# taz.de -- Was ändert ein Mindestlohn in Berlin?: Der erste Schritt zur Umver… | |
> Pünktlich zum Tag der Arbeit stehen die Gewerkschaften vor einem großen | |
> Sieg: Der Mindestlohn kommt. Was aber bedeutet dieser Sieg für Berlin | |
> wirklich? | |
Bild: War dem DGB ein Herzensanliegen: die Einführung eines Mindestlohns. | |
Bald ist es soweit: endlich Mindestlohn! 8,50 Euro pro Stunde. Viele | |
Arbeitnehmer in Berlin, einer Stadt mit hohem Armutsanteil, freuen sich | |
darauf. Denn sie hoffen, dass ihr finanzieller Spielraum etwas größer wird. | |
Die mehrheitliche Sicht: Der Mindestlohn ist eine gute Sache. | |
Aber da gibt es auch die Perspektive derjenigen, die Firmen besitzen. Nicht | |
die sagenhaften Großkapitalisten und Konzernchefs sind hier gemeint, die | |
sich ihre legendären Taschen vollstopfen. Sondern die Architekten, | |
Clubbetreiber, Start-up-Unternehmer, Konditoren, Buchhändler und Maler um | |
die Ecke, die einen großen Teil der einheimischen Wirtschaft bestreiten. | |
Die mögen das Ganze etwas anders sehen. Ihre Frage lautet: Woher nehme ich | |
das Geld, das ich meinen Mitarbeitern überweise? | |
Denken wir als Beispiel an einen Taxiunternehmer, der vier Wagen auf der | |
Straße hat. Er soll seinen Fahrern mehr bezahlen. Auf die Dauer kann er das | |
jedoch nicht aus seinem Ersparten tun. Deshalb wird er versuchen, die | |
Einnahmen zu erhöhen. Eine Möglichkeit besteht darin, die Fahrpreise | |
anzuheben. Und das ist ein entscheidender Punkt: Den Mindestlohn zahlen zum | |
großen Teil die Kunden. | |
Dieser Mechanismus wirkt nicht nur im Taxigewerbe. Die Besitzer des | |
türkischen Gemüseladens, der Kuchenmanufaktur, des Alternativkinos und der | |
Autowerkstatt im Hof überlegen ähnlich. Sind wir, die Bürger und | |
Konsumenten, also bereit, höhere Preise für Obst, das Stück Torte, die | |
Kinokarte und die neuen Bremsbeläge zu entrichten? Vielleicht auch höhere | |
Gebühren für öffentlich finanzierte Dienstleistungen, gar mehr Steuern? | |
Schließlich hat der hochverschuldete Senat ebenfalls nichts zu verschenken. | |
In einer vergleichsweise armen Stadt wie Berlin wird es deshalb dauern, bis | |
sich der Mindestlohn durchsetzt. Das ist ein Prozess, der sich über Jahre | |
hinziehen kann. Vermutlich versuchen Unternehmen oder ganze Branchen, sich | |
vorerst um ihn herumzudrücken. Kein Wunder: Sie müssen befürchten, dass sie | |
Kunden verlieren, wenn sie die Preise anheben. | |
Trotzdem ist es richtig, eine höhere Untergrenze für die Bezahlung | |
gesetzlich zu definieren. Schließlich können die Arbeitnehmer, die vom | |
Mindestlohn profitieren, auch mehr ausgeben. Dies bedeutet für sie jedoch, | |
dass die höheren Preise für Konsumgüter ihren finanziellen Zugewinn teils | |
wieder aufzehren. Allerdings nicht komplett, denn die gestiegenen Kosten | |
zahlen ja alle, auch die Mittelschicht, die Wohlhabenden und Reichen. Diese | |
Bevölkerungsgruppen können sich das ohne Probleme leisten. Die positive | |
Wirkung des Mindestlohns besteht somit in einer kleinen Umverteilung von | |
oben nach unten. | |
Dieser Text ist Teil des aktuellen Themenschwerpunkts in der taz.berlin. An | |
diesem Wochenende, in Ihrem Briefkasten und am Kiosk. | |
26 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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