Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Yagmur-Prozess: Höchststrafe gefordert
> Staatsanwaltschaft hält Mutter des Mordes aus Grausamkeit für schuldig.
> Vater sei schuldig, weil er nichts tat. Verteidigung hält das nicht für
> bewiesen.
Bild: Letzter Prozesstag vor dem Urteil: Die Mutter schweigt, der Vater bedauer…
HAMBURG taz | Es war ein bedrückendes Plädoyer, welches Staatsanwältin
Corinna Ohnemus zum Ende des Prozesses gegen Yagmurs Eltern hielt. Die
Dreijährige habe in den letzten Wochen ihres Lebens „jede Sekunde damit
gerechnet, wieder von ihrer Mutter angegriffen zu werden“. Die 27-Jährige
habe ihr Kind immer wieder „geschlagen, getreten, gekniffen und fest
angepackt“. 83 Hautunterblutungen jüngeren Datums habe die Leiche gehabt.
Die Mutter Melek Y. wendet den Kopf ab, schaut nicht in den Saal. Sie wird
nichts sagen, wie an den bisherigen 27 Prozesstagen auch. Ihre Anwältin hat
zu Beginn der Sitzung versucht, mit einem Beweisantrag ihre Unschuld zu
untermauern. Hüseyin Y., der 26-jährige Vater, der ebenfalls auf der
Anklagebank sitzt, war offenbar am Freitag im Treppenhaus der U-Haft über
Melek Y. hergefallen. Dies zeige, dass der Mann ein hohes Gewaltpotenzial
habe und auch gegen seine Tochter gewalttätig war, sagt Anwältin Sultan
Maden-Celik. Er habe seine Frau mit der Faust geschlagen. Doch der Richter
lehnt den Antrag, dazu Wachleute zu hören, ab. Der Vorfall sei „für die
Entscheidung ohne Bedeutung“.
Die Staatsanwältin sieht darin sogar die mögliche Reaktion „eines Mannes,
der realisiert, dass seine Frau seine Tochter umgebracht hat“. Sie plädiert
auf Mord aus Grausamkeit. „Yagmur ist mehr angetan worden, als nötig wäre,
um sie umzubringen.“
Am Tag nach dem Auffinden von Yagmurs Leiche galt Hüseyin Y. als
Hauptverdächtiger. Doch die Wende brachte die Auswertung von „Whats
App“-Nachrichten des Paares. Der Mann drängte seine Frau, wegen ihrer
Aggressivität einen Therapeuten zu suchen. Darauf soll sie erwidert haben:
„Sag denen nicht, dass ich mein Kind schlage.“
Diesen Chatverlauf hatte die Angeklagte auf ihrem Handy schon auf dem Weg
ins Polizeipräsidium gelöscht. Die Angeklagte sei kühl und planvoll
vorgegangen, so die Staatsanwältin. Später erklärte die Mutter der Polizei,
ihr Mann habe die Mails manipuliert. Für die Staatsanwaltschaft ist das
„unrealistisch“. Es handele sich um 300 Nachrichten, die hätte Hüseyin Y.
im Sekundentakt in zwei Handys tippen müssen.
Doch auch Yagmurs Vater soll laut Anklage für sechs Jahre in Haft. Weil er
spätestens seit August 2013, als die kleine Familie in eine Wohnung zog,
gewusst haben müsse. Ein Onkel, eine Tante und Freunde hatten als Zeugen
vor Gericht berichtet, dass Hüseyin sich um seine Tochter sorgte, weil die
Mutter sie schlug. Es wäre einfach gewesen, seine Tochter zu schützen, er
hätte „nur seine Tasche packen“ müssen. Weil er nichts tat, sei das
Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen.
Eben dies und nicht Mord, sei ihrer Mandantin vorzuhalten, sagte die
Verteidigerin in ihrem Plädoyer und forderte eine milde Strafe. Eine
„aktive Täterschaft“ der Mutter sei nicht bewiesen. Sie habe aus Angst vor
dem Ehemann nichts unternommen.
Der Verteidiger des Vaters nannte die Mutter eine „notorische Lügnerin“.
Skrupellos habe sie die Schuld auf seinen Mandanten abgewälzt. Er verlangte
höchstens eine Bewährungsstrafe, sein Mandant sei durch Yagmurs Tod genug
gestraft. Hüseyin Y. ergrifft zum Ende das Wort. Er habe ja vorgehabt, mit
Yagmur zur Tante zu ziehen, es aber nicht getan. Die Kleine habe geweint.
„Sie sagte ’Mama auch‘.“
18 Nov 2014
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Hamburg
Yagmur
Prozess
Yagmur
Yagmur
taz.gazete
Kinderschutz
Yagmur
Yagmur
Jugendamt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach Schütteltrauma gestorben?: Taylers Tod wird aufgearbeitet
In Hamburg soll geklärt werden, wer für den Tod des einjährigen Tayler
verantwortlich ist. Der Junge starb an einem Schütteltrauma. Hat das
Jugendamt versagt?
Konsequenzen aus Fall Yagmur: „Eine ernsthafte Erkrankung“
Die Bindungsstörung der Mutter hätte erkannt werden müssen, sagt der
frühere Jugendhilfe-Chef Wolfgang Hammer. Er bezweifelt, dass die Frau in
Haft gehört.
Kommentar über das Yagmur-Urteil: Todesfall und Hysterie
Hamburg droht in Hysterie abzugleiten. Besser wäre es, die Gesellschaft
würde sich der Frage zuwenden, wie tödliche Gewalt gegen Kinder zu
verhindern ist.
Mühsame Aufklärung: Wer ist schuld am Tod von Yagmur?
Der Untersuchungsausschuss zum Tod des dreijährigen Mädchens endet mit
einem Eklat: Die Opposition wirft der SPD vor, sie wolle ihren
Sozialsenator schonen.
Senator sagt im Ausschuss aus: Mitarbeiter wollte nicht stören
Senator Scheele bestreitet, dass Personalnot zum Tod eines Kindes führte
und stützt sich dabei auf einen Inspektionsbericht.
Zweifelhafte Maßnahmen für den Kinderschutz: Kita-Pflicht auf wackligen Beinen
Rechtsgutachten stellt verpflichtenden Kita-Besuch für Kinder aus Familien
mit Erziehungshilfe infrage. Behörde schweigt dazu, das Gutachten sei
zurückgezogen
Ausstattung der Jugendämter: Senator hält Versprechen nicht
Ursprünglich für 2013 angekündigtes Personalbemessungssystem kommt nun erst
2015. Opposition wirft Senator Scheele Verschleppung vor. Behördensprecher
sagt, man brauche nun mal Zeit
Tod der dreijährigen Yagmur: Eltern schweigen vor Gericht
Sechs Monate nach dem Tod von Yagmur hat der Prozess gegen ihre Eltern
begonnen. Der Mutter wird Mord, dem Vater Körperverletzung vorgeworfen.
Konsequenzen aus dem Fall Yagmur: Kita-Pflicht für gefährdete Kinder
Senat kündigt Maßnahmen für den Kinderschutz an. Die Jugendämter erhalten
26 Stellen, um ihre Leitungen zu stärken. Herbe Kritik kommt von der Basis.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.