# taz.de -- Prozess gegen Verkäuferin von Hanfsaat: Vom Gesetz betäubt | |
> Ob das Handelsverbot von Cannabis-Samen mit der Verfassung vereinbar ist, | |
> kann ein Gericht in Hamburg kaum klären. Die Klägerin will zum | |
> Verfassungsgericht | |
Bild: Voll gesund: Hanfprotein in einer Reihe mit Superfood auf einer Ernährun… | |
HAMBURG taz | Dürfen Hanf-Samen verkauft werden, ohne dass der Verkäufer | |
garantieren kann, dass der Käufer ihn für den illegalen Cannabis-Anbau | |
nutzt? Um diese Frage dreht sich im Kern ein Verfahren vor dem Hamburger | |
Landgericht, dass am Dienstag begann, hier aber letztendlich nicht | |
entschieden wird. Denn die Verteidigung der Angeklagten, die 2013 in einem | |
eigens dafür eingerichteten Shop diese Samen verkaufte, hat bereits | |
angekündigt, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, sollte das | |
Landgericht diesem nicht selbst den Fall zur Beurteilung vorlegen. Auch die | |
Anrufung des Europäischen Gerichtshofes schließen die Rechtsanwälte nicht | |
aus. | |
2015 wurde die Einzelhandelskauffrau Veronique W. erstinstanzlich zu einer | |
Geldstrafe von 300 Tagessätzen verurteilt, weil sie in ihrem Laden | |
„Mediseed“ das besondere Saatgut verkaufte. Ohne Probleme hatte sie im | |
Handelsregister ihre Firma eintragen können mit dem Geschäftszweck „Handel | |
mit Cannabis-Samen in den Mitgliedsländern der Europäischen Union, | |
ausgenommen zum unerlaubten Anbau“. Unter großer Medienresonanz eröffnete | |
sie ihren Laden an der Reeperbahn im Hamburger Stadtteil St. Pauli und kam | |
nicht weit. Nach nur elf Verkaufstagen räumte die Polizei ihren Laden leer | |
und konfiszierte das Saatgut. Seitdem beschäftigt ihr „gewerbsmäßiger | |
Handel mit Betäubungsmitteln“ die Gerichte. | |
Der Fall ist kompliziert. Können Cannabis-Samen, die selbst den Wirkstoff | |
THC nur in homöopatischen Dosen enthalten und so als Rauschmittel nicht | |
taugen, trotzdem als Betäubungsmittel klassifiziert werden? Darf es also | |
illegale Betäubungsmittel geben, mit denen man sich überhaupt nicht | |
betäuben kann? | |
Erst 1998 wurde die Liste der verbotenen Substanzen im | |
Betäubungsmittelgesetz ergänzt um Cannabis-Samen, die für den „unerlaubten | |
Anbau bestimmt“ sind. Und da es zu diesem Zeitpunkt keinen erlaubten Anbau | |
gab, war der Handel mit Hanfsamen fortan faktisch illegal. Rechtsanwalt | |
Mathias Wagner hält diese Gesetzesregelung, auf der auch die | |
erstinstanzliche Verurteilung Veronique W.s beruht, für „rechts- und | |
verfassungswidrig“. | |
Sein Kollege Ernst Medecke argumentiert gar, das Cannabis-Verbot treibe | |
Konsumenten, die ihr Recht auf Rausch wahrnehmen wollen, zu | |
gesundheitsgefährdenderen legalen Drogen – sprich Alkohol. Das aber lasse | |
sich mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht vereinbaren. | |
Die Verteidigung der Angeklagten hat nun das Landgericht aufgefordert, das | |
Verfahren auszusetzen und den Fall dem Bundesverfassungsgericht und auch | |
dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, weil die deutsche Gesetzgebung | |
möglicherweise gegen EU-Recht verstoße. Denn der Handel mit Cannabis-Samen | |
sei in fast allen anderen EU-Ländern mit Einschränkungen erlaubt. Die | |
europäische Warenverkehrsfreiheit untersagt aber nationale | |
Handelshemmnisse. | |
So lieferte die spanische Firma „Trendshop Trading“ die Cannabis-Samen. Da | |
diese nach wenigen Tagen in der Aservatenkammer der Polizei landeten, | |
konnte W. zum einen die Rechnung nicht zahlen, aber die Ware auch nicht | |
wieder zurückschicken. Ein Gericht in Valencia verurteilte W. schließlich, | |
die nach spanischem Recht legal gehandelte Ware herauszugeben, doch die | |
45-jährige kann diesem Begehren nicht nachkommen. | |
Veronique W. hat ihren Laden zudem bewusst auf der Reeperbahn, der | |
„Drehscheibe des internationalen Tourismus eröffnet“, betont einer ihrer | |
Anwälte, vor dem Hintergrund, dass überall in Europa Cannabis-Samen frei | |
verfüg- und handelbar sind. Die Staatsanwaltschaft aber stützt ihre Anklage | |
darauf, dass W. es „billigend in Kauf genommen habe, dass ein Teil ihrer | |
Käufer einen illegalen Anbau betreibt. Die Anklage hat deshalb der | |
Aussetzung des Verfahrens widersprochen – das Gericht solle einfach nach | |
geltendem deutschen Recht urteilen. Ob es das tut, wird es am 6. Dezember | |
entscheiden. | |
28 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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