| # taz.de -- Radtouristen in Berlin: Züge kommen nicht auf Touren | |
| > Radler, die mit dem Zug ins Umland wollen, müssen sich gut überlegen, | |
| > wann sie aufbrechen – denn die Regionalbahnen sind voll. Abhilfe rollt | |
| > nur langsam an. | |
| Bild: Im Sommer steigen mehr Menschen aufs Rad | |
| Als der Regionalexpress (RE) 1 aus Berlin an diesem Samstagmittag | |
| schließlich Magdeburg erreicht, hat er eine gute Viertelstunde Verspätung. | |
| „Wegen stark erhöhten Fahrgastaufkommens“, so die nüchtern klingende | |
| Durchsage kurz vor der Endstation. Eigentlich wäre das eine gute Nachricht: | |
| Der Zug war super ausgelastet. Leider trifft das nur zum Teil zu: die | |
| Verspätung rührt lediglich aus der Strecke zwischen Alexanderplatz und | |
| Hauptbahnhof. Auf den drei Stopps hatten sich so viele Fahrgäste mit Rad in | |
| den Zug gedrängt, dass zeitweise unklar war, ob sie alle mitkämen. Es | |
| klappte schließlich, nach viel Rangieren der Räder. Und hinter Potsdam | |
| entspannte sich die Lage in den Abteilen auch wieder. | |
| Wer in diesen schönen Sommermonaten mit Zug und Rad aus der Stadt will, | |
| muss sich gut überlegen, wann – denn die oben geschilderte Situation | |
| wiederholt sich auf den Bahnhöfen der Regionalzüge in schöner | |
| Regelmäßigkeit. Vor allem in den Morgenstunden, verstärkt noch am | |
| Wochenende fliehen die Großstädter den Staub und das Grau, viele haben ihr | |
| Fahrrad dabei, um im Umland mobil zu sein. Es ist die normale | |
| Weiterentwicklung einer veränderten Mobilität, sagt Philipp Poll, | |
| Geschäftsführer des Berliner ADFC: „Der Radverkehr in der Stadt nimmt | |
| stetig zu – entsprechend auch das Bedürfnis, bei Ausflügen das Rad im Zug | |
| mitzunehmen.“ Die Plätze in den nur mit Klappsitzen ausgestatteten | |
| Radabteilen sind begehrt, auch weil man sie mit Rollstuhlfahrern und | |
| Kinderwagen teilen muss. | |
| Die Verkehrsunternehmen scheinen dieser Entwicklung viel zu langsam | |
| Rechnung zu tragen – obwohl der Regionalverkehr der Bahn von den jeweiligen | |
| Bundesländern bestellt und entsprechend bezahlt wird. Ein Problem sei, dass | |
| die Zahl der Radfahrer in den Zügen stark vom Wetter abhänge und | |
| entsprechend schwer zu kalkulieren sei, berichtet Elke Krokowski, | |
| Sprecherin des Verkehrsverbundes Berlin Brandenburg (VBB). Im VBB haben | |
| sich mehr als 40 Verkehrsunternehmen der Region zusammengeschlossen, | |
| darunter auch die Deutsche Bahn (DB) und ihre Tochter S-Bahn. Zwar gelinge | |
| es manchmal, vorausschauend zu planen und kurzfristig zusätzliche Züge zur | |
| Entlastung einzusetzen, so Krokowski – etwa vergangenes Pfingsten, als klar | |
| gewesen sei, dass es warm werde. „Allerdings ist das nicht immer möglich | |
| –nicht nur aus technischen Gründen, sondern auch, weil die | |
| Verkehrsunternehmen ihr Personal so kurzfristig nicht disponieren können.“ | |
| Besonders häufig zu Engpässen mit Radlern kommt es im Sommer auf den | |
| Strecken in Richtung Ostsee – etwa im RE 5, der Berlin mit Rostock und | |
| Stralsund verbindet. Eigentlich sei das ja eine Fernverkehrsverbindung, | |
| sagt Krokowski. Die Strecke müsste deswegen viel häufiger von Fernzügen – | |
| die nicht die Länder bezahlen – abgedeckt werden. Doch das lohnt sich | |
| offenbar für die Unternehmen nicht. „Der Regionalverkehr schließt hier | |
| Lücken, für die er eigentlich nicht zuständig ist.“ | |
| Dennoch wird das Angebot des Verkehrsverbunds stetig erweitert: Seit 2011 | |
| würden auf der RE-5-Strecke an Wochenenden im Sommer zwei zusätzliche Züge | |
| eingesetzt, so Krokowski. Ab kommendem Jahr werde es, ebenfalls in der | |
| Sommersaison, „einen zusätzlichen fünften Wagen geben, der speziell für die | |
| Fahrradmitnahme konzipiert ist: Dort wurden die meisten Sitze im | |
| Untergeschoss ausgebaut.“ | |
| Züge müssten im Sommer und Winter unterschiedlich eingesetzt werden können, | |
| lobt Philipp Poll diese Flexibilität. Diese fordert er auch von den | |
| Fahrgästen, besonders jenen ohne Rad, Kinderwagen oder Riesenkoffer: Sie | |
| müssten die Klappsitze in den Untergeschossen rechtzeitig freimachen. | |
| ## Länder wollen mehr | |
| Es sind nicht nur einige Fahrgäste und Bahnunternehmen, die den Wandel im | |
| Verkehrsverhalten sehr langsam realisieren. Auch der Bund hat das noch | |
| nicht begriffen: Es ist völlig unklar, wie viel Geld Bundesverkehrsminister | |
| Alexander Dobrindt (CSU) den Bundesländern künftig für den Nahverkehr geben | |
| wird. Die derzeit jährlich 7,4 Milliarden Euro Regionalisierungsgelder für | |
| alle Länder sind nur in diesem Jahr gesichert. Berlin erhält davon etwa 400 | |
| Millionen Euro; das Geld fließt laut der Senatsverwaltung für | |
| Stadtentwicklung vor allem in die Bestellung von Zügen auf S-Bahn- und | |
| Regionalbahnlinien und zum Ausbau der Infrastruktur. | |
| Laut einem Gutachten im Auftrag der Länder müsste der Bund künftig | |
| mindestens 8,4 Milliarden Euro springen lassen, um die stark steigenden | |
| Kosten für die Nutzung der DB-Infrastruktur sowie den Streckenzuwachs – in | |
| Berlin etwa die Anbindung des geplanten BER und die neue S-Bahn-Linie 21 – | |
| aufzufangen. „Die Aufstockung der Regionalisierungsmittel ist deshalb auch | |
| für Berlin zwingend erforderlich“, sagt Petra Rohland, Sprecherin der | |
| Senatsverwaltung. Und VBB-Sprecherin Krokowski ergänzt: „Eine deutliche | |
| Erhöhung ist dringend notwendig, denn die Auslastung der Züge steigt: In | |
| Spitzenzeiten sind alle Regionallinien gut besetzt.“ | |
| 8 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
| ## TAGS | |
| Fahrrad | |
| Berlin | |
| Zug | |
| Transport | |
| Bahn | |
| Fahrrad | |
| Helmpflicht | |
| Fahrrad | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Mit dem Fahrrad unterwegs in der Bahn: Manchmal wird es sehr eng | |
| Mit dem Rad Bahnfahren könnte so einfach sein. In Österreich und der | |
| Schweiz geht das gut, nur hierzulande ist es nicht immer ein Vergnügen. | |
| Radfahrer in Berlin: Gefährliches Pflaster | |
| Unachtsamkeit beim Abbiegen ist Hauptursache bei Fahrradunfällen, die | |
| manchmal auch – wie diese Woche – für die Fahrradfahrer tödlich enden | |
| Verkehr: Ein Brückenschlag für Radler | |
| Die Warschauer Straße zwischen Frankfurter Tor und S-Bahn-Brücke soll bis | |
| 2015 endlich fahrradfreundlich werden. | |
| Helmhersteller über BGH-Urteil: Eine Helmpflicht wäre „fatal“ | |
| Die Hersteller freut es, dass es in Deutschland keine Pflicht zum | |
| Helmtragen gibt. Der Umsatz wachse ohnehin seit Jahren und Billiganbieter | |
| bleiben weg. | |
| Interview zur Sternfahrt in Berlin: „Radfahren ist ansteckend“ | |
| Berlin ist noch längst keine Fahrradstadt, sagt das Bloggerkollektiv „Alle | |
| Macht den Rädern“ – und fordert ein Umdenken der Politik. |