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# taz.de -- Auf 13 Joints mit Helmut Höge: „Ideologischer Kack“ ins Nichts
> Helmut Höge ist taz-Autor, taz-Hausmeister und Tierforscher. Wir treffen
> uns mit ihm auf 13 Joints – oder so. Diesmal: Extremismus und Dschihad.
Bild: Wir verlieren uns dann in weiteren lustigen Fällen...
Ich komme in den fünften Stock des taz-Gebäudes. Helmut sitzt schon auf dem
Sofa. Ach ja. Die Sofas sind wieder da. Eins war ja mal so ein bisschen
abgebrannt gewesen. Das linke ist sehr edel, etwas altmodisch, neu bezogen,
aber ungemütlich. Die Sitzfläche ist so kurz, dass man Angst hat, man
rutscht runter wenn man zu entspannt sitzt. Das zweite: moderner Stil, die
eher gemütliche Variante, zum fläzen.
Ich sitze auf dem edlen, Helmut auf dem gemütlichen. Es ist dunkel draußen,
Herbst eben. Aber es ist auch dunkel im Flur. Die Glühbirne ist kaputt.
Wir wollen heute über Extremismus, den IS, den Dschihad und Terrorismus
sprechen. Helmut bietet mir erstmal einen Schokoladenbonbon an,
Kinder-Schokolade.
Die bekannte Drehmethode kommt auch heute zum Einsatz. Helmut zieht vier
Blättchen aus dem Tabakbeutel, doch er hält inne: „Wo ist denn das
Haschisch verdammt?!“ Er hat es unten vergessen.
„Terrorgruppen also“, sagt Helmut und zerbröselt dabei das Hasch. Ich
schreibe jedes Wort mit, weil ich Angst habe etwas zu vergessen. Bevor der
Joint überhaupt gebaut ist, ist Helmut schon bei indischen Terrorgruppen
und den ukrainischen Separatisten. Terrorist, das ist so ein emotionaler
Begriff, sagt er. Die Staaten hätten ja auch recht unterschiedliche
Toleranzen, wann wer Terrorist ist. In Amerika werden ja schon
Demonstranten als potentielle Terroristen gehandelt.
Man stellt schnell fest: Helmut geht das Gespräch eher assoziativ und
etymologisch an. Wir mäandern durch die Begriffe. Terror und Gewalt.
## Meist passt es dann doch irgendwie
„Noch vor der RAF hieß es ja schon. High sein, frei sein, Terror muss dabei
sein“, sagt Helmut und zündet den Joint an. Innerhalb von zwei Minuten sind
wir in den 60ern gelandet. Graffiti sprühen und ein bisschen klauen, viel
mehr war das noch nicht. Aber die Autoritäten, die Polizei, die Lehrer und
der Staat, die fühlten sich terrorisiert, sagt Helmut. Damals war das
natürlich Gewalt gegen Sachen, aber die Eigentümer empfanden das schon als
Terror.
Ich frage mich, ob ich auch 68er geworden wäre. So mit Sit-in und Steine in
Geschäfte schmeißen. Helmut spricht derweil über die Kulturrevolution in
China. Das war dann schon richtig extrem, sagt er.
Wie war das denn so?
Helmut erklärt also die Kulturrevolution: die damaligen Konflikte in der
chinesischen Gesellschaft, wie die in China immer besonders arrogant
auftretenden Intellektuellen aufs Land geschickt wurden: mit den Bauern
essen, mit den Bauern arbeiten, mit den Bauern diskutieren. Und wie das
dann auch brutal wurde, und terroristisch.
Wenn Helmut erzählt, hüpft er von einem zum anderen Punkt, gleitet dabei
durch die verschiedensten Themen. Man fährt mit ihm keine gerade Straße
lang im Gespräch, eher serpentinenartig im mittleren Gebirge auf und ab und
weiß auch nicht wie weit das Ziel entfernt liegt. Er wirkt dabei extrem
gelassen und kommt dann doch immer wieder zurück. „Ich weiß nicht, ob das
jetzt noch so zu deiner Frage passt“, sagt er oft. Meist passt es dann doch
irgendwie.
## Meine Beine werden schwer
Und während mir das auffällt, sind wir auch wieder bei den deutschen 60ern
gelandet.Wie die 68er-Studentenbewegung in den Reformuniversitäten
aufgegangen ist. „Das hat der Studentenbewegung den Wind aus den Segeln
genommen. Sie haben für eine andere Uni gekämpft, und wurden dann an den
anderen Unis eben auch Profs.“
Helmut reizte das auch und er ging nach Bremen an die Uni, zum Studieren.
„Das war ein tolles Klima, sehr gedankenvoll eingerichtet“, sagt er und ich
frage mich wie etwas gedankenvoll eingerichtet wird, während meine Beine
schwer werden und das Sofa ungemütlicher. Ich bleibe aber aufrecht, ich hab
Angst runter zu rutschen.
Helmut sagt dann irgendwann, als er über die damaligen Schlägereien in der
Kantine irgendwelcher Kapitäne, die wegen einer Lebenskrise an die Uni
gegangen sind, „Aber das führt jetzt zu weit“. Er spricht trotzdem weiter.
## „Nee, auf deutsch“
Ist ja auch interessant. Wie er dann nach Bremen in Oldenburg Englischtutor
wurde. Und wie in seinen Kursen ältere Damen waren, Eigenheim, verheiratet,
Kinder haben das Haus verlassen, gelangweilt. Wir haben dann gar kein
englisch gemacht sagt Helmut, sondern über ihre Probleme gesprochen.
„In Englisch?“, frage ich. „Nee“, sagt Helmut, „auf deutsch.“
Der erste Joint ist aus. Helmut wechselt zu filterlosen Zigaretten. Ich
würde auch gerne rauchen. Verkneif es mir aber. Ich habe eigentlich
aufgehört.
Helmut besorgt vor allem, dass Menschen die in Armut leben leicht
ansprechbar sind für Terrorismus. „Und es gibt eben unglaublich viel Armut
und Langeweile.“
„Mauerstützen nennen sich junge Menschen in Ägypten“, sagt Helmut. Weil d…
da eben nur an der Mauer lehnen. Die stehen an der Ecke, kratzen sich am
Sack, sind arm und haben keine Perspektive. „Dafür muss man auch gar kein
Moslem sein, in Indien sind die Nationalhinduisten auch krass drauf.“
Überhaupt Indien.
## Einmal umgeblättert, schon wieder Indien
Ich passe kurz nicht auf, weil ich meinen Notizblock umblättern muss. Als
ich wieder da bin spricht Helmut über den Terror von oben. Von der
Neoliberalisierung in Indien, den Freihandelsabkommen und horrenden Mieten
in Moskau.
Helmut hat mal eine Weile Verhandlungen in Jugendgerichten beobachtet. Das
ist er einfach hingegangen. Als Journalist. Da gab es mal ein paar rechte,
die eine ganze Gruppe Zigarettenverkäufer aus Fidschi zusammen geschlagen
haben. Aber die haben alle nur geringe Bewährungsstrafen bekommen, sagt
Helmut, weil die waren abgehängt von der Gesellschaft. Und doof. „Die
konnten gar keine intelligenten Verbrechen begehen“, meint er.
Wir verlieren uns dann in weiteren lustigen Fällen vom Jugendgericht.
Unabhängigkeitsbewegung auf Korsika. Und dann auch: Wie in Indien Dörfer
mehr Unabhängigkeit erhalten haben, und wie in Deutschland Dörfer immer
mehr Unabhängigkeit verlieren. Hindofaschismus. Mike Davis' Buch, in dem er
der Geschichte der Autobombe nachgeht.
## Mittlerweile ist der Mund trocken
Zwischen den Themenblöcken nippt Helmut immer an seinem Schwarztee mit
Milch. Und ich denke, dass ich gerne mit Helmut den Platz tauschen würde.
Rüber aufs gemütliche Sofa.
Und irgendwie landen wir dann tatsächlich wieder beim IS. Helmut findet das
ganze recht schwer zu durchblicken. Wer hat die IS in den vergangenen
Jahren aus welchen Gründen unterstützt? Woher kommen die Waffen, das Geld?
„Im Orient ist das alles von hier aus so unglaublich undurchsichtig“, sagt
er. Man müsse da schon viel lesen und das fing ja schon mit T.E. Lawrence
an. Der war ein britischer Offizier und Geheimagent und daran beteiligt,
die arabischen Aufstände gegen das Osmanische Reich zu forcieren.
Kompliziert also.
Mein Mund ist mittlerweile ganz trocken und das Sofa wird immer härter. Ich
hole daher mal schnell Wasser. Helmut dreht den zweiten Joint.
## „Das ist eben nicht alles Beton“
Ob Helmut schon mal was mit Gewalt erreicht hat? „Nee, nicht dass ich
wüsste.“ Aber hier in Deutschland hat man ja auch recht gute Chancen etwas
ohne Gewalt zu erreichen. Basisdemokratie und so. Ab und zu wird auch mal
auf eine soziale Bewegung gehört. Atomausstieg und Tempelhofer Feld zum
Beispiel. „Das ist eben nicht alles Beton“, sagt er.
Im nahen Osten gab es nach der Befreiung von den Kolonialherren auch eine
unglaubliche Euphorie, sagt Helmut. Aber das ließ dann wieder nach. Das ist
jetzt alles wieder Beton, sagt er. Und dann denken vielleicht einige da
muss jetzt was Radikales passieren.
Aber IS hat ja nichts Befreiendes sage ich, die wollen ja nicht einen
emanzipatorischen Staat aufbauen. Ja, aber mehr kann man auch nicht mit
Terror erreichen, meint Helmut, insgesamt sei das doch ein recht
„ideologischer Kack“, der im Nichts endet.
Nach dem Joint dreht sich Helmut wieder direkt eine Zigarette. Ob ich auch
mal eine haben kann, frage ich und er bietet mir seine an. Ich soll ihm
dafür mal die Uhrzeit sagen. „Was? Eineinhalb Stunden gequatscht. Kam mir
kürzer vor“, sagt Helmut. Mehr komme jetzt nicht aus ihm raus zu dem Thema.
1 Nov 2014
## AUTOREN
Paddy Bauer
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