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# taz.de -- Markt für Auszubildende: Junge Köche gesucht
> 160.000 Azubi-Stellen sind laut Bundesagentur für Arbeit unbesetzt, viele
> in der Gastronomie und in Hotels. Deren Image ist nicht das Beste.
Bild: Viele laufen der Gastronomie davon, er nicht: Jallel-Edine Zeroual, Siege…
BERLIN taz | Eine gute mittlere Reife sollte er oder sie vorweisen können,
Umgangsformen besitzen, körperlich belastbar und flink in der
Auffassungsgabe sein. Anforderungen, die erfüllbar sein dürften, für den
oder die neue Auszubildende, die das Hotel Möhringer Hof in Stuttgart ab
August einstellen möchte. Noch ist die Stelle aber nicht besetzt. „Es ist
schwierig, es gibt niemanden auf dem Markt“, sagt die Betreiberin Birgit
Wegener. Dabei suche man bereits seit Februar.
So wie das Hotel Möhringer Hof suchen viele Betriebe noch Auszubildende.
Rund 160.000 unbesetzte Stellen – mehr als je zuvor – meldet die
Bundesagentur für Arbeit derzeit, obwohl das Ausbildungsjahr offiziell
bereits seit 1. August begonnen hat. „Seit 2011 gibt es diese schwierige
Lage auf dem Ausbildungsmarkt, und wir erwarten nicht, dass sich das in
diesem Jahr ändert“, sagt Andreas Pieper vom Bundesinstitut für Berufliche
Bildung.
Eine Einschätzung, die auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag
teilt: „Über alle Branchen hinweg berichten Betriebe zunehmend von
Schwierigkeiten, Ausbildungsplätze zu besetzen“, sagt Ulrike Friedrich vom
DIHK. Friedrich sieht zwei Hauptursachen: die Demografie und den Drang zum
Abitur. Die Schülerzahlen gehen zurück, gleichzeitig entscheiden sich viele
Schulabgänger für ein Studium. 2013 lag die Zahl der Studienanfänger
erstmals höher als die der neuen Lehrlinge. „Das Potenzial an
Auszubildenden wird kleiner“, sagt Friedrich. Die Politik müsse stärker für
die duale Ausbildung als Alternative zum Studium werben.
Dabei gibt es laut Statistik der Arbeitsagentur derzeit noch über 150.000
unversorgte Bewerber. „Die Bewerber sind ja da“, sagt Pieper vom BiBB und
spricht von „Passungsproblemen“. Das heißt, die Jugendlichen passen nicht
zum Ausbildungsplatz und umgekehrt. „Die Betriebe bieten Plätze an, die die
Jugendlichen so nicht mehr wollen.“
Besonders schwer haben es Firmen im Einzelhandel und im Hotel- und
Gaststättengewerbe. Für angehende VerkäuferInnen, KöchInnen und
Hotelfachfrauen gibt es noch Zehntausende freie Stellen. In den Hotels und
Gaststätten blieben zunehmend Ausbildungsstellen frei, bestätigt Sandra
Warden vom Branchenverband Dehoga. Das Image der Dienstleistungsbranche sei
nicht das Beste, dabei böten sich den jungen Leuten später tolle
Jobmöglichkeiten. Klar, der Verdienst sei niedriger als in der Industrie.
## Lieber zu Daimler als ins Hotel
Der Stuttgarter Jugendliche geht also lieber zu Daimler als ins Hotel. Eine
angehende Hotelfachkraft bekommt laut Tarifvertrag zwischen 500 und 700
Euro Ausbildungsvergütung bei einer 39-Stunden-Woche. Gearbeitet wird auch
abends und am Wochenende.
Die Arbeitszeiten seien aber nicht der eigentliche Grund, warum die
Jugendlichen der Branche schlechte Noten gäben, meint Guido Zeitler von der
Gewerkschaft Nahrung und Genussmittel (NGG). Sondern dass viele Überstunden
schlicht nicht vergütet würden. Zudem sei nur ein Viertel der Betriebe
tariflich gebunden, oft liegen die Ausbildungsvergütungen und -löhne also
unter dem tariflich vereinbarten Niveau. „Viele Betriebe haben
Auszubildende als billige Arbeitskräfte eingesetzt“, meint Zeitler. In
anderen Branchen koste eine Ausbildung, im Hotel- und Gaststättengewerbe
ließe sich mit einem Auszubildenden Geld sparen. Manche Betreiber hätten in
der Vergangenheit bis zu 50 Prozent der Stellen mit Auszubildenden besetzt.
Die Zeiten sind wohl vorbei. Stattdessen gehen die Hotels auf Bewerbersuche
im Ausland. Das Hotel Möhringer Hof hat inzwischen mit Hilfe einer Agentur
einen jungen Mann aus Indien angeworben. Er studierte Hotellerie in Mumbai
und war anschließend für ein Jahr zum Praktikum in Stuttgart. Nun möchte
ihn das Hotel für zwei Jahre als Trainee einstellen. Doch das Visum fehlt.
„Ein ganz wunderbarer junger Mann. Wir hoffen, dass es noch klappt“, sagt
Birgit Wegener.
12 Aug 2014
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
Auszubildende
Gastronomie
Hotel
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