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# taz.de -- Auf 13 Joints mit Helmut Höge: „Arbeit würde ich es nicht nenne…
> Helmut Höge ist taz-Autor, taz-Hausmeister und Tierforscher. Wir treffen
> uns mit ihm auf 13 Joints, oder so. Teil 8: Berufsperspektiven.
Bild: Fleißig wie eine Biene? Lieber ein bisschen Zeit verdödeln, empfiehlt G…
Das Besetzersofa ist besetzt.
Gegenüber vom taz-Treppenhaus, Stockwerk fünfeinhalb, liegt die grüne
Dachterasse. Der Rasensprenger sprinkelt eine Kurve über das Gras. Schon
eine Stunde lang, seit Helmut Höge ihn angestellt hat. Hat das Gras nicht
irgendwann genug?
Helmut Höge kommt über die Dachterasse, etwas zu spät. Wie immer sieht er
aus, Anzug, weißes Haar, in der Hand ein Buch. Er stellt den Rasensprenger
ab und räumt ihn weg. Jetzt sind auch die Sofas im Treppenhaus frei.
Er setzt sich auf das abgewetztere der beiden. Wie immer baut er seine
dicke Tüte, mit geübter Dreiblatt-Technik und hellbraunem Hasch.
Hattest du mal einen Berufswunsch, Helmut? Nie. Nur so rumgedödelt, von
Anfang an. Ganze Jahre verdödelt, in der Disko, das kam damals gerade auf.
Seine Eltern waren beide Künstler, der Vater Kunstdozent, Beamter also. Die
haben ihn einfach machen lassen und ihn immer rausgehauen, wenn er mal
wieder Schulden hatte.
Helmut Höge ist schon lange bei der taz, schon fast von Anfang an. Sie ist
eine der Stationen seines bewegten Berufslebens. Was er hier macht, lässt
sich kaum in einen Begriff fassen.
Autor, Aushilfshausmeister, Gelegenheitsimker, Gärtner, Beauftragter für
Schülerpraktikanten. Und Experte - unter anderem für Glühbirnen,
Straßenpoller und die Mongolei.
Ein kurzer Zug am Joint, eine kurze Denkpause. Kein Wunder, dass er nicht
wirklich was werden wollte, sagt Helmut Höge. Seine Lehrer waren alles
Nazis, Anfang der fünfziger Jahre. Der Sportlehrer ein ehemaliger
SS-Boxlehrer. Die haben ihm jedes Fach ausgetrieben, er fand alles scheiße,
außer Biologie so ein bisschen. Erst später, beim Flugblätterverteilen an
der Uni, sah er dann die interessanten Seminarankündigungen. „Dann habe ich
einfach angefangen zu studieren“, sagt er, „und eigentlich auch nicht
wieder aufgehört.“
Ohne Studienabschluss und später auch ohne immatrikuliert zu sein, hat er
an mehreren Universitäten als Tutor unterrichtet, in ganz unterschiedlichen
Fachbereichen, von Sozialwissenschaften bis Englisch. Irgendwann wollte er
was mit den Händen machen und arbeitete bei verschiedenen Bauern.
Bis dahin hatte ihm sein Vater jeden Monat 300 Mark überwiesen. Das mit der
Landwirtschaft fand der dann ganz prima, damit sein Sohn den Arbeitern und
Bauern gegenüber nicht eingebildet wird. Das passiert ja leicht, sagt
Helmut Höge. Kann man ja jeden Tag bei den Moderatoren im Fernsehen sehen,
nachmittags in den Talkshows. Und dabei ist Bauer sein das, was einen am
meisten fordert, geistig und körperlich.
Dennoch kehrte Helmut Höge immer wieder zum Schreiben zurück und zur
halbintellektuellen Szene der Künstler und Journalisten. Aber manchmal wird
ihm das auch zu viel. So wie um die Wendezeit, als er die taz für zwei
Jahre verließ.
Er ging aus Protest, zusammen mit mehreren anderen, gegen die Entlassung
zweier Redakteurinnen. Die hatten sich hinter einen Autor gestellt, der
eine Disko als „gaskammervoll“ beschrieben hatte.
Jedenfalls ging's daraufhin wieder aufs Land, diesmal in eine LPG zum
Arbeiten.
Beim Rauchen geht es nahtlos weiter. Helmut drückt den Joint aus und greift
im Zurückgleiten der Hand wieder zum gelben Tabakbeutel. Diesmal dreht er
sich eine Zigarette, filterlos.
„Arbeiten“ würde er das nie nennen, was er macht. „Da würde ich ein
schlechtes Gewissen haben, wenn ich irgendwelche Arbeiter oder Müllmänner
mir anschaue.“ Unglaublich, wie die schuften. Oder die privaten
Postdienstleister. Als wären die auf Bewährung draußen, strengen sich total
an.
Das Gespräch beruhigt mich. Ich bin ja selbst gerade am Anfang meines
Berufslebens und weiß nicht so recht wohin mit mir. Menschen wie Helmut
Höge, Künstler und Lebenskünstler, sind für mich Vorbilder. Wieso soll ich
mir Sorgen machen? Es klappt doch irgendwie. Man kann doch machen, was man
will; wenn man kreativ ist und Initiative zeigt, kann man damit sogar Geld
verdienen! Schau dir Helmut Höge an! Sitzt hier mit seinen 66 Jahren,
erzählt und kifft. Schön, diese Unbeschwertheit. Könnte aber auch an den
süßlichen Rauchwölkchen liegen, die sich langsam verziehen.
Helmut Höge hat selbst keine Kinder. Von Müttern und Vätern kriegt er aber
mit, wie sie sich Sorgen machen um ihre Teenager. Vor allem die Jungs.
Verpeilt, verluscht, verkifft. Haben nur Party, Club und so was im Kopf.
Seine Freundin hat einen 19-jährigen Sohn. Wenn sie klagt, dass der gar
nichts macht, sagt Helmut: Ja, das kann zehn Jahre dauern, diese
Rumhängphase. Mit dem Sohn redet er aber nicht darüber, da will er sich
nicht einmischen.
Manchmal hat Helmut Höge ein oder zwei Wochen lang Schülerpraktikanten. So
verschüchterte Mädchen, neunte Klasse. Mit denen geht er dann auf
Recherche, im neuen Tierheim zum Beispiel.
Meine Hand, die das Diktiergerät hält, wird langsam schwer. Helmut Höge
findet es waghalsig, die Zukunftsplanung der Kinder an Voraussagen
auszurichten, die auf ein paar Statistiken basieren. Also deduktiv vom
ganzen globalen System auf die ferne Zukunft der Kinder zu schließen. „Ein
paar geopolitische und -ökonomische Verschiebungen stoßen schon wieder
alles um.“
Also gar nicht planen? Viele Leute stecken in Berufen fest, die ihnen gar
keinen Spaß machen, sagt Helmut Höge. „Und je mehr man bezahlt bekommt,
desto mehr ist man festgelegt.“ Dann schon lieber ein bisschen Zeit
verdödeln und sich finanziell beschränken.
Wie stehen Sie der Zukunft gegenüber? Ihrer, der ihrer Kinder, der von
Deutschland? Steht uns Vollbeschäftigung bevor? Oder ist das vielleicht nur
eine schöne Illusion, um die Menschen hoffnungsvoll und das System am
Laufen zu halten? Die Titelgeschichte „Spiel des Lebens“, in denen ein
Vater die Zukunftsperspektiven seiner Kinder abwägt, lesen Sie in der
taz.am wochenende vom 21./22. Juni 2014.
22 Jun 2014
## AUTOREN
Ruth Asan
## TAGS
Auf 13 Joints mit Helmut Höge
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