# taz.de -- Konsequenzen aus dem Fall Yagmur: Kita-Pflicht für gefährdete Kin… | |
> Senat kündigt Maßnahmen für den Kinderschutz an. Die Jugendämter erhalten | |
> 26 Stellen, um ihre Leitungen zu stärken. Herbe Kritik kommt von der | |
> Basis. | |
Bild: Der Kita-Besuch soll zur Pflicht werden - für Kinder deren Kindeswohl ge… | |
HAMBURG taz | Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hat jetzt eine Drucksache | |
vorgelegt, die Konsequenzen aus dem Tod der kleinen Yagmur zieht. Unter | |
anderem soll der Kita-Besuch für Kinder, deren Wohl gefährdet ist, zur | |
Pflicht werden. Zudem erhalten die 35 Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) 26 | |
zusätzliche Stellen, die allerdings an die Leitungen und die Bedienung der | |
Software Jus-IT gekoppelt sind. Zudem werden in 13 ASD-Dienststellen direkt | |
„zeitlich befristet zusätzliche Fachkräfte eingesetzt“, sofern diese Not | |
haben. | |
Damit reagiert der Senator zum ersten Mal auf die seit Dezember andauernde | |
Kritik an der Überlastung der Jugendämter. Der Zeitpunkt der | |
Veröffentlichung dieser Drucksache könnte mit der jüngsten Sitzung des | |
Untersuchungsausschusses Yagmur am Dienstag zu tun haben. Dort sprach | |
Matthias Stein, der Leiter des Jugendamts Eimsbüttel, offen aus, was seine | |
ASD-Kollegen bisher nur anonym zu Protokoll gaben: Die neue Software der | |
Jugendämter, Jus-IT, sei ein „Super GAU“. Bei der Übertragung der | |
Papierakten in die elektronische Variante ginge Wichtiges verloren. | |
„Derzeit arbeiten wir für Jus-IT. Dabei sollten wir unsere Zeit in den | |
Familien verbringen“, klagte er. | |
Der ASD sei „so nicht arbeitsfähig“. Er selbst habe als Mitarbeiter 78 bis | |
110 Fälle gehabt. Und die Lage verschlechtere sich weiter. „Wir brauchen | |
eine radikale Wende“, sagte Stein. Doch viele frühere Reaktionen der | |
Politik nach Todesfällen wie die Jugendhilfeinspektion oder die | |
Kinderschutzkoordinatoren seien wenig hilfreich. Das Personal wäre besser | |
in der Fallarbeit tätig. | |
„Das war ein Hilfeschrei“, bilanzierte der CDU-Politiker Christoph de | |
Vries. Der Senat müsse die Arbeitsbedingungen schnell und spürbar | |
verbessern. Die Grünen forderten erneut sofort 65 ASD-Stellen, für die es | |
auch eine Finanzierung gebe. | |
Soweit geht Scheele mit seinen 26 Stellen nun nicht, auch wenn noch ein | |
paar hinzu kommen sollen. Auch folgt er zunächst der Devise: mehr | |
Häuptlinge statt Indianer. Jeder der 35 ASDs soll eine stellvertretende | |
Leitung erhalten, die die Hälfte ihrer Zeit für die Einarbeitung neuer | |
Kollegen und die Begleitung von Kinderschutzfällen aufwenden kann. Macht: | |
17,5 Stellen. Dazu bekommt jede der 35 ASD-Abteilungen eine Viertel-Stelle | |
für die Unterstützung der Mitarbeiter bei Jus-IT. So läppert sich das Paket | |
auf 25,75 Stellen. | |
Das sei „ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn nicht bald eine | |
verbindliche Fallobergrenze eingeführt wird“, kritisiert die Grüne | |
Christiane Blömeke. „Scheele reagiert zu spät und zu wenig“, sagt Mehmet | |
Yildiz (Die Linke). Er hatte einen mit ASD-Mitarbeiter abgesprochenen | |
Antrag mit acht Forderungen gestellt, darunter eine Obergrenze von 28 | |
Fällen. Gar nicht einverstanden ist Yildiz mit der Kita-Pflicht. Dies sei | |
„Law-and-Order-Politik“ und stelle Familien „unter Generalverdacht“. | |
Yagmur hatte für einige Zeit eine Kita besucht, weil das Jugendamt drauf | |
bestanden hatte, war aber wenige Wochen vor ihrem Tod von ihren Eltern | |
abgemeldet worden. Schon damals hätte das Jugendamt mit Hilfe des | |
Familiengerichts den Kita-Besuch anordnen können. | |
Es sei richtig, dass es diese rechtliche Möglichkeit gebe, sagt Scheeles | |
Sprecher Marcel Schweitzer. Es sei aber nicht gemacht worden. „Der Fall | |
Yagmur hat uns vor Augen geführt, dass es dafür einer ausdrücklich | |
formulierten Regel bedarf.“ | |
5 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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