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# taz.de -- Kriminalisiertes Saatgut: Saatgutshopping weiter illegal
> Mediseed war der einzige Laden Deutschlands, in dem man legal
> Cannabissaat kaufen konnte. Nun wurde die Inhaberin wegen Drogenhandels
> verurteilt.
Bild: Dem Headshop geht‘s gut, aber in dem Laden rechts daneben werden jetzt …
Hamburg taz | Schlechte Zeiten für Homegrower: Der Verkauf von
Cannabissamen bleibt in Deutschland bis auf Weiteres strafbar. Das
bestätigte ein Urteil, das am Dienstag gegen die Inhaberin der
Mediseed-GmbH Nicky Wichmann ergangen ist. Sie wurde wegen des
erwerbsmäßigen Handelns mit Betäubungsmitteln zu 3.000 Euro Strafe
verurteilt.
Wichmann hatte im Juli 2013 auf einer kleinen Ladenfläche neben dem
Amsterdam Headshop auf der Reeperbahn, dessen Geschäftsführerin sie ist,
einen weiteren Laden eröffnet: Mediseed, den deutschlandweit ersten Shop
für Cannabissaat. KundInnen konnten zwischen 250 Sorten wählen und sich die
Päckchen mit jeweils drei bis 15 Samen direkt aus dem Automaten ziehen.
Kosten: 20 Euro pro Päckchen.
Zuvor war der Erwerb der Samen auf legalem Weg nur von ausländischen
Händlern über das Internet möglich gewesen. Aber das Saatgutshopping auf
dem Kiez wurde bereits nach elf Tagen beendet: Die Polizei stürmte den
Laden und beschlagnahmte die komplette Ware. Die Privatwohnung der
Wichmanns durchsuchte sie gleich mit.
Dabei ist die Rechtslage nicht ganz eindeutig. Das Problem besteht auf
EU-Ebene: In allen EU-Ländern außer Deutschland ist der Handel mit
Cannabissamen erlaubt. Das widerspricht eigentlich der in der EU geltenden
Handels- und Wettbewerbsfreiheit. Aber das deutsche Betäubungsmittelgesetz
(BTM) verbietet seit 1998 „Cannabis (Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile
der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanze), ausgenommen a) deren Samen,
sofern nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt“.
Das Problem: Es gibt in Deutschland keinen legalen Anbau von Cannabis –
auch nicht zu medizinischen Zwecken. PatientInnen, die Cannabis zur
Linderung schwerer Schmerzen oder zur Appetitanregung konsumieren, können
sich Marihuana nur auf Rezept in der Apotheke besorgen. Das ist allerdings
teuer.
Deshalb hatten im Juli 2014 fünf SchmerzpatientInnen beim Kölner
Verwaltungsgericht geklagt und Recht bekommen: Sie dürfen Cannabis unter
strengen Auflagen anbauen. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig.
Wenn es das wird, stellt sich immer noch die Frage, wie sie die Saat in
Deutschland legal besorgen sollen.
Es sei denn, durch den Fall von Nicky Wichmann ändert sich bis dahin etwas
an der Rechtsprechung. Sie und ihre AnwältInnen wollen einen Präzedenzfall
schaffen. Sie wollen Revision einlegen und letztlich bis vor das
Bundesverfassungsgericht ziehen.
„Es kann nicht sein, dass ich einen Nachteil gegenüber anderen Händlern in
der EU habe“, sagt Nicky Wichmann. „Du kannst Cannabissamen in Barcelona
auf dem Wochenmarkt kaufen und in alle möglichen Länder verschicken, auch
nach Deutschland. Aber von hier soll man das nicht dürfen?“ Wenn es schon
eine EU gebe, sollte man die Handels- und Wettbewerbsfreiheit auch ernst
nehmen, findet sie.
Der Hamburger Staatsanwaltschaft hingegen dürfte das gegen Wichmann
ergangene Urteil noch zu lasch sein – sie hatte eine Haftstrafe von einem
Jahr und drei Monaten gefordert. „Als wir das gehört haben, sind wir fast
vom Stuhl gefallen“, sagt Wichmanns Verteidiger Ernst Medecke. Er hält es
für völlig verfehlt, den Verkauf von Cannabissaat überhaupt unter Strafe zu
stellen.
„Erstens“, sagte er zur taz, „ist die Saat kein Betäubungsmittel.“
Tatsächlich ist die Menge des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) in den
Samen so gering, dass man sich daran nicht berauschen kann. „Zweites
bezieht sich der Straftatbestand ‚gewerbsmäßiger Handel‘ aufs Dealen“,
sagte er – und das treffe hier nicht zu.
Der Rechtsstreit geht weiter – wie die Verurteilte kündigte auch die
Gegenseite, also die Staatsanwaltschaft, an, Rechtsmittel zu prüfen und
gegebenenfalls Revision einzulegen.
Währenddessen läuft in Spanien ein anderes Verfahren wegen der gleichen
Sache: Die in Wichmanns Laden beschlagnahmte Saat war beim spanischen
Lieferanten noch nicht bezahlt. So hat die deutsche Polizei die Ware eines
spanischen Saatguthändlers unter Beschlag. Der Hersteller will seine Ware
zurück und geht nun rechtlich gegen den Zwischenhändler vor.
18 Nov 2015
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Cannabis
Legalisierung Marihuana
Anbau-Verbot
Saatgut
Betäubungsmittelgesetz
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Bayern
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