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# taz.de -- Medienkrise lokal: Halbes Aus für den "Anzeiger"
> Der Bremer Anzeiger stellt seine Werktags-Ausgabe ein. Positiv
> ausgedrückt: Bremen bekommt seine derzeit einzige Wochenzeitung.
Bild: Leser der ersten Stunde: Vladimir Ilyich Lenin
Der Bremer Anzeiger stellt zum Ende des Jahres seine Mittwochs-Ausgabe ein.
Damit verliert das Blatt, dessen Wurzeln bis 1890 reichen, fast die Hälfte
seiner Auflage. Lediglich sonntags wird das Blatt dann noch als
Hauswurfsendung verteilt.
Das traditionsreiche Blatt wurde 1890 als Bremer Bürger-Zeitung gegründet,
um als Organ der Arbeiterschaft eine „Gegenöffentlichkeit“ zu schaffen.
Julius Bruhns, der prägende Redakteur, zählte als Reichstags-Abgeordneter
zum linken Flügel der SPD. Zeitweilig war die Bremer Bürger-Zeitung das
reichsweit einzige SPD-Organ, in dem parteilinke AutorInnen wie Rosa
Luxemburg und Karl Radek zu Wort kamen.
Der aktuelle Antagonismus, in dem der Anzeiger als Nachfolger der
Bürgerzeitung eine Rolle spielt, ist deutlich provinzieller: Als
kostenloses Anzeigenblatt inhaltlich mit der Bremer Tageszeitungs AG
(Bretag) verbandelt, die den Weser-Kurier heraus gibt, soll er dem
Weser-Report Paroli bieten – der seinerseits mittlerweile dem
Ticket-Grossisten Klaus-Peter Schulenberg und dem Medienunternehmer Oskar
Prinz von Preußen gehört. Da der Report, der von einem dissidenten
Weser-Kurier-Redakteur geleitet wird, in deutlichem Konfrontations-Kurs zur
Bretag steht, war dieser Zweikampf auch eine Prestige-Frage. Mit der
Einstellung der Mittwochs-Ausgabe kann er für die Bretag als verloren
gelten.
Im Grunde muss bereits die bisherige Beibehaltung der Mittwochs-Ausgabe als
Trotzreaktion gelten: Der Werktag war immer defizitär und musste durch die
um Faktor vier ertragreichere Sonntags-Ausgabe quersubventioniert werden.
Doch die aktuelle Zeitungskrise, die unter anderem eine Anzeigenkrise ist,
machte die Mittwochs-Ausgaben der jüngeren Vergangenheit vollends zu
Light-Versionen. Dem Geschäfts-Modell der Anzeigen-Zeitungen zu Folge soll
der redaktionelle Rahmenteil als „Tasche“ für möglichst viele
Werbe-Beilagen dienen. Die Tasche des Anzeigers blieb in letzter Zeit noch
leerer als zuvor.
Daraus hat die Bremer Anzeiger GmbH ihre Konsequenz gezogen – die
Alternative wäre ein Preiskrieg gewesen, den sie kaum hätte gewinnen
können.
Lenin, nachzulesen in Band 22 seiner gesammelten Werke, bedauerte
seinerzeit den Verlust der Bremer Bürgerzeitung als linkes
Publikationsorgan – die SPD-Rechte hatte dort 1916 die Macht übernommen. Ob
er sich über das geplante Weitererscheinen der Sonntags-Ausgabe gefreut
hätte, sei dahin gestellt. Geschäftsführer Marc Bode zu Folge soll dort die
bisherige Auflage von 223.000 Exemplaren beibehalten werden. Chefredakteur
Peter Tänzer verweist gegenüber der taz auf die „spannende Aufgabe, Bremens
einzige Wochenzeitung“ zu werden. Sie solle hintergründiger und
service-orientierter sein. Redaktionelle Kapazitäten müsse er nicht
abbauen, sondern nur umverteilen: Tänzer bestückt den Anzeiger als Chef des
„eMedienservice Nord“, der auch andere Zeitungen beliefert – zum Beispiel
den Weser-Kurier. Die Bretag ist Gesellschafterin des „eMedienervice“.
17 Dec 2012
## AUTOREN
Henning Bleyl
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