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# taz.de -- Wissenschaftler über die Kinderschutzdebatte: "Moralische Panik“
> Statt Strukturfragen zu stellen, wird im Fall der tot geschlagenen Yagmur
> über individuelles Versagen debattiert, kritisiert Fabian Kessl.
Bild: Anteilnahme mit Hindenburglicht und Bärchen: Trauerbekundungen für Yagm…
taz: Herr Kessl, warum sprechen Sie von einer „verschärften
Kinderschutzdebatte“?
Fabian Kessl: Wir haben es bei der aktuellen Diskussion mit einer
moralischen Panik zu tun. Diese Figur wurde in England in den 1960ern
entwickelt, als es empörte Berichte über Jugendkriminalität gab. Die
Empörung nahm damals eine Dynamik auf, die fast nichts mehr mit dem
Phänomen selbst zu tun hatte. Aktuell erleben wir mit dem Buch „Deutschland
misshandelt seine Kinder“ eine ähnliche Panikmache, die eine fachliche
Debatte eher schwierig macht.
Laut diesem Buch wurden im Jahr 160 Kinder in Deutschland getötet. Dabei
gehen die Zahlen zurück.
Die Zahlen gehen seit einigen Jahren zurück. Und das auch nicht erst seit
2005, als Kinderschutz mit einem eigenen Paragrafen im Jugendhilfegesetz
verstärkt wurde. Außerdem scheinen die Zusammenhänge keineswegs so simpel.
Wir haben seit 10, 15 Jahren eine gestiegene Kinder- und Familienarmut. Es
steigen aber auch die staatlichen Eingriffe wie Inobhutnahmen oder
Sorgerechtsentzug.
Die Eingriffe haben geholfen?
Die Zahl der toten Kinder ging schon vor 2005 zurück. Warum, das wissen wir
nicht.
Warum gibt es diese Panik?
Es spielt sicher eine Rolle, dass es mehr Aufklärung über Gewalt und
sexualisierte Gewalt in Heimen und anderen pädagogischen Kontexten gab. Das
hat sensibilisiert. Aber der stärkere Grund ist eine gesellschaftliche
Tendenz: Man will nicht mehr Strukturfragen stellen und redet statt dessen
über individuelles Versagen – in diesem Fall der Eltern. Hier ist dann der
Ansatzpunkt für Moralisierung und Skandalisierung.
Und über was sollte man reden?
Die Todesfälle in Hamburg ereigneten sich in armen Quartieren. Über die
dortigen Bedingungen sollten wir sprechen, und politisch reagieren.
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21 Feb 2014
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Jugendamt
Kinderschutz
Yagmur
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Die Linke
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Jugendhilfe
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