Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- ILO-Bericht zur sozialen Sicherung: Ausgegrenzt und arm
> Sozialer Schutz? Davon kann ein Gros der Weltbevölkerung nur träumen,
> sagt die Internationale Arbeitsorganisation. Die EU wird kritisiert.
Bild: In der EU sind 123 Millionen Menschen von Sozialabbau betroffen – Bett…
GENF dpa | Die Internationale Arbeitsorganisation ([1][ILO]) kritisiert den
immer weiter vorangehenden Abbau staatlicher Sozialleistungen in Ländern
der Europäischen Union (EU). „Zusammen mit anhaltender Arbeitslosigkeit,
niedrigen Löhnen und hohen Steuern haben diese Maßnahmen zu mehr Armut und
sozialer Ausgrenzung geführt“, kritisiert die UN-Sonderorganisation in
ihrem am Dienstag veröffentlichten „Weltbericht zur sozialen Sicherung
2014/2015“.
Darin beklagt die ILO auch, dass die Verwirklichung des grundlegenden
Menschenrechts auf soziale Sicherheit für den größten Teil der
Weltbevölkerung immer noch kaum mehr als ein Traum ist. In der EU seien von
Sozialabbau mittlerweile „123 Millionen Menschen betroffen, 24 Prozent der
Bevölkerung, viele von ihnen Kinder, Frauen, Ältere und Personen mit
Behinderungen“. Die ILO verweist darauf, dass mehrere europäische Gerichte
Sozialkürzungen als nicht verfassungsgemäß eingestuft hätten.
Kosten der Bewältigung der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise hätten
viele Staaten „an die Bevölkerungen weitergegeben, die seit mehr als fünf
Jahren weniger Arbeitsplätze und niedrigere Einkommen verkraften müssen“.
Die Krise sei damit jedoch nur weiter verlängert worden, meinen die
ILO-Experten: „Niedrige Haushaltseinkommen haben geringeren inländischen
Konsum und weniger Nachfrage zur Folge, was die wirtschaftliche Erholung
verlangsamt.“
Zu kurzfristig angelegte Anpassungsreformen als Reaktion auf die Krise
hätten Errungenschaften des europäischen Sozialmodells untergraben, das
nach dem Zweiten Weltkrieg Armut verringerte und Wohlstand förderte.
Demgegenüber hätten einige Ländern mit mittlerem Einkommen den Weg der
Ausweitung ihrer sozialen Sicherungssysteme eingeschlagen und auf diese
Weise Wachstumsstrategien gestärkt, die sich auf Förderung der Nachfrage
stützen.
Als „Lehrstück in punkto Entwicklung“ lobt die ILO China. Das Land habe
inzwischen einen allgemeinen Deckungsgrad der Altersrenten fast erreicht
und die Löhne erhöht. Auch Brasilien habe als Krisenreaktion die soziale
Sicherung und den Mindestlohn ausgeweitet.
Weltweit sieht es bei der sozialen Sicherung immer noch düster aus: Nur 27
Prozent der Erdbewohner genießen laut ILO Zugang zu umfassenden sozialen
Sicherungssystemen. 73 Prozent hätten lediglich partiellen oder gar keinen
sozialen Schutz.
## Wesentliche Hürde für wirtschaftliche Entwicklung
Der fehlende Zugang zu Sozialleistungen bei Arbeitslosigkeit sowie
Arbeitsunfällen, bei Krankheit, Mutterschaft oder Invalidität stellt nach
Einschätzung der ILO in zahlreichen Ländern „eine wesentliche Hürde für
wirtschaftliche und soziale Entwicklung dar“.
1948 habe die internationale Gemeinschaft soziale Sicherheit und
Gesundheitsfürsorge zu grundlegenden Menschenrechten erklärt, sagte die
stellvertretende ILO-Generaldirektorin Sandra Polaski. „Doch im Jahr 2014
ist das Versprechen universellen sozialen Schutzes für die große Mehrheit
der Weltbevölkerung immer noch unerfüllt.“
Dabei habe die globale Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt, dass stärkere
Sozialleistungen durchaus wirtschaftlichen Nutzen bringen: „Soziale
Sicherung trägt zu wirtschaftlichem Wachstum bei, indem sie
Haushaltseinkommen und damit den Inlandskonsum stützt.“
Viele Staaten hätten dies in der ersten Phase der Krise von 2008 und bis
2009 auch berücksichtigt. So seien in 48 Ländern ein Viertel der
angekündigten Maßnahmen zur Konjunkturförderung im Gesamtumfang von 2,4
Billiarden Dollar für soziale Sicherungsmaßnahmen vorgesehen gewesen. In
der zweiten Krisenphase – seit 2010 – seien jedoch viele Regierungen trotz
notwendiger Unterstützung schutzbedürftiger Bevölkerungsgruppen verfrüht
zur Haushaltskonsolidierung und zu Ausgabenkürzungen übergegangen.
3 Jun 2014
## LINKS
[1] http://www.ilo.org/global/lang--en/index.htm
## TAGS
Sozialleistungen
ILO
Europa
Arbeitslosigkeit
Löhne
Hochschule
Taxifahrer
Mindestlohn
Portugal
Griechenland
Brüssel
Portugal
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ökonomie-Studenten rebellieren: Raus aus der Theorieblase
Wirtschaftsstudenten aus aller Welt fordern eine Reform ihrer
Studieninhalte. Sie wollen, dass die Lehre politischer wird. Das passt
nicht allen.
Mindestlohn im Taxigewerbe: Schnell noch ein Tarifvertrag
Taxiunternehmer kündigen ihren Fahrern wegen des kommenden Mindestlohns.
Gemeinsam mit Ver.di sucht die Branche nun eine Zwischenlösung.
Kommentar Mindestlohn für Praktikanten: Bornierte Sozialdemokraten
Arbeitsministerin Andrea Nahles fehlt das Verständnis für
Patchwork-Biografien. Damit ist sie in der SPD bei weitem nicht allein.
Krise in Portugal: Sparpläne verfassungswidrig
Das portugiesische Verfassungsgericht kippt Sparpläne der konservativen
Regierung. Kürzungen des Arbeitslosengelds und der Witwenrente lehnte das
Gericht ab.
Griechenland zurück am Kapitalmarkt: Staatsanleihen und Staatskritik
Athen gibt erstmals seit fünf Jahren wieder Staatsanleihen aus. Die
Bevölkerung interessiert das weniger. Sie geht wegen der Sparmaßnahmen auf
die Straße.
Gewerkschaftsdemos in Brüssel: Zehntausende gegen Sparpolitik
Mehr als 26 Millionen Menschen in der EU sind ohne Arbeit. Dagegen
demonstrierten in Brüssel Gewerkschafter aus mehreren Ländern. Es kam zu
Ausschreitungen.
Proteste in Portugal: Tausende gegen Sparmaßnahmen
Lohnkürzungen im Öffentlichen Dienst, Rentenkürzungen und Einschnitte im
Gesundheits- und Bildungswesen – die Troika war mal wieder in Portugal. Der
Protest folgt sofort.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.