# taz.de -- Sachbuch über Drogen: Mit klarem Kopf | |
> Jugendrichter Andreas Müller fordert in seinem Buch vehement die | |
> Legalisierung von Cannabis. Das Gesetz mache aus Spaßkiffern Kriminelle. | |
Bild: Ist echt nicht so schlimm. | |
Jugendrichter Andreas Müller hat eine Mission. Cannabis muss legalisiert | |
werden, fordert er. Er ist ein glaubwürdiger und kompetenter Vertreter der | |
„legalize it-Bewegung“. Kiffen kriminalisiert die Leute, hat Müller in | |
seiner jahrzehntelangen Praxis an Gerichten in verschiedenen Bundesländern | |
erlebt – und nun reicht es ihm. Nachdem er mit einem Vorstoß beim | |
Bundesverfassungsgericht zur Legalisierung von Cannabis gescheitert ist, | |
hat er seine Argumente als sehr lesbares Buch herausgebracht. | |
Das Gesetz mache aus Spaßkiffern Kriminelle. Wenn sie Pech haben und | |
erwischt werden, kommen harmlose Gelegenheitsnutzer ins Gefängnis oder | |
werden vorbestraft, Erzieher und Lehrerinnen verlieren deswegen schon mal | |
ihren Job, ganze Familien werden stigmatisiert. Dabei hängt die Strafe von | |
Cannabisnutzern vom Bundesland ab, in dem sie geschnappt werden – was in | |
Baden-Württemberg gerichtlich bestraft wird, kann in Berlin als Bagatelle | |
abgetan werden. Das Verbot schadet also der Gesellschaft und dem Staat, | |
bindet unnötig Polizei, beschäftigt Gerichte und hält Menschen in keiner | |
Weise davon ab, zu kiffen. | |
Missionare können unangenehm erscheinen, und auch Müller nervt bisweilen, | |
wenn er wieder und wieder an seinen Bruder Jonas erinnert. Ein „Opfer der | |
Cannabiskriminalisierung“ sieht Müller in seinem Bruder, der „am 24. | |
November 2013 in Hamburg in Folge einer verfehlten Drogenpolitik starb“. | |
Müller spricht seinem Bruder damit die Verantwortung für die Gestaltung | |
seines eigenen Lebens ab und schiebt die Verantwortung für die Drogensucht | |
auf Vater Staat. | |
Leider verpasst Andreas Müller die Gelegenheit, auf die Ursachen für eine | |
Sucht nach Substanzen einzugehen oder sich damit zu beschäftigen, warum | |
Cannabis gerade für männliche Jugendliche so attraktiv ist. Der Vater der | |
beiden Müller-Jungs war Alkoholiker und hat sich „totgesoffen“ wie Andreas | |
Müller schreibt. Die Drogenleben von Vater und Bruder dienen ihm mehrfach | |
dazu, darauf hinzuweisen, dass er sich mit dem Thema Sucht auskennt. Und er | |
gibt freimütig zu, früher gekifft zu haben. | |
## Der pragmatische Jurist | |
Schade, dass ein so kundiger Kenner der Gesetzeslage und der Diskussion um | |
die Cannabisgefahren gezwungen ist, seinen persönlichen Gebrauch von | |
Genussmitteln auszubreiten, um sich als vertrauenswürdiger Verfechter der | |
Legalisierung zu positionieren. Man wünscht Müller viele Gelegenheiten, | |
sein missionarisches Wort unter die Leute zu bringen. | |
Da Müller sowohl Jurist als auch Pragmatiker ist, belegt er seine Forderung | |
nach einer schnellstmöglichen und umfassenden Legalisierung von Cannabis | |
für Erwachsene logisch und schlüssig. Die ewigen Gegner einer Legalisierung | |
von Haschisch und Marihuana werden auch in seinen Argumenten keine Anregung | |
finden, um neu zu denken. Aber die Ewiggestrigen, die „Sozialromantiker“, | |
wie Müller sie nennt, sind in der Diskussion um eine Legalisierung eh | |
verloren. | |
Dabei vertritt Jugendrichter Müller ganz entschieden, dass Jugendliche | |
selbstverständlich weiterhin vor Drogenmissbrauch geschützt werden müssen. | |
Besser noch als früher, besser aufgeklärt, damit sie gar nicht erst zum | |
Joint greifen. | |
„Meine Haltung hat niemals bedeutet, Cannabis für Jugendliche frei | |
zugänglich und in beliebigen Mengen konsumierbar zu machen“, schreibt | |
Müller in seiner Streitschrift. „Wer das behauptet, polemisiert auf | |
unerträgliche Weise gegen die Vernunftargumente der | |
Legalisierungsbefürworter, weil er selbst keine brauchbaren Gründe für | |
einen Fortbestand der Prohibition vorzubringen hat.“ | |
16 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Fokken | |
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