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# taz.de -- Radclub-Rechtsexperte über Urteil: „Helme schützen nicht immer�…
> Der Rechtsreferent des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs, Roland Huhn,
> über das Gerichtsurteil in Schleswig-Holstein, Alltagsfahrer und
> Kopfverletzungen.
Bild: Der Kopfschutz verhindere beim Radfahren nur leichte Verletzungen sicher,…
taz: Herr Huhn, kommt mit dem Urteil [1][des Oberlandesgerichts
Schleswig-Holstein] jetzt die Helmpflicht für Radler durch die Hintertür?
Roland Huhn: Nein. Ohne gesetzliche Helmpflicht muss zunächst niemand einen
Helm tragen. Das Urteil des Gerichts, dass Radfahrer ohne Helm im Fall
eines Unfalls eine generelle Mitschuld tragen, deckt sich nicht mit der
bisherigen Rechtsprechung. Das Gericht nimmt an, dass der Schutz durch
Helme unter Radfahrern eine „allgemeine Überzeugung“ sei. Die jährliche
Zählung der Bundesanstalt für Straßenwesen ergibt aber, dass im Alltag
weniger als 10 Prozent der Radfahrer einen Helm tragen. Wenn mehr als 90
Prozent der Menschen gegenteilig handeln, dann ist es keine allgemeine
Überzeugung.
Wie werden allgemeine Überzeugungen vor Gericht festgestellt?
Eine Überzeugung äußert sich darin, dass die Menschen danach handeln – und
nicht, dass sie die Überzeugung nur äußern. Gerichte stützten sich zur
Feststellung von solchen Anschauungen auf amtliche Zählungen oder
Statistiken. Erst wenn eine große Mehrheit der Radfahrer Helme trägt,
könnte man vor Gericht von einer solchen allgemeinen Überzeugung sprechen.
Radfahrer, die unverschuldet in einen Unfall verwickelt sind, müssten in
diesem Fall einen Teil der Schadenskosten übernehmen – und das nur, weil
sie keinen Helm tragen?
Wenn es bei der Mehrheit der Radfahrer Usus wäre, Helm zu tragen, wäre es
juristisch möglich, dass Radfahrer ohne Helm grundsätzlich als mitschuldig
an erlittenen Kopfverletzungen gelten. Ich bin aber sicher: So eine
Überzeugung gibt es nicht. Diese Radfahrerin in diesem Fall hat Revision
eingelegt – der ADFC unterstützt sie dabei. Jede Wette: Der
Bundesgerichtshof wird das Urteil aufheben.
Im Urteil steht, dass ein Helm unzweifelhaft vor Kopfverletzungen schützt.
Ist das so?
Die Richter hatten einen Sachverständigen beauftragt, der sagte: Die
Radfahrerin wäre auch mit Helm verletzt worden – nur nicht ganz so schwer.
Das Gericht verallgemeinert diesen Bericht und behauptet im Urteil: Helme
schützen unzweifelhaft.
Schützen Helme denn nicht?
Helme schützen sicher gegen leichte Verletzungen. Vor schweren
Kopfverletzungen schützen Helmen nur in 33 Prozent der Fälle – das geht aus
dem aktuellen Jahresbericht der Bundesanstalt für Straßenwesen hervor.
Dieser stützt sich dabei auf eine Studie, in der Unfälle mit Radfahrern im
Zeitraum von einem Jahr analysiert wurden. Das Ergebnis: Bei 66 Prozent der
Fälle konnte der Helm eine schwere Kopfverletzung nicht verhindern.
Gab es bisher schon ähnliche Gerichtsentscheidungen?
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte in der Vergangenheit verschiedene
Radfahrergruppen unterschiedlich beurteilt: Menschen, die ihr Rad im Alltag
nutzen, trifft demnach auch ohne Helm keine Schuld. Wenn sie ein Rennrad
fahren, dann unter Umständen schon. Das Gericht ging davon aus, dass unter
Radsportlern die allgemeine Überzeugung gilt: Beim Rennsport trägt man
Helm.
Werden Rennradfahrer, die ihr Rad im Alltag benutzen, vor Gericht anders
beurteilt als Stadtradfahrer?
Die Richter in Düsseldorf hätten zumindest ein Problem. Einerseits fährt
der Radler ein Rennrad, andererseits trägt er Alltagskleidung – das passt
nicht zu deren bisherigen Unterscheidung zwischen Rennradfahren und
Alltagsfahrer.
Wird bei der Revision ein Grundsatzurteil über Helme bei Radfahrern
getroffen?
Nein, der Bundesgerichtshof wird allein anhand des vorliegenden Falles
entscheiden. Mit Hinweisen, die darüber hinausgehen, sind Richter im
Allgemeinen sehr zurückhaltend. Das Urteil wird trotzdem eine große
Bedeutung haben, weil die Alltagsradfahrer die größte Gruppe der Radfahrer
sind. Der Richterspruch wird die Frage einer Mitschuld wegen fehlenden
Helmes für solche Fälle grundsätzlich klären. Zur Frage von Rennfahrern
oder Kindern auf dem Rad würde der BGH sich erst äußern, wenn sich eine
Gelegenheit dazu bietet.
23 Jun 2013
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## AUTOREN
Julia Lauter
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