# taz.de -- Schleichwerbe-Verdacht: Konkrete Empfehlungen | |
> In den Frauenzeitschriften der WAZ-Gruppe werden auffällig häufig | |
> Produkte erwähnt, deren Hersteller auch bezahlte Anzeigen schalten. | |
Bild: WAZ-Zentrale in Essen | |
In der Diskussion über käuflichen Journalismus steht meistens individuelles | |
Fehlverhalten am Pranger. Es geht um schwarze Schafe, die Verlockungen | |
nicht widerstehen konnten und ihre Objektivität gegen persönliche Vorteile | |
eingetauscht haben – ganz gleich, ob es sich dabei um bezahlte Reisen oder | |
privilegierten Zugang zu Informationen handelt. | |
Doch diese Diskussion greift zu kurz. Denn immer wieder lassen sich ganze | |
Redaktionen Inhalte diktieren, ohne dies ausreichend kenntlich zu machen. | |
Mal geschieht dies in Eigenregie, mal auf Druck von Verlagsleitungen oder | |
Anzeigenabteilungen. | |
Perfektioniert und systematisiert hat dieses Modell anscheinend die | |
WAZ-Women-Group der Funke-Mediengruppe (ehemals WAZ-Mediengruppe). Hier | |
scheint das Einbinden von Schleichwerbung ein bisher noch nicht gekanntes | |
Maß erreicht zu haben. | |
Wer unter 60 ist und männlich, der dürfte die Produkte der WAZ-Women-Group | |
eher selten in die Hand nehmen. Denn mit seinen acht periodisch | |
erscheinenden Zeitschriften wie Neue Welt, Echo der Frau oder die aktuelle | |
spricht der Verlag vor allem Leserinnen in der zweiten Lebenshälfte an. | |
Themen wie royale Verlobungen oder die Vorbeugung von Demenz nehmen mehr | |
Raum ein als politische Analysen oder Gesellschaftskritik. | |
## Ungeahnte Marktmacht | |
Und doch kommt den Zeitschriften eine bedeutsame Rolle zu. Denn die | |
Gesamtheit der Women-Group-Titel verkauft sich besser als Spiegel und Stern | |
zusammen. 1,8 Millionen Exemplare sollen es durchschnittlich pro Woche | |
sein. Damit erreicht die WAZ-Women-Group eine ungeahnte Marktmacht. Und die | |
nutzt der Verlag wohl weidlich aus. | |
Das Geschäft mit der heimlichen Werbung scheint perfekt organisiert zu | |
sein. So finden sich in den Titeln Hunderte konkreter Empfehlungen für | |
spezifische Markenartikel. Obwohl der Artikel dies nicht erfordert. | |
Da heißt es beispielsweise in der Gesundheitsrubrik von Echo der Frau: | |
„Fürs beschwerdefreie Gleichgewicht sorgen Scopolamin-Extrakte aus der | |
Doisia-Pflanze (z.B. in ‚[Markenname]‘)“.Und für eben jenen Markenartikel | |
wirbt der Hersteller dann im gleichen Heft halbseitig. So wie alleine Mitte | |
April in vier weiteren Heften der WAZ-Women-Group. | |
## Mildes Mittel gegen Milben | |
In einem anderen Fall verspricht der Autor eines Fachartikels Allergikern | |
Linderung bei ihren Beschwerden: „Ein Öl aus den Samen des Niembaumes (z.B. | |
in ‚[Markenname]‘) wirkt rein pflanzlich gegen die Hausstaubmilbe.“ Zwei | |
Seiten später findet sich dann eine großformatige Werbeanzeige für eben | |
jenes vorher empfohlene Produkt. | |
Hinzu kommen zahllose unmotiviert erscheinende Empfehlungen für rezeptfreie | |
Mittel aus der Apotheke. Ob Schmerzgel, Mittel zur Förderung der | |
Kollagenbildung oder Mittel mit Birkenextrakt, ständig tauchen Produkte | |
namentlich auf. Versehen mit dem Hinweis, diese seien in der Apotheke | |
erhältlich. | |
Auch Versicherungen erhalten immer wieder Empfehlungen. Da heißt es dann | |
beispielsweise: „Sehr gute Angebote gibt es bereits ab 55 Euro (z.B. | |
‚[Markenname]‘).“ Ähnlich sieht es bei den unzähligen Empfehlungen für… | |
immer gleichen Lebensmittel aus. Zudem gibt es auf den Modeseiten | |
Empfehlungen für einen Versandhandel, der großflächig bei anderen Heften | |
der Mediengruppe Werbung gebucht hat. | |
## Ein Insider berichtet | |
Empfehlungen, die angesichts von insgesamt 1,8 Millionen Lesern der | |
WAZ-Woman-Group durchaus für höhere Verkaufszahlen bei den Unternehmen | |
sorgen könnten. Und das nutzt man wohl, um Geschäfte in Schwung zu bringen. | |
Ein Insider berichtet, dass die Anzeigenabteilung systematisch Einfluss auf | |
Inhalte im Heft nehme. Sie teile Redaktionen mit, wen sie in welchem Umfang | |
erwähnen sollen. Beschwerden wegen Schleichwerbung nehme man in Kauf. | |
Die kontaktierten Unternehmen sind größtenteils nicht bereit, den | |
Sachverhalt aufzuklären. Anfragen bleiben vielfach unbeantwortet. Zu den | |
wenigen, die reagieren, gehört der Pressevertreter eines Pharmakonzerns. Er | |
beteuert, man habe die Parallelität von Anzeige und redaktionellem Beitrag | |
nicht veranlasst. Es habe keine Absprache mit Medien gegeben. Auch der | |
Hersteller des Produktes aus Niemsamen teilt mit, für redaktionelle | |
Beiträge seien Verlage und Redaktionen nicht bezahlt worden. | |
Gerne hätte man gehört, was die Mediengruppe dazu sagt. Doch die sieht sich | |
auch acht Wochen nach Eingang der Anfrage nicht in der Lage, die Fragen zu | |
beantworten. Die gewährte Frist reiche nicht aus. Man prüfe die Vorwürfe. | |
Auf den Vorschlag, eventuell bereits vorliegende Antworten auf einzelne | |
Fragen vorab zu senden, geht die Mediengruppe nicht ein. Dementis sehen | |
anders aus. | |
16 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Boris Kartheuser | |
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