# taz.de -- Helmhersteller über BGH-Urteil: Eine Helmpflicht wäre „fatal“ | |
> Die Hersteller freut es, dass es in Deutschland keine Pflicht zum | |
> Helmtragen gibt. Der Umsatz wachse ohnehin seit Jahren und Billiganbieter | |
> bleiben weg. | |
Bild: Müssen „cool“ sein: Helme auf Helmkunden | |
BERLIN taz | Verbraucherverbände und Industrie sind sich einig: Eine | |
Fahrradhelmpflicht bringt wenig. Sie kann sogar Schaden anrichten. „Wir | |
sehen eine Einführung der Helmpflicht kritisch, denn die Erfahrung in | |
Ländern mit einer solchen Vorschrift zeigt: das Radfahren leidet darunter“, | |
so Philipp Richter, der Pressesprecher des Helmherstellers Uvex. In | |
Australien habe es 30 Prozent weniger Radfahrer gegeben, nachdem dort 1991 | |
eine Helmpflicht eingeführt wurde. | |
Auch der Allgemeine Deutschen Fahrradclub (ADFC) begrüßt die Entscheidung | |
des Bundesgerichtshofs. Eine Helmpflicht würde die „Fahrradnutzung | |
drastisch senken“, was „weder umwelt- noch gesundheitspolitisch zu | |
verantworten ist“, schreibt der ADFC. Der Fahrradfahrerverband führt | |
wissenschaftliche Studien aus Kanada und Australien an, nach denen es mehr | |
Tote und Verletzte in Ländern mit Helmpflicht gibt. Die Begründung: Wenn | |
weniger Fahrradfahrer auf den Straßen anzutreffen sind, achten Autofahrer | |
weniger auf die Verkehrsteilnehmer auf dem Zweirad. In Deutschland ist etwa | |
jeder zehnte Verkehrstote ein Radler. | |
Pflicht hin oder her, der Umsatz mit Helmen steigt in Deutschland langsam, | |
aber stetig, seit Ende der 80er Jahre die ersten Helme für den | |
Alltagsgebrauch eingeführt wurden. „Wir beobachten ein steigendes | |
Bewusstsein bei den Verbrauchern für die Wichtigkeit von Helmen. Davon | |
profitieren wir natürlich“, so der Sprecher von Uvex. | |
Vor allem bei Kindern und Jugendlichen habe sich der Markt „außergewöhnlich | |
gut entwickelt“, sagt Marcus Startek, Betriebsleiter des 120 | |
MitarbeiterInnen starken Unternehmens KED Helmsysteme. Untersuchungen | |
zeigen: Bei den 6- bis 10-Jährigen tragen mittlerweile 75 Prozent einen | |
Helm. Helm-Muffel dagegen ist die Gruppe der 17- bis 30-Jährigen, die | |
Trage-Quote liegt unter 10 Prozent. | |
## Herstellung in Fernost und Osteuropa | |
Doch auch im Stadtbereich beobachtet Startek immer mehr Radhelme. Hier wird | |
der Helm zunehmend zum „modischen Accessoire“, sagt er. Während Kunden | |
früher vorrangig nach Gewicht ausgewählt haben, „muss jetzt alles vor allem | |
cool sein“, sagt der Vertriebsleiter von KED. So will die Firma einen Helm | |
entwickeln, der die Friseur nicht zerstört. „Die Damenwelt muss noch | |
erreicht werden“, sagt Startek. In Deutschland selbst werden kaum noch | |
Helme produziert. „Der Großteil der Firmen hat die Herstellung nach Fernost | |
oder Osteuropa verlagert“, sagt Stephan Schreyer vom | |
Zweiradindustrie-Verband. Die Hersteller Abus, Giro und Bell fertigen im | |
Ausland. | |
Einzig KED Helmsysteme und Uvex produzieren hierzulande. Mit den niedrigen | |
Preisen in Asien kann man „jedoch durchaus konkurrieren“, und zwar „mit | |
besserer Qualität, schnelleren Reaktionen auf Marktentwicklungen und | |
Farbtrends und guten Resultaten beim Ökotest“, so Startek. Fahrradhelme von | |
KED und Uvex schnitten durchschnittlich mit guten Ergebnissen bei einem | |
Test von Stiftung Warentest (Heft 05/2012) ab und kosten 40 bis 120 Euro. | |
Die im Ausland produzierende Konkurrenz erzielte ähnliche Ergebnisse: Helme | |
von Arbus wurden mit gutem Testurteil bewertet, während Giro mit | |
„befriedigend“ abschnitt. Alle Helme müssen der europäischen Norm CE EN | |
1078 entsprechen, die garantiert, dass der Helm beim Sturz nicht vom Kopf | |
rutscht und eine Mindesthärte besitzt. | |
Wäre es zu einer Helmpflicht gekommen, hätte das „aus unternehmerischer | |
Sicht fatale Folgen für uns gehabt“, sagt Steffen Klan, der bei KED für das | |
Qualitätsmanagement zuständig ist. „Der Markt wäre von Billiganbietern | |
überschwemmt worden, da wäre es für uns schwer geworden.“ Statt auf Pflicht | |
setze man lieber auf das Bewusstsein, dass Helme im Straßenverkehr wichtig | |
sind. Damit könne „man sowieso mehr erreichen“. | |
18 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Laura Flierl | |
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