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# taz.de -- Mindestlohn für Praktikum: Generation Kurzzeitpflege
> PraktikantInnen könnten es beim Jobeinstieg mit dem Mindestlohn schwer
> haben. Wer länger als sechs Wochen hospitiert, muss bald mehr verdienen.
Bild: Der Mindestlohn kommt – mit Einschränkungen.
BERLIN taz | Sylvio Krüger sucht. Nach einer Lösung für künftige
Praktikanten. Wer derzeit bei dem Inhaber des Mauerseglers in Berlin als
Praktikant nach seinem Studium lernen will, wie Eventmanagement,
Gastronomie und Catering funktionieren, läuft ein gutes halbes Jahr an der
Seite des Unternehmers mit. „Kürzere Zeit hier zu sein, macht keinen Sinn“,
sagt Krüger.
Zum Mauersegler, einem Kultur-Gastronomiebetrieb direkt auf dem ehemaligen
Berliner Grenzstreifen zwischen Mitte und Wedding, gehören ein Biergarten,
eine Strandbar, ein Kaffeehaus, verschiedene Club Lounges. Dort werden
Kultur- und Fußballfestivals, private Feiern und Großfeste gefeiert.
Außerdem beliefert der Mauersegler als Caterer stadtweite Veranstaltungen
wie Frauenläufe, Sommernachtsbälle, Konzerte. Krüger sagt: „Das Gewerbe
versteht man nicht richtig, wenn man weniger als drei Monate dabei ist.“
Genau das aber könnte passieren, wenn am 1. Januar 2015 das
Mindestlohngesetz (MiLoG) in Kraft tritt. Am Donnerstag will der Bundestag
über den Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in erster
Lesung debattieren. Noch vor der Sommerpause soll das Gesetz beschlossen
werden. Es schreibt einen Mindeststundenlohn von 8,50 Euro brutto vor.
Allerdings soll es Ausnahmen geben: für Minderjährige, Auszubildende,
Ehrenamtler, Schülerpraktikanten und für Studierende mit
studiumsbegleitenden Praktika. Wer aber vor oder nach dem Studium und
länger als sechs Wochen bei einem Unternehmen oder in einen Job
„reinschnuppert“, muss laut Gesetzentwurf ebenfalls mindestens 8,50 Euro
erhalten. Monatlich wären das rund 1.400 Euro.
## Durchschnittlich fünfmonatiges Praktikum
Sylvio Krüger sucht nicht nach Praktikanten, sie melden sich von selbst.
Manche würden sogar ohne Bezahlung bei ihm lernen, sagt Krüger. „Aber das
lehne ich ab. Wir wollen einen fairen Umgang.“
Bundesweit werden jedes Jahr rund 600.000 Praktika angeboten, hat das
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg ausgerechnet.
Viele davon für Uni-Absolventen, die durchschnittlich fünf Monate in einem
Unternehmen verweilen. Etwa 40 Prozent dieser Praktika werden nach Angaben
der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung nicht bezahlt.
Sylvio Krüger beschäftigt momentan zwei Praktikanten, er zahlt ihnen einen
Stundenlohn von rund sechs Euro. Branchentypisch sei nicht festgelegt, wie
und wann die Arbeitsstunden geleistet werden müssen. Festangestellte
Mitarbeiter verdienten „gut und schon jetzt teilweise über dem
Mindestlohn“.
Um das Nahles-Gesetz und seine Ausnahmen gibt es heftige Debatten – auch
wegen der Praktikantenfrage. Während die Arbeitsministerin ihr Papier mit
den Worten verteidigt, Arbeit sei jetzt „keine Ramschware mehr“, ruft der
Mindestlohn vor allem beim Koalitionspartner und bei Wirtschaftsverbänden
Widerspruch hervor. So bezeichnete es Wolfgang Steiger, Generalsekretär des
Wirtschaftsrates der CDU, als „völlig grotesk“, dass Praktikanten
Mindestlohn erhalten sollen. Carsten Linnemann, Chef der Mittelstands- und
Wirtschaftsvereinigung der Union, warnte, dass viele Firmen „ihr Angebot
eindampfen müssen“, weil sie den Mindestlohn nicht zahlen können. Oder sie
würden Praktika anbieten, die weniger als sechs Wochen dauerten.
## taz-Praktikum mit Einschränkungen
Davon könnte auch die taz betroffen sein. In der Hauptredaktion in Berlin
arbeiten jeden Monat bis zu 15 Praktikanten in allen Ressorts. Sie sind
durchschnittlich acht Wochen im Haus und erhalten eine
Aufwandsentschädigung von 200 Euro monatlich. Davon können die Praktikanten
weder ein Zimmer in Berlin bezahlen noch ihr Essen. Eine Praktikantin
konnte sich nicht einmal ein Mittag im taz-Café leisten und brachte sich
Stullen mit. Ein aktueller Praktikant wird von seinen Eltern unterstützt.
Wie wird die taz ab 2015 ihre Praktikanten bezahlen? Darüber werde man zu
gegebener Zeit debattieren, sagte ein Ressortleiter. Praktika unter sechs
Wochen machten in seinen Augen für beide Seiten keinen Sinn. Mehr zahlen
könne die taz aufgrund der ohnehin geringen Bezahlung aber auch nicht. „Die
Frage ist, ob es dann überhaupt noch Sinn macht, Praktika anzubieten“, so
der Ressortleiter. Vielleicht sollte das Geld eher in Volontariate
investiert werden.
Sylvio Krüger will auf jeden Fall weiter Praktikanten für längere Zeit
beschäftigen. Sie kürzer aufzunehmen, würde einen „ungleich größeren
Aufwand“ bedeuten. Sie müssten mehr erklärt bekommen und könnten weniger
selbst machen. „Das ist nicht der Sinn eines Praktikums“, sagt Krüger. Er
werde dann eine andere Lösung finden. Nur welche, ist noch nicht klar.
5 Jun 2014
## AUTOREN
Simone Schmollack
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