine Erklärung parat: | |
| „Prisa, das Verlagshaus von El País, schuldet 3,5 Milliarden Euro unter | |
| anderem den Großbanken Santander und Caixa und hat Aktien an den | |
| deutsch-amerikanischen Investor Nicolas Berggruen verkauft. Seither sitzen | |
| Bankenvertreter in den Gremien, die mit über die Linie der Medienholding | |
| und damit von El País entscheiden“, sagt Boye. | |
| Seine vor zwei Jahren entstandene Mongolia ist eines der wenigen neuen | |
| Medien auf Papier. Neben dem „Humor für gut informierte Leser“, enthält d… | |
| Blatt mit monatlich 40.000 Exemplare „Reality News“. Dort wird immer wieder | |
| die Verflechtung von Finanzwelt und Medien untersucht. | |
| „Als 2011 ein Vorstandsmitglied der Bank Santander vom Obersten Gericht das | |
| Recht entzogen wurde, weiter im Bankgeschäft tätig zu sein, war dies El | |
| País eine Meldung mit sechs Zeilen wert. Würde so etwas bei der größten | |
| deutschen Bank passieren, wäre dies in Deutschland überall auf der Seite | |
| eins“, ist sich Boye sicher. | |
| ## Neue Onlinemedien | |
| „Alle großen Tageszeitungen, sind in den Händen der Banken und der | |
| Politik“, verweist Boye auf den Wechsel der Chefredaktionen bei den drei | |
| wichtigsten Tageszeitungen in den vergangenen Monaten. Nicht nur El País | |
| ersetzte den Chef durch einen Journalisten, der politisch der konservativen | |
| Regierung nahesteht. Bei El Mundo musste Gründer Pedro J. Ramírez gehen. | |
| Der Druck von Regierung und Geldgebern war unerträglich geworden, nachdem | |
| das Blatt Korruptionsfälle aus dem Umfeld der regierenden Partido Popular | |
| und dem Königshaus veröffentlichte. | |
| Und bei der in Barcelona erscheinenden La Vanguardia wurde vermutlich auf | |
| Druck von König Juan Carlos der einstige Pressesprecher des | |
| Innenministeriums zum Chefredakteur. Sein Vorgänger hatte mit Sympathie | |
| über die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens berichten lassen. „Ein | |
| Richtungswechsel in der Berichterstattung ist nur dann möglich, wenn | |
| gleichzeitig langgediente, bekannte Journalisten entlassen und durch | |
| prekäre, junge KollegInnen ersetzt werden“, sagt Boye. | |
| ## Die Entlassenen werden aktiv | |
| Genau das ist geschehen. Diese Entlassenen – alleine bei El País über 300 �… | |
| stellen ein Teil der Gründer neuer Medien. Hinzu kommen junge | |
| Hochschulabgänger, die ihr Glück im eigenen Projekt suchen. Bei der | |
| [1][Internetzeitung eldiario.es] stammt ein Großteil der 26-köpfigen | |
| Belegschaft um Chefredakteur und Blogger Ignacio Escolar aus der 2012 | |
| geschlossenen einzigen linken Tageszeitung Spaniens, El Público. | |
| „Wir haben mittlerweile zwei bis drei Millionen Besucher pro Monat“, | |
| erklärt Escolar zufrieden. Damit liegt eldiario.es mit der [2][spanischen | |
| Huffington Post,] die zum Hause El País gehört, gleichauf. eldiario.es | |
| schreibt im zweiten Jahr bereits schwarze Zahlen. 70 Prozent der Einnahmen | |
| stammen aus Werbung, 30 Prozent von bezahlenden Premiumlesern, die für 5 | |
| Euro im Monat bereits abends lesen, was am nächsten Morgen kostenlos online | |
| steht. | |
| ## Zwangsräumungen und Korruption | |
| „Wir erleben eine Repolitisierung der Gesellschaft“, erklärt Escolar. In | |
| Zeiten der Sozialkürzungen und zunehmendem Proteste steige das Interesse an | |
| einem anderen, mehr der sozialen Nachricht verpflichteten Journalismus. | |
| eldiaro.es berichtet über Zwangsräumungen, Sparpolitik, Polizeirepression, | |
| Einschränkungen der Bürgerrechte, Korruption, Flüchtlingsbewegungen an der | |
| Südgrenze, und hat dabei immer wieder exklusive Nachrichten. | |
| Der Unternehmenssprecher der El País, Pedro Zuazua, will über die Gründe | |
| für den Erfolg der neuen Medien nicht spekulieren. „Diese Frage müssen | |
| diese selbst beantworten“, sagt er. Doch den Transfer an Lesern kann auch | |
| er nicht wegreden, auch wenn er einen Einfluss der Investoren auf El País | |
| bestreitet. | |
| „Wer hier einen aktivistischen, militanten, sektiererischen Journalismus | |
| sucht, wird diesen nicht finden. […] Unsere Information entstehen im | |
| Interesse und zum Nutzen der Leser, und nicht im Dienste der einen oder | |
| anderen Ideologie“, zitiert er den neuen Chefredakteur Antonio Caño. Nur | |
| 42,9 Prozent der Redaktion unterstützte bei einer nichtverbindlichen | |
| Abstimmung die Ernennung des Konservativen und die Leser laufen weiterhin | |
| scharenweise davon. | |
| 21 May 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.eldiario.es/ | |
| [2] http://www.huffingtonpost.es/ | |
| ## AUTOREN | |
| Reiner Wandler | |
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