| # taz.de -- SPD denkt über Enquetekommission zur Jugendhilfe nach: Der Fall Ya… | |
| > Eimsbüttels SPD-Bezirkschef kündigt „Aufklärung ohne falsche | |
| > Rücksichtnahme“ an. Seine Jugendamtsmitarbeiter sehen sich zu Unrecht an | |
| > den Pranger gestellt. | |
| Bild: Verspricht "Aufklärung ohne falsche Rücksichtnahme": Eimsbüttels Bezir… | |
| HAMBURG taz | Der Tod der kleinen Yagmur könnte eine grundsätzliche | |
| Überprüfung der Jugendhilfe zur Folge haben. So wird die von der Fraktion | |
| Die Linke ins Spiel gebrachte Idee einer Enquetekommission auch bei der SPD | |
| diskutiert. „Wir sind gesprächsbereit, was dieses Thema betrifft“, sagt | |
| SPD-Jugendpolitikern Melanie Leonhard. Man müsse aber noch über die | |
| Fragestellungen reden. | |
| Ein Bericht darüber, welcher Mitarbeiter der Allgemeinen Sozialen Dienste | |
| (ASD) wann welchen Schritt tat, liegt den Abgeordneten in einer | |
| anonymisierten Form seit Donnerstag vor. Die von Sozialsenator Detlef | |
| Scheele (SPD) eingesetzte Jugendhilfeinspektion kommt zu dem Schluss, dass | |
| die bestehenden Fachanweisungen an keiner Stelle verändert werden müssen, | |
| um solche Fälle künftig zu verhindern. „Vielmehr geht es darum, konsequent | |
| die Vorschriften des Regelwerks auf allen Ebenen einzuhalten“, heißt es in | |
| dem größtenteils geschwärzt veröffentlichten Dokument. | |
| Die Inspektoren halten den Mitarbeitern im Bezirk Mitte vor, nicht | |
| sorgfältig dokumentiert zu haben. Die Mitarbeiter in dem zuvor zuständigen | |
| Bezirk Eimsbüttel haben dies zwar getan, aber rückblickend Fehler gemacht. | |
| So hätte nach Auffassung der Prüfer ein Anruf bei der Rechtsmedizin klären | |
| können, dass eine durch stumpfe Gewalt verursachte Verletzung der | |
| Bauchspeicheldrüse des Kindes nur ein bis zwei Tage alt war und deshalb die | |
| Tat den Eltern zuzuordnen wäre. Als falsch gilt auch die Entscheidung einer | |
| Teamrunde des ASD Eimsbüttel vom 7. Mai, die Rückführung des im Schutzhaus | |
| lebenden Kindes zu den Eltern zu betreiben, nachdem die frühere | |
| Pflegemutter sich selbst bezichtigt hatte, sie habe die Kleine geschüttelt. | |
| Eimsbüttels Bezirkschef Torsten Sevecke (SPD) kündigte am Freitag | |
| „Aufklärung ohne falsche Rücksichtnahme“ an, und setzte seinerseits im | |
| Bezirk eine Taskforce ein, um zu klären, welche Schlüsse daraus zu ziehen | |
| sind. | |
| Eimsbüttler Jugendamtsmitarbeiter sehen sich zu Unrecht an den Pranger | |
| gestellt. „Das Leben ist voller Unsicherheiten. Genau wie die Polizei einen | |
| Mord nicht verhindern kann, können wir nicht verhindern, dass ein Kind | |
| stirbt“, sagt eine ASD-Mitarbeiterin, die anonym bleiben will. Die mit den | |
| Fall befasste Kollegin habe die Anweisungen der Behörde eingehalten und | |
| sich fachlich nichts vorzuwerfen. Man treffe derartige Entscheidungen immer | |
| in Absprache mit der Leitung und im Team. „Die können auch falsch sein. | |
| Dieses Pech kann jedem von uns passieren.“ Doch Politik und Medien | |
| betrieben eine öffentliche Kampagne gegen den ASD, die dazu führe, dass | |
| keiner mehr dort arbeiten will. „So kann man den Kinderschutz vergessen.“ | |
| In der Tat ist die hohe Personalfluktuation ein Problem. Beim ASD | |
| Billstedt/Mümmelmannsberg, der zuletzt für Yagmur zuständig war, waren mehr | |
| als die Hälfte der Sozialarbeiter neu im Job. Da zudem drei Mitarbeiter | |
| erkrankten, lastete die Bearbeitung der Kinderschutzfälle „auf den | |
| Schultern von weniger als der Hälfte des Personals“, so der Bericht. Die | |
| Inspektoren argumentieren hier etwas formalistisch. Da die Leitung des ASD | |
| Billstedt keine „Überlastungsanzeige“ stellte, stelle sich „kein direkter | |
| Zusammenhang zwischen der Fallbearbeitung des Falles des Kindes Yagmur und | |
| der Personalsituation der Abteilung“. | |
| „Die Personalsituation ist schlecht. Und sie wird nach dieser Hexenjagd | |
| noch schlechter“, hält die Eimsbüttler ASD-Mitarbeiterin dagegen. „Wir | |
| sitzen derzeit 70 Prozent der Arbeitszeit am Schreibtisch, statt | |
| rauszugehen und mit den Familien zu reden.“ Schuld daran wären die hohen | |
| Dokumentationspflichten der neuen Software JUS-IT, die Kreuzchenmachen nach | |
| Multiple-Choice-Verfahren einfordere. „Dabei bringt es viel mehr, einen | |
| Hausbesuch zu machen und darüber eine Seite Fließtext zu schreiben“, so die | |
| Mitarbeiterin. | |
| Die in Hamburg eingeführte Diagnostik führe zu einem „Kästchendenken“ und | |
| verhindere das Fallverstehen, kritisierte jüngst der | |
| Sozialpädagogik-Professor Manfred Neuffer. Er fordert gar die Abschaffung | |
| der Jugendhilfeinspektion, da diese mit internen Mitarbeitern der Behörde | |
| besetzt ist und „keine unabhängige Beurteilung“ gewährleiste. | |
| Man brauche jetzt keine Untersuchung der individuellen Schuld Einzelner, | |
| sagt auch der Jugendpolitiker Mehmet Yildiz (Die Linke). „Das ganze | |
| Jugendhilfesystem gehört auf den Prüfstand.“ Der Fall zeige, dass es zu | |
| viele Schnittstellen und Zuständigkeiten gebe. Seine Fraktion hatte bereits | |
| Ende Dezember eine Enquetekommission mit unabhängigen Experten gefordert. | |
| 2 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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