# taz.de -- Debatte über totes Baby in Hamburg: Verfrühter Vorwurf | |
> Das verstorbene Baby Tayler war schon einmal in Jugendamt-Obhut. Doch | |
> haben die Behörden wirklich versagt, wie die Bild-Zeitung behauptet? | |
Bild: Weiterhin ungeklärt: Veranwortung für den Tod des Babys Tayler. | |
Hamburg taz | Wenn am Dienstag der Familienausschuss zu einer Sondersitzung | |
wegen des kurz vor Weihnachten gestorbenen Babys Tayler tagt, wird | |
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) nicht viel Neues zu berichten haben. | |
Denn der Bericht der Jugendhilfeinspektion wird nicht fertig sein. Auch die | |
endgültigen Obduktionsergebnisse stehen noch aus. Bisher ergab sie, dass | |
der zwölf Monate alte Junge an Hirnschäden in Folge eines Schütteltraumas | |
starb. | |
Für die Bild steht fest, dass wie bei der 2013 gestorbenen Yagmur wieder | |
die Behörden versagt haben. Denn wie einst Yagmur kam auch Tayler in seine | |
Familie zurück, obwohl er schon einmal verletzt war. Mit neun Monaten war | |
er mit einem Schlüsselbeinbruch im Krankenhaus. Seine Mutter erklärte die | |
Verletzungen mit einem Spielplatzunfall auf dem Trampolin. | |
Wie die taz berichtete, wurde das Kleinkind wegen Misshandlungsverdacht im | |
Kinderkompetenzzentrum des Instituts für Rechtsmedizin des Uniklinikums | |
Eppendorf (UKE) untersucht. Dieses informierte das Jugendamt Altona, das | |
Tayler vorübergehend in Obhut nahm und in eine Pflegestelle gab. Das | |
passierte mit Einverständnis der Mutter, deshalb war dies kein Fall fürs | |
Familiengericht. Auch Polizei und Staatsanwaltschaft wurden zu diesem | |
Zeitpunkt nicht eingeschaltet. | |
„Wir haben das Kind rechtsmedizinisch untersucht und entschieden, die | |
Polizei nicht einzuschalten“, zitierte die Bild den Institutsdirektor Klaus | |
Püschel. Inzwischen äußert sich das UKE nicht mehr zu dem Fall und verweist | |
auf die Staatsanwaltschaft. | |
So ist also offen, warum die Rechtsmedizin so entschied. Ganz ungewöhnlich | |
ist es nicht. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass das Institut häufig zu | |
keiner klaren Diagnose kommt. Doch das Jugendamt muss entscheiden, was aus | |
dem kleinen Kind wird. Laut Bild gibt es eine Anweisung, die besagt: „Bevor | |
ein Kind zurück in seine Familie geschickt werden darf, muss der Ursprung | |
der Verletzungen zweifelsfrei aufgeklärt werden.“ | |
Doch nach Auskunft der Sozialbehörde findet sich dieser Wortlaut in keinem | |
Regelungstext. Er würde auch faktisch zu einer Rückführungssperre für | |
ungeklärte Fälle führen, 2014 immerhin 138 Kinder. „Bei unklaren Diagnosen | |
muss man den Fachkräften vor Ort einen Beurteilungsspielraum lassen, | |
welcher Lebensort die besten Chancen für ein Kind birgt“, sagt der frühere | |
Jugendhilfe-Abteilungsleiter Wolfgang Hammer. „Trennungen bedeuten für ein | |
kleines Kind erheblichen seelischen Stress.“ | |
Gleichwohl muss das Jugendamt anhand eines „Prüfbogens“ sicherstellen, dass | |
eine Rückführung möglich ist. Kriterien sind, dass die | |
Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie sich verbessert haben und die | |
Gefährdung abgewendet ist. Außerdem muss eine hinreichende Bindung zu den | |
Eltern bestehen und diese Hilfe annehmen. Tayler und seine Mutter wurden | |
seit August von Sozialarbeitern des Rauhen Hauses betreut. Die Mutter habe | |
die Hilfe gut angenommen, man habe zum Beispiel gemeinsam vor Taylers | |
Rückkehr die Wohnung kindersicher eingerichtet, berichtet Sprecher Uwe Mann | |
van Velzen. „Es gab keine Anzeichen von Gewalt.“ | |
Die Mitarbeiterin des kirchlichen Trägers war am Tag, bevor Tayler die | |
tödlichen Verletzungen erlitt, in der Familie und dokumentierte blaue | |
Flecke. Sie bleibt bei der Einschätzung, dass es sich um Sturzverletzungen | |
bei Gehversuchen handelte. Sie hat den Jungen, der einen großen Kopf hatte | |
und deswegen motorisch unsicher war und zeitweise einen Helm trug, auch | |
unbekleidet gesehen. | |
Sie wird nun, genau wie die Mitarbeiter des Jugendamts, von der | |
vierköpfigen Jugendhilfeinspektion vernommen. „Wir werden voll kooperieren. | |
Wir wollen das ja auch aufklären“, sagt Mann van Velzen. | |
Der Ende Januar erwartete Bericht wird, wie bei Yagmur, vermutlich falsche | |
„Weichenstellungen“ aufzeigen, was in der Rückschau auf Ereignisse leicht | |
möglich ist. Wäre Tayler als akuter Kinderschutzfall eingestuft gewesen, | |
hätte das Rauhe Haus laut Mann van Velzen die Flecke melden müssen. | |
Ver.di-Sekretäerin Sieglinde Friess kritisiert, dass die | |
Jugendhilfeinspektion nur den Auftrag habe, „den Fehler bei den Einzelnen | |
zu suchen“. Bei den Jugendämtern gebe es eine sehr hohe Fluktuation. Alte | |
Kollegen gingen in Rente. „Und junge Kollegen gehen gleich wieder, weil | |
diese Arbeit eine zu hohe Verantwortung bedeutet, wenn sie von der Politik | |
allein gelassen werden.“ | |
1 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Kindesmisshandlung | |
Jugendamt | |
Kindstod | |
Kindstod | |
Kindesmisshandlung | |
Yagmur | |
Misshandlung | |
Kindeswohlgefährdung | |
Jugendamt | |
Baby | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Prozess zum Tod eines Säuglings: Arzttermin war zu spät | |
In Hamburg steht ein Elternpaar vor Gericht, weil sie ihren unterernährten | |
Sohn nicht zum Arzt brachten. Der kleine Junge starb mit zwei Monaten. | |
Aufstand der Sozialarbeiter: Ruf beschädigt | |
Nach dem Bericht der Jugendhilfe-Inspektion zum Todesfall Tayler sehen sich | |
die Beschäftigten der Jugendämter von der Sozialsenatorin verraten. | |
Nach Schütteltrauma gestorben?: Taylers Tod wird aufgearbeitet | |
In Hamburg soll geklärt werden, wer für den Tod des einjährigen Tayler | |
verantwortlich ist. Der Junge starb an einem Schütteltrauma. Hat das | |
Jugendamt versagt? | |
Neue Kindesmisshandlung in Hamburg: Baby Tayler ist tot | |
In Hamburg starb wieder ein Kind, das unter Beobachtung des Jugendamtes | |
stand: Verdacht auf Schütteltrauma. Sozialsenatorin verspricht Aufklärung. | |
Kindesmisshandlung in Hamburg-Altona: Baby liegt im Sterben | |
In Hamburg schwebt ein Kleinkind in Lebensgefahr, auf das die Behörden | |
schon aufmerksam geworden waren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. | |
Probleme mit dem Jugendamt: Hamburg richtet Ombudsstelle ein | |
Als erster Bezirk hat Mitte nun eine Ombudsstelle für Bürger eingerichtet, | |
die Probleme mit dem Jugendamt haben. Kritiker bezweifeln Unabhängigkeit. | |
Verdacht auf Kindesmisshandlung: Baby schwer verletzt | |
Der zwei Monate alte Jamie liegt mit Hirnödem in einer Klinik. Haftbefehl | |
gegen Vater wegen versuchten Totschlags. Das Jugendamt hatte die Familie | |
betreut. |