# taz.de -- Auf 13 Joints mit Helmut Höge: Er raucht nur, wenn er arbeitet | |
> Helmut Höge ist taz-Autor, taz-Hausmeister und Universalgelehrter. Wir | |
> treffen uns mit ihm auf 13 Joints – oder so. Teil 12: Cannabis. | |
Bild: Wenn es legalisiert werde, sei Gras nicht mehr subversiv, findet Helmut. | |
Erst sind nur Schritte zu hören, dann ein Husten, kratzig und rau. Helmut | |
kommt das Treppenhaus hoch und um die Ecke gebogen. Er trägt einen grauen | |
Anzug, eine graue Anzughose, darunter ein dunkelblaues Hemd, einen | |
Ledergürtel mit goldener Schnalle. Unter seinem Arm klemmt wie immer ein | |
Buch. | |
Die Putzfrauen, erzählt er, als er sich auf die Couch gegenüber setzt, | |
haben sein Gras weggeworfen. Helmut hat es auf seinem Tisch im Büro liegen | |
lassen. „Die dachten wohl, das seien Salatreste.“ Er hat aber etwas | |
Frisches geerntet. Und zum Trocknen in die Mikrowelle getan. „Das müsste | |
jetzt gut sein.“ | |
Auf dem Gebiet des Cannabis-Konsums, müsste man denken, gibt es niemanden | |
in diesem Haus, der einem mehr erzählen könnte als Helmut Höge: Wenn man | |
seinen Namen googelt, erscheint als erstes Suchergebnis ein Bild von ihm | |
mit einem dicken Joint in der Hand, einem Ding, wie er es jetzt dreht: vier | |
Zigarettenpapiere, liebevoll aneinander geklebt, ein riesiges Teil, das | |
einem schon beim Anblick Ehrfurcht abverlangt. Immer wieder sitzt er im | |
sechsten Stock auf dem linken Sofa, Raucherbereich. | |
Während er raucht, liest er ein Buch oder die Süddeutsche Zeitung. „Lesen�… | |
sagt Höge, während er das Ende seines Joints anleckt, „lohnt sich immer | |
bekifft.“ Er mache sich dann wie wild Notizen, wobei er auch eingesteht, | |
dass diese am nächsten Tag oft nicht so brillant erschienen, wie noch in | |
dem Moment, als er sie machte. Manchmal etwas: „verstiegen“. Aber was das | |
Kiffen an sich angehe, sagt er auch – denn das will er klarstellen - habe | |
er einen einfachen Grundsatz: „Ich kiffe nur, wenn ich arbeite.“ | |
## Die cannabidoide Arbeitsethik | |
Das hält er anders als die meisten, die Gras rauchten. Höge zündet den | |
Joint an und reicht ihn zu mir rüber. „Es ist natürlich eine Frage, wie man | |
Arbeit definiert.“ Ich nicke. Ich weiß es in diesem Moment auch nicht genau | |
– wie man Arbeit definiert. | |
In der taz, erzählt er, habe in den Gründerzeiten fast die ganze Redaktion | |
Gras geraucht. Neunzig Prozent, Pi mal Daumen. Es gab den gewöhnlichen | |
Kiffer wie ihn, der in seinem Büro rauchte und auch das, was Höge den | |
Managerkiffer nennt, wie es einer der freigestellten Chefredakteure war. | |
Der lief immer von Büro zu Büro, überwachte den Arbeitsprozess, stimmte die | |
Kommunikation ab und sagte dann: „Lass mich mal eben ziehen.“ „Der war da… | |
wieder so schnell weg wie er dagewesen war“, sagt Höge. Er steht auf und | |
geht nach draußen, um abzuaschen. „Ich könnte das ja nicht. Ein bisschen | |
Konzentration muss auch sein.“ | |
Das erste und einzige Mal, dass Helmut wegen Gras mit der Polizei in | |
Konflikt geriet war kurz nachdem Willy Brandt das Transitabkommen zwischen | |
der BRD und der DDR unterzeichnete. Damals fuhr er mit ein paar Freunden | |
oft von Helmstedt in Niedersachsen nach Westberlin, es ging durch ein | |
kleines Stück DDR. „Die DDR-Grenzbeamten waren immer sehr nett“, sagt | |
Helmut, „die kontrollierten uns nur nach Waffen und Funkgeräten. Hatten wir | |
natürlich nicht dabei.“ | |
Als die DDR-Beamten zum ersten Mal das Haschisch auf der Fensterablage | |
sahen, fragten sie nur neugierig: „Was ist das?“ Helmut und seine Freunde | |
gaben ihnen ein Stück ab. Es gefiel. Beim nächsten Mal entdeckten sie die | |
Haschischpfeife. „Was ist das?“ Helmut und seine Freunde ließen die Beamten | |
mal ziehen. Gefiel auch. „Da entwickelte sich so eine Art Freundschaft.“ | |
Nur die Westbeamten fanden das nicht so lustig. Bei der ersten Kontrolle | |
nach dem Transitabkommen, „filzten die unseren Wagen von oben bis unten.“ | |
„1,5 Gramm. Ein ganz großes Theater und eine Anzeige.“ | |
## Working Class Hero wird zu Deutschland sucht den Superstar | |
Dass Cannabis legalisiert werden könne, darüber ist Helmut trotzdem nicht | |
begeistert. „Ich habe viele Leute gesehen, die abgestürzt sind, damals“, | |
sagt er. „Das mit der Einstiegsdroge, das ist schon nicht so ganz falsch.“ | |
Auch er habe, „experimentiert“ wolle er nicht sagen, aber mit LSD – | |
geschrieben. Andere, die probierten weiter, „Berliner Tinke“ sagt er, womit | |
ein Gemisch aus Heroin und Streckmitteln gemeint ist. „Da sind einige | |
abgeschmiert.“ | |
Ein Freund habe Helmut erst neulich von einem Jungen erzählt, der sei erst | |
zwanzig, wohne noch bei seiner Mutter, der nehme alles Mögliche. Seine | |
Mutter versuche ihm zu helfen, aber er sei fest überzeugt. „Sagt nur: Mama, | |
ich muss durch die künstliche Psychose durch.“ | |
Die Idee, dass der Staat den Vertrieb und Konsum reglementiere, findet | |
Helmut scheiße. Mit Gras werde dann genau das Gleiche passieren wie mit | |
allem anderen, was der Staat reguliere. „Musik, damals, die Rockmusik“, | |
sagt er, „die war verboten. Auch Porno. Das war was Subversives. Heute ist | |
es eine Industrie.“ Aus „Working Class Hero“ wurde „Deutschland sucht d… | |
Superstar“, aus dem Beat Club in Bremen VIVA und MTV. | |
„Gras wird mit der Entkriminalisierung auch entpolitisiert“, sagt Helmut. | |
Mittlerweile ist der Joint tot, Helmut hat sich eine Zigarette angesteckt. | |
„Wenn es legalisiert wird, wird es für viele nur noch heißen: wegdröhnen. | |
Man geht morgens zum Späti um die Ecke, im Idealfall, dröhnt sich zu Hause | |
zu, starrt aus dem Fenster, hört Musik.“ Höge blickt nach draußen auf die | |
Dachterrasse. „Naja“, sagt er dann, „eigentlich ist das ja auch irgendwie | |
subversiv.“ | |
## Unter Deutschen hat man Haschisch nötig | |
Während wir für einen Moment schweigen, Helmut, weil er nachdenkt, ich, | |
weil mir keine Frage mehr einfällt, ist draußen Gebrüll zu hören. Eine | |
aufgebrachte Menge läuft in loser Formation über die Rudi-Dutschke-Straße. | |
Blaue Sirenen sind zu sehen, sechs Polizeibusse fahren im Regen vorneweg. | |
Aus dem Geschrei kämpft sich eine ruhige, einfühlsame Frauenstimme, die | |
sagt: „Asyl ist ein Menschenrecht.“ „Das Bündnis für Bewegungsfreiheit�… | |
da draußen auf den Straßen, protestiert. | |
„Es gibt Wichtigeres, als über das Kiffen zu reden“, sagt Helmut | |
schließlich ziemlich nachdenklich. Dann zitiert er Nietzsche: „Wenn man | |
unter Deutschen lebt, hat man Haschisch nötig.“ | |
Das deutsche Denken, die Spießigkeit, dieser Untertanengeist, das könne man | |
sonst nur schwer aushalten, sagt Helmut. „Aber Nietzsche ist ja auch | |
schlussendlich verrückt geworden.“ | |
18 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Giacomo Maihofer | |
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