# taz.de -- Hamburger Kindeswohl: Keiner will‘s gewesen sein | |
> Die Sozialbehörde soll erst nach dem Jugendhilfe-Bericht zum Tod des | |
> kleinen Tayler die Regeln für verbindlich erklärt haben. | |
Bild: Jonglieren mit der Schuld: Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD, l.) und… | |
HAMBURG taz | Sie hätten sich nicht an Regeln gehalten, lautete ein Befund | |
des Berichts der Jugendhilfeinspektion zum Tod des kleinen Tayler, und | |
gemeint waren damit die Mitarbeiter des zuständigen Jugendamts. Die sind | |
damit ganz und gar nicht einverstanden: „Wir verwahren uns gegen die | |
Darstellung in der Öffentlichkeit“, heißt es in einer Erklärung von | |
Mitarbeitern des Altonaer Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), wonach dort | |
„generell eine Kultur herrsche, die es erlaube, dass Mitarbeiter Regeln | |
missachten“. | |
Tayler, im Dezember 2015 in Folge eines Schütteltraumas gestorben, war im | |
August schon einmal durch Verletzungen aufgefallen. Daraufhin nahm ihn das | |
Jugendamt in Obhut und gab ihn in eine Bereitschaftspflege. Gut sechs | |
Wochen danach kam er zu seiner Mutter zurück, obwohl die Ursache der | |
damaligen Verletzungen nicht geklärt war – eben da setzt inzwischen die | |
Kritik an. „Dies erfolgte ohne erneute Risikoeinschätzung und ohne erneute | |
Kollegiale Beratung“, so hatte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) es | |
bei Vorstellung des Inspektionsberichts zu dem Todesfall erklärt. Die | |
damalige Entscheidung sei „nicht unter Beachtung der dafür geltenden Regeln | |
zustande“ gekommen. Im Bericht selbst heißt es, eine wiederholte | |
Risikobewertung hätte möglicherweise „andere Bedingungen für die Sicherheit | |
des Kleinkindes geboten“. | |
„Wir stellen klar“, erklären nun die ASD-Beschäftigten: „Die Rückführ… | |
des Kindes stand nicht im Widerspruch zu dem bis dato geltenden Regelwerk.“ | |
Und dieses habe das Bezirksamt Altona erst nach Leonhards Pressekonferenz, | |
am 26. Februar nämlich, zur Verfügung gestellt bekommen. | |
„Die Regeln, die uns bekannt sind, beachten wir natürlich“, sagt ein | |
ASD-Mitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung sehen möchte. | |
„Jedoch sei etwa eine „Kollektive Beratung“ zu Tayler nicht Pflicht | |
gewesen. Auch das Ausfüllen eines „Prüfbogens“, den die ASD-Leitung | |
unterschreiben muss, sei damals „noch nicht verpflichtend gewesen“. | |
Da gibt es verschiedene Auffassungen zwischen der Fachbehörde und dem | |
Bezirk Altona. Auf die Frage, ob nach dem 26. Februar neue | |
Handlungsanweisungen zum Kinderschutz ergangen seien, sagt der Altonaer | |
Bezirksamtssprecher Martin Röhl: „Davon weiß ich nichts.“ | |
Laut Marcel Schweitzer, Sprecher der Sozialbehörde, gibt es besagte | |
Arbeitsrichtlinien dagegen schon lange. Sie seien aber Ende Februar | |
aktualisiert worden – etwa zur Frage „Rückkehr in den elterlichen Haushalt | |
im Kontext einer Inobhutnahme“. Dort steht nun in der Tat, diese | |
Entscheidung müsse „im Zusammenwirken mit mehreren Fachkräften“ erfolgen. | |
Weil Tayler damals schon in eine Pflegefamilie gegeben worden war, hätte | |
Schweitzer zufolge einer der erwähnten „Rückführungsbögen“ ausgefüllt … | |
von der ASD-Leitung abgezeichnet werden müssen. | |
In Fachkreisen werden derweil Zweifel daran geäußert, dass über Taylers | |
Rückführung anders zu entscheiden gewesen wäre, hätten andere Regeln | |
gegolten: Lasse sich ein Verdacht auf Misshandlung nicht belegen und | |
akzeptiere die Mutter zudem eine Familienhilfe, könne man ihr das Kind | |
nicht beliebig lange vorenthalten. | |
10 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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Yagmur | |
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