# taz.de -- Kolumne Cannes Cannes: Mein Name auf den Pobacken Fremder | |
> Die Produktionsfirma zeigt „Welcome to New York“, Abel Ferraras vom | |
> Festival verschmähte Adaption des Falls Strauss-Kahn. Ein unbehaglicher | |
> Film. | |
Bild: Im Knast: Gérard Depardieu als Mr. Deveraux. | |
Bevor noch die Auswahl bekannt gegeben wurde, mutmaßte man, dass „Welcome | |
to New York“ von Abel Ferrara bestimmt dabei sei. Ein wichtiger, wenn auch | |
erratischer Regisseur, ein relevantes Thema – der Film handelt davon, wie | |
ein mächtiger Mann namens Devereaux in New York eine Hotelangestellte | |
sexuell belästigt, inhaftiert wird und sich vor Gericht verantworten muss, | |
dazu ein berühmter Schauspieler, Gérard Depardieu. Doch „Welcome to New | |
York“ fand sich nicht unter den ausgewählten Filmen. | |
Dann geschah etwas Überraschendes. Vincent Maraval von Wild Bunch, einer | |
Produktionsfirma, die in Cannes viel Einfluss genießt, kündigte an, den | |
Film am Rand des Festivals zu zeigen und ihn zeitgleich als Video on demand | |
zu lancieren. Wer möchte, kann sich „Welcome to New York“ nun etwa via | |
iTunes ansehen. Zu den Journalisten, die am Samstag Zugang zur einzigen | |
Vorführung erhielten, gehörte ich nicht, dafür schickte mir eine PR-Agentur | |
einen Streaming-Link. | |
Als Kopierschutzmaßnahme zeigt sich beim Abspielen in der Mitte des Bilds | |
eine Art Wasserzeichen mit meinem Namen – was den seltsamen Nebeneffekt | |
hatte, dass ich in den ersten Szenen, in denen Devereaux eine Sexparty mit | |
Prostituierten feiert, immer mal wieder meinen Namen auf verschiedenen | |
Pobacken lesen konnte. | |
Dominique Strauss-Kahn, nach dessen Vorbild die Figur des Devereaux | |
angelegt ist, hat angekündigt, Klage wegen Verleumdung einzulegen. Anne | |
Sinclair, die zum Zeitpunkt der New Yorker Ereignisse mit Strauss-Kahn | |
verheiratet war, hat auf huffingtonpost.fr einen kurzen Text unter dem | |
Titel „Dégout“ geschrieben, Abscheu. „Abscheu vor erbärmlichen und | |
grotesken Dialogen, Abscheu vor der Art und Weise, in der Herr Ferrara | |
Frauen darstellt, was wohl seine persönlichen Triebe illustriert.“ | |
Abscheu auch, weil in einer Szene Devereaux seiner Frau vorwirft, ihr Vater | |
habe während der Besatzung von Paris mit den Nazis Geschäfte gemacht. In | |
Wirklichkeit, schreibt Sinclair, habe ihr Vater für die Résistance | |
gekämpft. „Die Autoren und Produzenten des Films projizieren ihre Fantasien | |
über Geld und Juden.“ | |
Die Verdrehung der Familiengeschichte nimmt sich in der Tat befremdlich | |
aus. Man mag sie der Figurenrede zuschlagen, es ist schließlich Devereaux, | |
der spricht, nicht der Regisseur. Aber ein Unbehagen bleibt. Zugleich wird | |
man „Welcome to New York“ nicht gerecht, wenn man ihn einfach nur | |
abscheulich findet. Es ist wohl eher so, dass Ferrara gerade nach dem | |
sucht, was Abscheu auslöst. Statt es in seiner Mise en Scène zu | |
beschönigen, stellt er es aus, besonders in den Szenen, in denen Devereaux | |
übergriffig wird (Depardieus mächtiger Körper kommt hier sehr gelegen). | |
Zudem hat Ferrara ein gutes Gespür für Abläufe – wie Devereaux am Flughafen | |
festgenommen und abgeführt wird, wie er sich vor den Beamten ausziehen | |
muss, wie er schließlich in einer Zelle mit mehreren afroamerikanischen | |
Männern landet, das ist bemerkenswert akkurat inszeniert. „Welcome to New | |
York“ ist ein unbehaglicher Film, was seinem zutiefst unbehaglichen Sujet | |
entspricht. | |
21 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Cristina Nord | |
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