# taz.de -- Nach Schütteltrauma gestorben?: Taylers Tod wird aufgearbeitet | |
> In Hamburg soll geklärt werden, wer für den Tod des einjährigen Tayler | |
> verantwortlich ist. Der Junge starb an einem Schütteltrauma. Hat das | |
> Jugendamt versagt? | |
Bild: Wegen des Todes von Tayler unter Druck: Sozialsenatorin Melanie Leonhard … | |
HAMBURG taz | Zur Zeit weiß noch kein Außenstehender, was am 12. Dezember | |
in der elterlichen Wohnung des kleinen Tayler geschah, bevor der mit einem | |
Rettungswagen in die Uniklinik kam. Dort starb er eine Woche später an | |
seinen schweren Hirnverletzungen. Die Rechtsmedizin ist mit ihren | |
Untersuchungen noch nicht fertig, geht aber von einem Schütteltrauma aus. | |
Das entsteht, [1][wenn der Kopf eines Babys durch das Schütteln des Körpers | |
hin und her geschleudert wird]. Mit etwa 100 Fällen im Jahr ist dies die | |
häufigste Todesursache bei Säuglingen in Deutschland, oft in Folge einer | |
Überforderung eines Elternteils. | |
Die Staatsanwaltschaft ermittelt im Fall Tayler wegen Kindesmisshandlung. | |
Laut Medienberichten belasteten sich die 22-jährige Mutter und ihr | |
26-jähriger Freund gegenseitig. | |
Am Mittwoch hielt der Familienausschuss der Hamburger Bürgerschaft eine | |
Schweigeminute ab. Es sei unerträglich, dass schon wieder ein Kind starb, | |
das unter Aufsicht des Jugendamtes stand, sagte der CDU-Politiker Dennis | |
Gladiator. Die Parallelen zu der erst 2013 getöteten Yagmur seien | |
„erschreckend“. Die Dreijährige war ihren Eltern vom Jugendamt | |
zurückgegeben worden, obwohl sie zuvor schon einmal lebensgefährlich | |
verletzt wurde und die Ermittlungen noch liefen. | |
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss Yagmur hatte [2][32 | |
Empfehlungen verfasst]. Unter anderem dürften Kinder, die aus Familien | |
genommen werden, so lange nicht zurück in die Familien, „bis eine Prüfung | |
ergeben hat, dass im Haushalt der Eltern derzeit und absehbar keine Gefahr | |
für das Kindeswohl besteht“. | |
Der kleine Tayler war im August im Alter von neun Monaten mit einem | |
Schlüsselbeinbruch ins Krankenhaus gekommen. Seine Mutter erklärte, die | |
Verletzung sei passiert, als sie ihn beim Trampolinspringen auf dem Arm | |
hielt. Das „Kinderkompetenzzentrum“ des Instituts für Rechtsmedizin an der | |
Uni-Klinik Eppendorf prüfte den Verdacht einer Misshandlung. Doch es kam | |
offenbar zu keinem klaren Ergebnis. Das Jugendamt Altona gab den Jungen | |
sicherheitshalber in eine Bereitschaftspflege, mit dem Einverständnis der | |
Mutter. | |
Doch im Oktober bekam sie Tayler zurück, unter Aufsicht einer | |
Familienhelferin des Rauhen Hauses, die half, die Wohnung kindersicher zu | |
machen. Diese sah Tayler zuletzt am 11. Dezember und dokumentierte, dass er | |
blaue Flecken hatte. Sie führte dies auf Stürze bei Gehversuchen zurück – | |
und informierte nicht das Jugendamt. Die Rückführung und die Nicht-Meldung | |
der blauen Flecken gelten rückblickend als schwere Fehler. | |
Im Visier der Opposition steht nun Hamburgs neue Sozialsenatorin Melanie | |
Leonhard (SPD), die erst seit Oktober im Amt ist. Allerdings gewinnt | |
Leonhard etwas Zeit. Seit Yagmurs Tod ist es üblich, dass die unabhängige | |
„Jugendhilfeinspektion“ den Fall untersucht. Das dauert ein paar Wochen. | |
Die Senatorin fand im Ausschuss einen sensiblen Ton. Sie empfinde tiefe | |
Betroffenheit und wolle allen ihr Beileid aussprechen, denen Tayler etwas | |
bedeutet habe. Das schließt die Eltern ebenso mit ein wie beteiligte | |
Sozialarbeiter. | |
Der Ausschuss tagte nach kurzem Vorgeplänkel nicht öffentlich. Nach | |
taz-Information kristalisiert sich ein weiterer Widerspruch heraus. Laut | |
dem Träger Rauhes Haus war Tayler kein Kinderschutzfall (KWG), deshalb habe | |
keine enge Meldepflicht für Auffälligkeiten wie die Sturzflecken bestanden. | |
Im Computersystem des Jugendamts soll der Junge aber doch als KWG geführt | |
worden sein. | |
Der CDU-Politiker Philipp Heißner erklärte nach der Sitzung, es gebe „klare | |
Hinweise“ auf behördliches Fehlverhalten. So sei unbegreiflich, warum das | |
Jugendamt Altona der Mutter ihr Kind zurückgab. Es gebe „gravierende | |
Indizien“ dafür, dass wichtige Forderungen des Untersuchungsausschusses | |
Yagmur missachtet wurden und dies „den Tod des Kindes begünstigt“ habe. | |
Eine Richtlinie, die Rückführungen bei ungeklärten Verletzungen untersagt, | |
gibt es in der Tat nicht. Es kommt häufiger vor, dass die Rechtsmedizin zu | |
keinem eindeutigen Ergebnis kommt. „Bei unklaren Diagnosen muss man den | |
Fachkräften vor Ort einen Beurteilungsspielraum lassen, welcher Lebensort | |
die besten Chancen für ein Kind birgt“, sagt der frühere | |
Jugendhilfe-Abteilungsleiter Wolfgang Hammer. Trennungen bedeuteten für ein | |
kleines Kind auch „erheblichen seelischen Stress“. | |
7 Jan 2016 | |
## LINKS | |
[1] /Lebensgefahr-fuers-Baby/!5264482/ | |
[2] /Yagmur-Untersuchungsausschuss/!5025572/ | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Yagmur | |
Kindesmisshandlung | |
Kinderschutz | |
Kindstod | |
Kindesmisshandlung | |
Kindesmisshandlung | |
Kindesmisshandlung | |
Misshandlung | |
Kindeswohlgefährdung | |
Kindeswohl | |
Yagmur | |
taz.gazete | |
Mord | |
Hamburg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Prozess zum Tod eines Säuglings: Arzttermin war zu spät | |
In Hamburg steht ein Elternpaar vor Gericht, weil sie ihren unterernährten | |
Sohn nicht zum Arzt brachten. Der kleine Junge starb mit zwei Monaten. | |
Hamburger Kindeswohl: Keiner will‘s gewesen sein | |
Die Sozialbehörde soll erst nach dem Jugendhilfe-Bericht zum Tod des | |
kleinen Tayler die Regeln für verbindlich erklärt haben. | |
Aufstand der Sozialarbeiter: Ruf beschädigt | |
Nach dem Bericht der Jugendhilfe-Inspektion zum Todesfall Tayler sehen sich | |
die Beschäftigten der Jugendämter von der Sozialsenatorin verraten. | |
Tod durch Schütteln: Das Kind ist aus dem Blick geraten | |
Das Jugendamt habe den kleinen Tayler zu früh der Mutter zurückgegeben, so | |
die Jugendhilfe-Inspektion. Kratzer und blaue Flecken wurden nicht | |
gemeldet. | |
Debatte über totes Baby in Hamburg: Verfrühter Vorwurf | |
Das verstorbene Baby Tayler war schon einmal in Jugendamt-Obhut. Doch haben | |
die Behörden wirklich versagt, wie die Bild-Zeitung behauptet? | |
Neue Kindesmisshandlung in Hamburg: Baby Tayler ist tot | |
In Hamburg starb wieder ein Kind, das unter Beobachtung des Jugendamtes | |
stand: Verdacht auf Schütteltrauma. Sozialsenatorin verspricht Aufklärung. | |
Kindesmisshandlung in Hamburg-Altona: Baby liegt im Sterben | |
In Hamburg schwebt ein Kleinkind in Lebensgefahr, auf das die Behörden | |
schon aufmerksam geworden waren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. | |
Gefährdetes Kindeswohl: Häufiger Verdacht | |
Die Verdachtsmeldungen von Kindesmisshandlung ist stark gestiegen. Laut | |
Sozialbehörde ein Medienphänomen. | |
Yagmur-Untersuchungsausschuss: Das Ende einer Aufarbeitung | |
Der Hamburger Ausschuss zum Tod des Mädchens Yagmur endet mit | |
Rücktrittsforderungen der Opposition. Die Linken kritisieren dessen Arbeit | |
als "Parallelgericht". | |
Kommentar über das Yagmur-Urteil: Todesfall und Hysterie | |
Hamburg droht in Hysterie abzugleiten. Besser wäre es, die Gesellschaft | |
würde sich der Frage zuwenden, wie tödliche Gewalt gegen Kinder zu | |
verhindern ist. | |
Urteil im Fall Yagmur: Wut und Hass aufs Kind | |
Das Landgericht Hamburg verurteilt die Mutter des zu Tode geprügelten | |
Mädchens Yagmur wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe. | |
Yagmur-Prozess: Höchststrafe gefordert | |
Staatsanwaltschaft hält Mutter des Mordes aus Grausamkeit für schuldig. | |
Vater sei schuldig, weil er nichts tat. Verteidigung hält das nicht für | |
bewiesen. |