# taz.de -- Auf 13 Joints mit Helmut Höge: Fernsehen auf LSD | |
> Helmut Höge ist taz-Autor, taz-Hausmeister und Tierforscher. Wir treffen | |
> uns mit ihm auf 13 Joints, oder so. Diesmal: das Fernsehen. | |
Bild: Sehen Sie den zweiten Mann in der dritten Reihe mit dem komischen Schlips? | |
Wenn man auf einem der beiden Sofas sitzt, die auch nach jahrelangem | |
Nebeneinanderstehen nicht so recht zueinander passen wollen, kann man durch | |
die offene Tür zur Dachterrasse die bunten Buchstaben am Axel-Springer-Haus | |
aufblinken sehen. Und hören, wer gerade durch das alte Treppenhaus in den | |
fünfeinhalbten Stock hinaufsteigt. Helmut Höges Schritte klingen so: | |
Tripp-trapp, tripp-trapp. Viervierteltakt, allegro, ma non troppo. | |
Helmut ist ein bisschen zu spät und nicht allein. Der scheidende | |
tazzwei-Ressortleiter, Schwerpunkt Medien, im Folgenden der Einfachheit | |
halber D. genannt, viervierteltaktet hinter ihm her. „Und Kollegin M. kommt | |
gleich auch noch“, sagt Helmut. | |
So viel Interesse, nur weil wir heute übers Fernsehen reden wollen? Ja, | |
sagt D. Vom Joint zieht er später dann trotzdem. Also von beiden. | |
Aber erstmal schließt Helmut die Tür zum Dach und sperrt die bunten | |
Buchstaben aus, um in Ruhe mit dem Tabak und anderen Dingen zu hantieren. | |
Währenddessen fragt D., ob meine Brille neu ist. Nur das Gesicht dahinter, | |
sagt Helmut und leckt von links nach rechts über das Blättchen, - „für eine | |
neue Brille hat es dann nicht mehr gereicht.“ Gelächter. | |
Um Humor soll es heute übrigens auch gehen. Genauer: Um Politsatire im | |
deutschen Fernsehen. | |
Wobei Helmut Höge, taz-Autor und Aushilfshausmeister, vermutlich eher so | |
einer ist, der gar keinen Fernseher hat und nur Tierfilme auf Youtube | |
guckt. „Nicht ganz falsch“, sagt er. Er hat noch nie im Leben einen | |
Fernseher gehabt, aber alle seine Freundinnen. | |
Und was schaut er sich da so an, bei seiner Freundin? Eigentlich nur Dokus, | |
sagt Helmut, am liebsten über Tiere. Ab und zu auch mal „diese Sendung | |
morgens aus den Tiergärten“. Panda, Gorilla und Co. Weil er es gut findet, | |
wenn mal die Tierpfleger reden und nicht nur die Kuratoren. „Und die sind | |
erstaunlich kenntnisreich.“ | |
Helmut macht jetzt auch einmal im Monat einen Abend in einer Kneipe, wo er | |
Tierdokus zeigt, die ersten beiden werden sowjetische Filme sein. Zum | |
Beispiel über einen Amphibienforscher in Wien, der am Ende Selbstmord | |
macht. | |
## „Ich lege keinen Wert auf Unterhaltung“ | |
Kollegin M. war zwischendurch auch mal kurz da, ist aber schon wieder weg. | |
Genauso wie der erste Joint und mein Interesse an Politsatire. Tiere sind | |
ja auch wirklich so viel lustiger! Zum Beispiel bestimmte Esel, die so | |
Riesenohren haben und schönes Fell, findet Helmut. Auch Erdmännchen. Und | |
sogar Mikroorganismen. Aber eigentlich geht es ihm beim Fernsehen mehr ums | |
Lernen, sagt er und schiebt einen Satz hinterher, der so gut ist, dass er | |
sich metaebenenmäßig in meinem Kopf aufschichtet: „Ich lege keinen Wert auf | |
Unterhaltung.“ | |
Wumms. | |
Aber Lernen und Unterhaltung, geht das nicht gleichzeitig? Zum Beispiel in | |
der „heute-show“, von der einige meinen, dass sie bildungsfernes Publikum | |
politisiert. Helmut hat die Sendung nur einmal gesehen, mochte sie aber | |
ganz gerne. Weil sich die Politiker sowieso zu ernst nehmen und er es gut | |
findet, wenn das karikiert wird. | |
Dieser Zwang, witzig zu sein, sei allerdings auch anstrengend. Wie damals, | |
als er mit Wladimir Kaminer bei der Reformbühne in der Ackerstraße war, und | |
dann machte das Kaffee Burger auf und sie haben die Reformbühne dorthin | |
verlegt. Und alles hat sich verändert. Vorher war es nämlich so, dass sie | |
kleine Alltagsbeobachtungen in Prosa verpackt haben, aber dann kamen immer | |
mehr Touristen und es lief immer mehr auf Lacher pro Minute hinaus. Dann | |
haben sie irgendwann aufgehört, weil ihnen nicht nach Witz zu Mute war. | |
„Allein der Gedanke: Es ist Sonntag, es geht dir total mies und du sollst | |
dir jetzt drei wahnsinnig komische Texte ausdenken“, sagt Helmut und reicht | |
den zweiten Joint rüber, „das fand ich schrecklich.“ | |
## Titty-Tainment und Neoliberalismus | |
Zum Glück reißt D. dann die Rolle des Interviewenden an sich, denn ich kann | |
nicht mehr wirklich reden, aber denken dafür ziemlich gut. Als ich wieder | |
einsteige, sprechen die anderen gerade über Titty-Tainment und | |
Neoliberalismus. Auch Helmuts Praktikant Stefan ist jetzt da. Es wird eng. | |
Worüber sich irgendwie alle einig sind, ist, dass der Alarmismus in der | |
Politik nervt. Immer ist es fünf vor 12, sagt Helmut, und in der nächsten | |
Woche wieder. Wenn Politiker ein Thema haben, halten sie das für das | |
Wichtigste überhaupt. Die Abschaffung der Gesamtschule. Oder das Gegenteil. | |
Und wenn das jetzt nicht passiert, sind ganze Generationen von Kindern | |
verloren. Gut, dass die „heute-show“ da die Luft rauslässt. | |
Es kritisieren aber auch viele, dass Politik in solchen Formaten nicht | |
ernst genug genommen wird. Ja, zum Beispiel die Politiker, sagt Helmut. | |
Anspruchsvoll bei Humor sei er sowieso eher nicht. Neulich war er bei Otto, | |
der hat ihm gut gefallen. Also die Show, nicht seine Filme. „Die sind ja so | |
wie Einohrmaus oder -hase.“ | |
- Zweiohrhase. | |
- Ja, Zweiohrhase. | |
- Zweiohrküken. Quatsch, Keinohrhase. | |
- Sowas wie Einohrhase gefällt mir jedenfalls nicht, sagt Helmut. | |
Keinproblembär wäre auch ein guter Titel, denke ich, und dass ich das Til | |
Schweiger mal vorschlagen muss. Aber dann reden wir doch lieber nochmal | |
über echte Tierfilme. Auf dem Discovery Channel, den Helmut mal per Zufall | |
reinbekommen hat. Mehrmals am Tag liefen da Haifilme, „diese Amis, die | |
haben doch den Arsch offen.“ Es ging nämlich immer nur um Mutproben, gar | |
nicht um die Tiere. Der eine Typ hatte so ein Kettenhemd an, wie die Ritter | |
früher, sagt Helmut, aber natürlich mit Hai-Tech. | |
Moment. | |
Ich schaue auf die Buchstaben, die auf meinem Block verschwimmen. Als mir | |
Minuten später klar wird, dass Hai-Tech eigentlich High-Tech geschrieben | |
wird, muss ich kichern, aber mehr so innerlich. Helmut erzählt, dass er | |
sich zur Erholung von den grauenhaften Haifilmen dann Unterwasserfilme von | |
Jacques Cousteau angucken musste. Früher, wenn er durch Frankreich fuhr im | |
Sommer, hatten die in den Kneipen oben rechts einen Fernseher, das war wie | |
in Deutschland beim Fußball schauen. Nur eben: Cousteau. | |
„Aber ich schweife ab“, sagt Helmut, und er sagt es nicht das erste Mal an | |
diesem Abend, denn unser eigentliches Thema scheint nur der Angelpunkt des | |
Karussells zu sein, auf dessen galoppierenden Pferdchen es viel lustiger | |
ist. | |
## Den Anschluss verlieren | |
Lange Zeit hat Helmut auch auf LSD ferngesehen. Das kriegt dann nochmal | |
einen anderen Dreh, wie bei einer Satiresendung. Und das Programm ist | |
akzeptabler, man holt viel mehr raus, oder bildet es sich zumindest ein. | |
Dann achtet man plötzlich auf den zweiten Mann in der dritten Reihe, was | |
der für einen komischen Schlips hat. | |
Und verliert schnell den Anschluss, oder? Ja, das macht doch aber nichts, | |
sagt Helmut. | |
Damals ist ihm und seiner Freundin auch immer mal wieder ein Fernseher | |
kaputt gegangen. Und sie haben jedes Mal einen neuen gekauft, für nen Hunni | |
oder so. Gleich schräg gegenüber am Görlitzer Bahnhof, da war so ein Laden | |
für gebrauchte Geräte. Den neuen haben sie dann einfach auf den alten | |
gestellt, bis irgendwann am Fußende vom Bett vier Dinger aufeinander waren. | |
Ein Fernsehstapel. | |
Oder: Ein Fernsehturm. | |
Helmuts Praktikant Stefan erzählt dann noch die Geschichte, wie er vor | |
Jahren versucht hat, seinen Fernseher abzumelden, weil er kaputt gegangen | |
ist. Die GEZ hat ihn per Brief gefragt, wie das passiert sei. Sie wollte es | |
genauer wissen. Stefan schrieb dann fünf Seiten über den langsamen Abschied | |
vom Fernsehen, wie das Gerät geblinkt hat und komisch gerochen, über | |
Verlust und Trauererscheinungen. | |
Eine Antwort hat er nie bekommen, aber das mit der Abmeldung hat dann | |
endlich geklappt. | |
Und was gucken Sie so im Fernsehen? Finden Sie die „heute-show“ sehenswert? | |
Über was können Sie lachen? Diskutieren Sie mit! Die Titelgeschichte „Humor | |
ist ein schwieriges Thema“ über Politsatire im deutschen Fernsehen lesen | |
Sie in der taz.am wochenende vom 22./23. März 2014. | |
23 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Franziska Seyboldt | |
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