# taz.de -- Mindestlohn im Taxigewerbe: Schnell noch ein Tarifvertrag | |
> Taxiunternehmer kündigen ihren Fahrern wegen des kommenden Mindestlohns. | |
> Gemeinsam mit Ver.di sucht die Branche nun eine Zwischenlösung. | |
Bild: Der Taxidachverband sieht jeden vierten der 200.000 festen Jobs für Fahr… | |
BERLIN taz | Die ersten Kündigungen sind ausgesprochen, vorsorglich, | |
schließlich muss man die Kündigungsfrist einhalten, die bei langjährigen | |
Mitarbeitern ein halbes Jahr betragen kann. „Es ist bitter, weil es ja | |
gerade die besonders treuen Fahrer in der Firma trifft“, sagt | |
Taxiunternehmer Wolfgang Schwuchow aus Erfurt. Er hat jetzt, noch im Juni, | |
zwei langjährigen Fahrern die schriftliche Kündigung zum 1. Januar 2015 | |
überreicht. | |
Am 1. Januar 2015 kommt der Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde. Das | |
Gesetz dazu soll am 4. Juli verabschiedet werden. Auch im Taxigewerbe | |
müssen Unternehmer dann ihren Angestellten den Mindeststundenlohn zahlen, | |
ganz unabhängig davon, wie viel Fahrten der Kutscher hatte oder wie viel | |
Umsatz er machte. Die Taxibranche ist in Aufruhr, denn bisher ist die | |
Bezahlung umsatzabhängig, die Stundenlöhne liegen oft niedriger. | |
Angestellte Fahrer etwa bekommen derzeit 40 Prozent vom Umsatz als | |
Bruttolohn. Wer also 8,50 Euro als Stundenlohn einfahren will, müsste 21 | |
Euro Kasse in der Stunde machen. Das schaffen die Kutscher nur selten. „In | |
Berlin machen die Fahrer im Durchschnitt 14 Euro in der Stunde an Umsatz“, | |
erzählt Uwe Gawehn von der Taxi-Innung Berlin. Mit dem Mindestlohn sei ein | |
Unternehmen mit angestellten Fahrern nicht mehr wirtschaftlich zu führen, | |
Entlassungen seien die logische Folge. | |
Kein Wunder also, dass die Branche händeringend nach alternativen Lösungen | |
sucht. Eine naheliegende Möglichkeit ist eine Tarifanhebung, sprich | |
Preiserhöhung. „Doch das kostet Zeit, das bei den Kommunen durchzusetzen“, | |
sagt Thomas Grätz, Geschäftsführer des Deutschen Taxi- und | |
Mietwagenverbandes (BZP). Die Taxitarife sind regional unterschiedlich und | |
müssen von den Kommunen genehmigt werden. Außerdem ist völlig unklar, ob | |
die Kunden Preiserhöhungen von durchschnittlich 25 Prozent, in Einzelfällen | |
sogar 70 Prozent akzeptieren. | |
## Überlange Schichten als Kompensation | |
Für eine zweijährige Übergangslösung bis zum 1. Januar 2017 sucht die | |
Taxibranche daher jetzt nach einer Möglichkeit, mit der Gewerkschaft Ver.di | |
einen Tarifvertrag abzuschließen, der eine Ausnahmeregelung vom Mindestlohn | |
schafft. Heraus käme ein Lohn von weniger als 8,50 Euro. Denn das Gesetz | |
erlaubt niedrigere Löhne als 8,50 Euro brutto bis zum Jahre 2017, wenn | |
diese verbindlich in einem Tarifvertrag stehen. Das Problem: Der | |
Taxidachverband BZP muss von den Mitgliedern zuerst einmal zum tariffähigen | |
Arbeitgeberverband erklärt werden, eine erste Abstimmung dazu scheiterte | |
kürzlich. Jetzt wollen sich die Taxler noch mal am 3. Juli treffen, um den | |
Arbeitgeberverband aus der Taufe zu heben. | |
Die Gewerkschaft Ver.di will allerdings nicht ohne weiteres noch schnell | |
solch einen Billigtarifvertrag unterstützen. Stimme man für eine | |
Übergangszeit einem Lohn von weniger als 8,50 Euro zu, dann müsse es für | |
die beschäftigten Angestellten an anderer Stelle einen „Mehrwert“ geben, | |
etwa bei den Arbeitszeiten oder durch Zuschläge für Nacht- und | |
Feiertagsarbeit, sagte Ver.di-Sprecher Christoph Schmitz der taz. | |
Bisher kompensieren die Fahrer ihre niedrigen Stundenumsätze und die langen | |
Wartezeiten an den Taxiplätzen durch überlange Arbeitsschichten. „50, 60 | |
Stunden“ in der Woche fahre er, erzählt ein Berliner Kutscher. Damit | |
erreiche er einen Monatslohn von 1.300 Euro brutto. Heruntergerechnet auf | |
die Stunde sind das nicht mehr als 5,50 Euro brutto. Käme der Mindestlohn, | |
würden die Fahrer wohl Teilzeitverträge erhalten von ihren Unternehmen, | |
glaubt der Fahrer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Auf | |
dem Papier steht dann eine bestimmte Stundenzahl, die aber in Wahrheit weit | |
überschritten wird. Diese Tricksereien wären heikel – schließlich könnte | |
jeder Kutscher seinen Dienstherrn wegen der Falschangaben später bei den | |
Behörden anzeigen. Mit dem Mindestlohn sollen auch Stundenzettel eingeführt | |
werden für die Kutscher. | |
Der Taxidachverband sieht jeden vierten der 200.000 Arbeitsplätze für | |
angestellte Fahrer in Deutschland durch den Mindestlohn von 8,50 Euro in | |
Gefahr. Mehr als 60 Prozent der Taxiunternehmen bestehen allerdings aus | |
Ein-Wagen-Betrieben. Und selbständige Alleinfahrer können weiterhin zu | |
Dumpinglöhnen ackern – für Selbständige gilt der Mindestlohn nicht. | |
20 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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