# taz.de -- Anti-WM-Proteste in Brasilien: Straßenfußball auf der Kreuzung | |
> Nach eher ruhigen Tagen kommt es in mehreren Städten zu Demonstrationen. | |
> In Brasilia streiken die Lehrer, in Rio zieht es den Black Block zum | |
> Maracanã. | |
Bild: Wollen weiterhin gehört werden: streikende Lehrer in Brasilia. | |
RIO DE JANEIRO taz | Groß sind die Demonstrationen nicht, aber in Rio de | |
Janeiro ging es zur Sache. Unweit des Maracanã-Stadions sammelten sich | |
mehre Hundert Demonstranten, die Forderungen sind bekannt: „Fifa go home“ | |
stand auf einem Transparent, andere machten Bürgermeister, Gouverneur und | |
Präsidentin für die hohen Kosten der WM und verfehlte Stadtplanung | |
verantwortlich. | |
Dass sie nicht bis zum Stadion gelangen würden, in dem wenig später das | |
Spiel [1][Argentinien gegen Bosnien-Herzegowina] angepfiffen wurde, war | |
ihnen klar. Unzählige Polizisten und Soldaten in schwerer Montur und | |
panzerartige Einsatzfahrzeuge standen im Weg. Sie versuchten es trotzdem, | |
einige vermummt und mit Gasmasken ausgestattet. | |
Nach wenigen Hundert Metern kam es bereits zur Konfrontation. | |
Tränengasgranaten flogen durch die Luft, Gummigeschosse und Pfefferspray | |
hielten die Protestler auf. Einige Polizisten sollen sogar mit scharfer | |
Munition in die Luft geschossen haben. Vermummte warfen Steine und auch | |
einige Brandbomben. Einige Banken wurden entglast. Noch Stunden später | |
machten Uniformierte Jagd auf die Demonstranten, festgenommen wurden nur | |
wenige. Die 75.000 im Stadion bekamen von all dem nichts mit, anders als | |
beim Confed-Cup-Endspiel wehte das Tränengas nicht bis aufs Spielfeld. | |
Auch in der Hauptstadt Brasilia und in Porto Alegre, den beiden anderen | |
Spielorten des vierten WM-Tages, gab es Demonstrationen. Die Stimmung war | |
gespannt, aber Zusammenstöße blieben aus. | |
In Brasilia wurde der Marsch gut einen Kilometer vor dem Stadion gestoppt. | |
Dort wurde die breite Durchgangsstraße kurzweilig in ein Fußball-Feld | |
verwandelt, aber das Spiel kam nicht richtig in Gang. Mehrsprachig kündigte | |
ein Transparent die „WM der Demonstrationen“ an. Ein Demonstrant sagte, | |
auch „aus dem Ausland und von der internationalen Presse bekommen wir | |
Unterstützung“ – sie seien schockiert von dem, was hier in Brasilien | |
passiert. Auch Lehrkräfte der technischen Schulen, die sich seit bald einem | |
Monat im Streik befinden, demonstrierten mit. | |
In Porto Alegre nutzten einige Hundert den Schutz von zahlreichen Touristen | |
im Stadtzentrum, um zu protestieren. Wegen des Rummels konnte die | |
gefürchtete lokale Brigada Militar nicht wie gewohnt eingreifen. „Es wird | |
keine WM geben“ verkündete das Leittransparent. Auch dort spielten einige | |
Straßenfußball auf Kreuzungen, umringt von schwarzen Robotern mit | |
Schutzschildern. | |
## Black Block am Stadion | |
Später feierte der Black Block Rio, bis zu einem Ausgang des Maracanã | |
vorgedrungen zu sein. Dort hätten die „Touristen“ wenigstens mitbekommen, | |
wie es jenseits der Stadien und Fanmeilen zugeht. Bald darauf waren die vor | |
allem argentinischen Touristen wieder an der Copacabana versammelt, die sie | |
seit Tagen in Besitz genommen haben. | |
Tausende wohnen und kampieren dort, einige Tankstellen stehen voll mit | |
alten Bussen und Lastwagen, in denen die Fans aus dem Nachbarland gekommen | |
sind und jetzt drin schlafen. Auch da gab es am Samstag schon Randale. Über | |
Tausend von ihnen blockierten feiernd die Strandpromenade, was ihnen einen | |
rüden Polizeieinsatz und Pfeffergas einbrachte. | |
Die erwartete Verbrüderung von brasilianischen und argentinischen Fans im | |
Maracanã fand indes noch nicht statt. Die meisten Brasilianer hielten stur | |
zu Bosnien, am Ende kam es gar zu Handgreiflichkeiten auf den Rängen. Das | |
Gerücht über die Verbrüderung entstand in den sozialen Netzwerken: Dort | |
erinnern zahlreiche Aufrufe daran, dass Rios Bürgermeister Eduardo Paes | |
angekündigt hatte, er würde Selbstmord begehen, wenn Argentinien im | |
Endspiel gegen Brasilien gewinnt. | |
16 Jun 2014 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Behn | |
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