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# taz.de -- Karikatur im Zeitungssterben: Marktdruck statt Meinungsfreiheit
> Nicht nur Redakteure sind Opfer der Zeitungskrise, auch Karikaturisten
> haben zu kämpfen. Mit Sparzwängen - und mit ängstlichen Redaktionen. Das
> Niveau sinkt.
Bild: Da bricht doch der Stift ab: Der Trend geht zur Harmlosigkeit.
Die Financial Times Deutschland ist Geschichte, das einstmals
überregionale, linksliberale Traditionsblatt Frankfurter Rundschau hängt
als kleingesparter Regionalzwerg am Tropf der konservativen Frankfurter
Allgemeinen Zeitung. Zwei prominente Beispiele, eine Krise: Sinkende
Abonnements und Auflagezahlen zwingen die Tageszeitungen zu Sparmaßnahmen.
Als Protagonisten der Medienkrise kommen gewöhnlich weggesparte Redakteure
und kühl kalkulierende Verleger zu Wort. Aus dem medialen Fokus, doch nicht
minder betroffen von den Sparzwängen der Redaktionen sind allerdings auch
Karikaturisten. Die Folge: Das Niveau der politischen Karikatur in der
deutschen Presselandschaft befindet sich im Sinkflug.
Die Zeitungskrise wirke sich inhaltlich auf die Karikaturen aus, findet
Mathias Hühn, der freiberuflich für mehrere Zeitungen (unter anderem auch
für die taz) zeichnet. „Karikaturen dürfen heute nicht mehr alles, wie das
vielleicht früher noch der Fall war.“ Heikle Themen wie Alkoholismus und
Obdachlosigkeit würden kaum noch behandelt.
## Rückgriff auf massentaugliche Motive
Thomas Meitsch, der unter dem Künstlernamen Schwarwel unter anderem für die
Sächsischen Zeitung arbeitet, sieht die Schuld daran bei den Redaktionen,
die sich heute weniger trauen würden und deshalb auf massentauglichere
Motive zurückgriffen.
Zudem verkleinert sich der Markt für die Zeichner durch den Trend von
zusammengelegten Mantelredaktionen, wie etwa bei den NRW-Zeitungen der
Funke-Mediengruppe (ehemals WAZ-Mediengruppe), die dann einfach die
gleichen Karikaturen drucken. Dadurch sinke die Chance gedruckt zu werden,
meint Klaus Stuttmann, der für den Berliner Tagesspiegel arbeitet.
Mathias Hühn sieht in diesen redaktionspolitischen und wirtschaftlichen
Zwängen einen „Trend zur Harmlosigkeit“ in den Zeichnungen. Er geht sogar
noch weiter: „Ich sehe die Meinungsfreiheit durch den Marktdruck bedroht.
Viele Zeichner haben eine Schere im Kopf und zeichnen Sachen, die niemandem
wehtun, nur um gedruckt zu werden.“
Doch die Sparwut fällt letztlich wieder auf die Zeitungen selbst zurück:
„Eine Zeitung gewinnt an Profil, wenn sie Karikaturen abdruckt, die
polarisieren“, sagt Schwarwel. Klaus Stuttmann wünscht sich deshalb
höchstens zwei oder drei Karikaturisten pro Blatt. Erst so könne eine
Karikatur zum Wiedererkennungsmerkmal einer Zeitung werden – und die hart
umkämpfte Leserschaft binden.
## Kein hoher Stellenwert
Stuttmann zieht Vergleiche zu Plantu, dem Hauszeichner der französischen
Tageszeitung Le Monde, der täglich auf der Titelseite erscheint. „In
Deutschland hatten Karikaturen nie einen hohen Stellenwert. Das hängt auch
mit der Geschichte zusammen. Hier gab es nie wirklich ein Aufbäumen gegen
die Obrigkeit wie in Frankreich“, erklärt sich Stuttmann diese
Sonderstellung.
In Deutschland arbeiten die meisten Karikaturisten dagegen freischaffend
und beliefern mehrere Zeitungen – davon leben können sie meist nicht, zumal
im Zuge der Zeitungskrise auch die Honorare für Karikaturisten gekürzt
wurden: „Ein Riesenproblem für uns“, sagt Hühn. Thomas Meitsch arbeitet
nebenher auch noch als Comiczeichner und Trickfilmer, um über die Runden zu
kommen.
Um französische Verhältnisse in Deutschland bemüht sich Andreas Nicolai. Er
ist Geschäftsführer des Interessenverbandes Cartoonlobby. Deren Ziel ist
es, Künstler zusammenzuführen, um diese besser zu fördern. Man wolle „ein
öffentliches Podium für diese Kunst schaffen“, sagt Nicolai. Hühn, Meitsch
und Stuttmann sind alle selbst Mitglieder der Cartoonlobby. Ihnen sind
solche Interessenverbände wichtig, sie ermöglichen vor allem Austausch.
Organisierbar im Sinne einer Gewerkschaft seien Karikaturisten allerdings
nicht, sagt Klaus Stuttmann: „Dafür sind wir zu wenige und zu sehr
Einzelgänger.“
## Chance Internet
Das Internet bietet dagegen schon eher Chancen, sich selbst zu vermarkten –
Facebook etwa helfe durchaus, hat Klaus Stuttmann festgestellt. Doch
Heilsbringer ist das Netz auch nicht immer unbedingt – Stichpunkt
Leistungsschutzrecht, Stichpunkt Bezahlmodelle im Internet, die nächsten
großen Debatten neben der Printkrise.
Thomas Meitsch etwa warnt vor der vorherrschenden Gratiskultur: „Facebook
oder Google+ und wie sie alle heißen sind sicher gute Werkzeuge, um seine
Inhalte einem Publikum zu präsentieren – dafür zahlen tut dieses Publikum
jedoch nicht.“ Es sei noch ein weiter Weg, bis sich ein Vergütungs- und
Nutzungssystem für Karikaturen im Netz durchsetzen wird. Daran ist auch die
Cartoonlobby interessiert.
3 Apr 2013
## AUTOREN
Daniel Blum
## TAGS
Karikatur
Schwerpunkt Zeitungskrise
Zeitungssterben
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Spanien
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