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# taz.de -- NSU-Untersuchungsausschuss Sachsen: Schuld waren nur die anderen
> Die Opposition gibt den Behörden eine Mitschuld. Die sächsische
> Regierungskoalition sieht sich durch den NSU-Untersuchungsausschuss
> entlastet.
Bild: Akten des NSU-Untersuchungsausschusses im Sächsischen Landtag.
HAMBURG taz | Mehr als ein Jahrzehnt lang versteckte sich das NSU-Trio vor
dem Zugriff der Sicherheitsbehörden unentdeckt in sächsischen Städten – wie
konnte das passieren? Dieser Frage ging seit 2012 ein
NSU-Untersuchungsausschuss im Dresdner Landtag nach. Nun liegt sein
Abschlussbericht vor. In einer gemeinsamen Stellungnahme, die der taz
vorliegt, kommen die Vertreter der schwarz-gelben Koalition zu dem
Ergebnis: Alles bestens, die sächsischen Behörden hätten keine gravierenden
Fehler gemacht. Daher seien „an der Sicherheitsstruktur im Freistaat
Sachsen keine Änderungen erforderlich“, folgern CDU- und FDP-Fraktion.
Das führt zu Irritationen bei der Opposition: „Ich habe den begründeten
Verdacht, dass dieses Ergebnis bei CDU und FDP von Anfang an feststand“,
sagte Kerstin Köditz, Vertreterin der Linksfraktion im
Untersuchungssauschuss, der taz. Im März 2012 hatten die Fraktionen von
Linkspartei, SPD und Grünen mit einem Dringlichkeitsantrag die Einsetzung
des Untersuchungsausschusses im Sächsischen Landtag erwirkt.
Gut zwei Jahre später kritisiert Miro Jennerjahn, Grünen-Vertreter im
Ausschuss: „Die Sächsische Staatsregierung will keinerlei eigene Fehler und
Versäumnisse eingestehen.“ Er erinnerte daran, dass Justizminister Jürgen
Martens (FDP) bereits von Beginn an die Ansicht vertrat, ein eigener
Ausschuss in Sachsen „verursache nur unnötig Aufwand“.
Der Abschlussbericht umfasst neben einer Zusammenfassung der Ergebnisse
drei Stellungnahmen der Landtagsfraktionen. CDU und FDP machen in ihrer
22-seitigen Einschätzung als Ursache der verheerenden Pannen bei der
Fahndung nach dem abgetauchten NSU-Trio vor allem eine Fehlerquelle aus:
die Behörden im Nachbarbundesland Thüringen.
Zahlreiche Zeugenbefragungen hätten ergeben, „dass die Mitarbeiter des
Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) sowie insbesondere die Mitarbeiter
des Landeskriminalamtes (LKA) des Freistaates Sachsen von ihren Kollegen
aus Thüringen nur sehr unvollständig bei der Durchführung verschiedener
Maßnahmen informiert wurden“. Die „Koordinierungsdefizite“ lägen an den
„Thüringer Kollegen“. Ihre Schlussfolgerung: Die „Schwachstellen“ bei …
gegenseitigen Information müssten abgestellt werden.
## Fehlende Eigeninitiative
Auf mehr als 273 Seiten widersprechen die Oppositionsfraktionen von
Linkspartei, SPD und Grünen dieser Einschätzung. Sie kritisieren das Fehlen
von Eigeninitiative der sächsischen Behörden bei den Ermittlungen über das
NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Schließlich lebten
die drei nach bisherigen Erkenntnissen von ihrem Untertauchen 1998 bis zu
ihrem Auffliegen 2011 ununterbrochen in Sachsen – zunächst in Chemnitz,
später in Zwickau.
Die Opposition zitiert Zeugenaussagen, denen zufolge sich der sächsische
Verfassungsschutz bei der Polizei in Thüringen nie nach deren Erkenntnissen
erkundigt habe. Außerdem habe das Landesamt für Verfassungsschutz die
Bedeutung von Netzwerken wie „Blood & Honour“ verkannt, die dem NSU-Trio
halfen – Wohnungen, Waffen und Geld beschafften. Schon 1999, heißt es in
ihrer Stellungnahme, hätten dem LfV verdichtete Hinweise ihrer
thüringischen Kollegen darauf vorgelegen, dass die drei „mit Hilfe
sächsischer Rechtsextremisten in dem Raum Chemnitz“ abtauchen konnten.
Die SPD hebt in einem Sondervotum hervor, dass der sächsische
Verfassungsschutz dringend stärker kontrolliert werden müsse. Von einer
„systematischen“ Fehleinschätzung sprechen die Grünen in ihrem ergänzend…
Votum. Die Linksfraktion wiederum weist darauf hin, dass dem
Verfassungsschutz auch staatliche Informationen zur Gefahr
rechtsterroristischer Aktionen vorgelegen hätten. Für die Abgeordnete
Kerstin Köditz steht fest: „Sächsische Behörden haben schwerwiegende Fehler
begangen.“ Es wäre frühzeitig möglich gewesen, das Trio zu stellen, sagt
sie – „und zwar in Sachsen“.
29 Jun 2014
## AUTOREN
Andreas Speit
## TAGS
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Untersuchungsausschuss
Sachsen
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Thüringen
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Beate Zschäpe
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Sachsen
NSU-Prozess
Verfassungsschutz
Hannah Arendt
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