# taz.de -- Der Fall Yagmur: „Wir wollen alles erfahren“ | |
> CDU, Grüne und FDP setzen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum | |
> Tod des Kindes durch. Linke und SPD fänden Enquete-Kommission sinnvoller. | |
Bild: Seltene Einigkeit von links nach rechts: Christiane Blömeke (Grüne), Ch… | |
CDU, Grüne und FDP überraschten am Montag mit der Nachricht, dass sie einen | |
parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zum Tod von Yagmur einsetzen | |
wollen. Noch in den Frühjahrsferien soll dessen Arbeit beginnen und bis zum | |
Ende der Legislatur fertig sein. Ein PUA sei das „schärfste Schwert“ des | |
Parlaments, sagte der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries. Man dürfe die | |
Aufarbeitung des Falles nicht allein der Exekutive überlassen. | |
## „Kette von Fehlern“ | |
Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hatte vergangene Woche den Bericht | |
seiner Jugendhilfe-Inspektion zum Fall vorlegt und von „einer Kette von | |
Fehlern“ gesprochen. Er schloss dabei aber aus, dass Mitarbeiter in den | |
Jugendämtern den Hut nehmen müssen. Zudem berichtete das Abendblatt, dass | |
die Bezirksamtsleiter in Mitte und Eimsbüttel, Andy Grothe und Torsten | |
Seveke (beide SPD), mit einer ersten Version des Berichts nicht | |
einverstanden gewesen wären. Das mache misstrauisch, so de Vries. „Man hat | |
den Eindruck, durch den Bericht nur ein Viertel der Wahrheit zu erfahren“, | |
fand jetzt auch Finn-Ole Ritter (FDP). | |
„Senator Scheele gibt sich als Chefaufklärer und ist dabei wenig | |
überzeugend“, ergänzte die Grünen-Abgeordnete Christiane Blömeke. Dabei | |
spiele er seine eigene Verantwortung herunter, beispielsweise für die | |
Personalausstattung der Jugendämter. Eine Anfrage der Grünen hatte kürzlich | |
zu Tage gebracht, dass ein Jugendamtsmitarbeiter im Durchschnitt 90 Fälle | |
zu bearbeiten hat. Der Inspektionsbericht aus dem Haus Scheele verneint | |
aber einen Zusammenhang mit der Personalüberlastung – weil es in den Akten | |
keine Meldungen dafür gab. | |
Das Versagen betreffe „alle staatlichen Stellen“, finden die in dieser | |
Frage zur Jamaika-Koalition zusammengeschlossenen Fraktionen. Nicht nur | |
Scheele, auch Justizsenatorin Jana Schiedek, der für die Polizei | |
verantwortliche Innensenator Michael Neumann (beide SPD) sowie die beiden | |
Bezirksamtsleiter hätten sich zu verantworten. Ein PUA kann diese Politiker | |
als Zeugen laden und auch das Handeln von Staatsanwaltschaft und | |
Familiengericht aufklären. | |
## Enttäuschte Linke | |
Sehr enttäuscht reagierte Mehmet Yildiz (Die Linke), der parallel seit | |
Weihnachten mit den Grünen und der FDP über die Einsetzung einer | |
Enquete-Kommission verhandelt hatte. Er wurde in die Pläne der Grünen, | |
einen PUA einzusetzen, nicht eingeweiht und sprach nun sogar von | |
„Opportunismus“. In einer Enquete-Kommission würden nicht nur | |
Parlamentarier, sondern unabhängige Experten das Jugendhilfesystem | |
durchleuchten. Dort kämen auch jene Veränderungen, die unter dem CDU-Senat | |
und später der schwarz-grünen Regierung nach früheren Todesfällen zum | |
Kinderschutz eingeführt wurden, auf den Prüfstand. Diese seien größtenteils | |
kontraproduktiv, sagt beispielsweise der Sozialpädagogik-Professor Manfred | |
Neuffer, der wohl als Experte dabei gewesen wäre. | |
„Wir wollen eine Fokussierung auf den Fall Yagmur“, sagte de Vries. Blömeke | |
erklärte, auch ein PUA könnte Experten einladen und verwies auf gute | |
Erfahrungen, die man in Bremen nach dem Fall Kevin gemacht habe: Dort sei | |
mit Hilfe des PUA der Kinderschutz verbessert worden, so Blömeke: „In | |
Bremen ist seit 2006 kein Kind mehr zu Schaden gekommen.“ | |
Neben der Linken hatte auch die SPD-Fraktion Sympathie für einer | |
Enquete-Kommission. Es sei das gute Recht der Opposition, einen PUA | |
einzusetzen, sagte die SPD-Abgeordnete Melanie Leonhard. Es sei aber | |
bemerkenswert, dass die drei Fraktionen dies täten, bevor sie einen Blick | |
in die Akten zum Fall Yagmur geworfen haben, die nun dem Parlament | |
vorliegen. Und eine Enquete-Kommission biete bessere Möglichkeiten zur | |
Einbindung externer Fachleute zur Weiterentwicklung des Kinderschutzes. | |
3 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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