| # taz.de -- Treffen von Reformern in der Linkspartei: Kabbeln mit Kipping | |
| > Die größte Reformergruppe in der Linkspartei ist im Dauerkonflikt mit | |
| > Parteichefin Kipping. Nun hat sie sich neu sortiert und setzt auf | |
| > Deeskalation. | |
| Bild: Bisherige Lieblingsgegnerin des FdS: Katja „Königin ohne Truppen“ Ki… | |
| BERLIN taz | Eigentlich sollte das Treffen des „Forums Demokratischer | |
| Sozialismus“ (FdS) in Berlin das ganze Wochenende dauern. Es stand ja viel | |
| auf dem Spiel. Im Vorfeld war von Selbstauflösung der Realoströmung die | |
| Rede gewesen. Doch die Genossen absolvierten ihr Krisentreffen zügig – und | |
| beendeten es schon Samstag. Neuer Sprecher ist, neben Luise | |
| Neuhaus-Wartenberg, Dominic Heilig (35). Gewählt mit 96 Prozent, als | |
| Nachfolger von Stefan Liebich. | |
| Das FdS ist der einflussreichste Flügel in der Linkspartei, ein | |
| Zusammenschluss der Pragmatiker im Osten. Die Strömung hat gut 800 | |
| Mitglieder, Tendenz steigend. Am Samstag ist auch Dietmar Bartsch, | |
| prominentester Ost-Genosse, dem FdS beigetreten. Also alles bestens? | |
| „Wir müssen“, so Heilig vorsichtig selbstkritisch, „unsere Attitüde | |
| ändern.“ Als Erstes will der eloquente Nachwuchspolitiker den anderen | |
| Flügeln ein Treffen anbieten, „um die Art des innerparteilichen Umgangs zu | |
| verbessern“. Das FdS habe „keinen Alleinvertretungsanspruch für die | |
| Reformer“, so Heilig. | |
| Es sind ausgewogene, rundgeschliffene Sätze. Sie klingen wie diplomatische | |
| Botschaften, um bloß nicht noch mehr Porzellan zu zertrümmern. Denn es gibt | |
| einen erbittert geführten innerparteilichen Konflikt. Einen Konflikt | |
| allerdings, den außerhalb der Strömungszirkel kaum jemand versteht. | |
| ## Lange Liste von Verletzungen | |
| In diesem Machtkampf bekriegen sich Parteichefin Katja Kipping und das FdS. | |
| Das für Außenstehende reichlich Verwirrende dabei: Politisch stehen sich | |
| Kippings „Dritter Weg“ und die Gruppe um Heilig & Bartsch eher nahe. Beide | |
| sind offen für Rot-Rot-Grün, wollen lieber konkrete Reformpolitik als | |
| sektenhaften Verbalradikalismus. | |
| Doch die Liste der gegenseitigen Verletzungen ist lang und wird von beiden | |
| Seiten akribisch geführt. Die FdS-Reformer haben Kipping nur schwer | |
| verziehen, dass sie vor zwei Jahren in Göttingen die Parteiführung übernahm | |
| – und nicht Dietmar Bartsch. Und: Der nun neu gewählte FdS-Sprecher Dominic | |
| Heilig scheiterte bei Europa- und Bundesparteitag in Stichwahlen an | |
| Vertretern des Fundiflügels. Vorwurf der Realos: Parteichefin Kipping hatte | |
| zugesichert, einen FdS-Vertreter als Vizeparteichef zu unterstützen. Wie | |
| verbindlich diese Absprache war, da gehen die Meinungen allerdings | |
| auseinander. Wie bei fast allem. | |
| Auch aus Kippings Umfeld klingen die Vorwürfe bitter: Die FdS-Realos | |
| pflegten tiefsitzende Aversionen gegen die Parteichefin. In Kneipenrunden | |
| werde hasserfüllt über sie hergezogen. Kipping sieht durch die Angriffe | |
| ihre Autorität bedroht. Das ist ein empfindlicher Punkt: Denn die | |
| Parteichefin hat jenseits des Landesverbands Sachsen und der kleinen | |
| Strömung „Emanzipatorische Linke“ kaum Bataillone. Das ist ein Kern dieses | |
| verschlungenen Konfliktes: Das FdS vertritt einen großen Teil des Ostens, | |
| ist in der Parteispitze aber kaum sichtbar. Kipping wiederum ist Königin | |
| ohne Truppen. | |
| ## „Keine machtpolitische Alternative“ | |
| Es ist ein Streit, in dem es nur Verlierer gibt. Die FdS-Reformer wirken | |
| mitunter wie eine beleidigte Truppe und ein abgeschotteter Club. Wenn es | |
| darauf ankommt, sind sie unfähig, den Osten hinter sich bringen. Beim | |
| Bundesparteitag waren zwei Drittel der Delegierten Ost-Genossen, trotzdem | |
| fiel Heilig als Parteivize durch. Katja Kipping, die Chefin ohne Hausmacht, | |
| wirkt überfordert. In einem Spiegel-Artikel wurde ihr unlängst fälschlich | |
| ein Papier angedichtet, in dem abfällig über FdS-nahe Politiker geurteilt | |
| wurde. Seitdem ist sie in der Defensive. | |
| Dass der Konflikt so eskalierte, hat auch politische Gründe. Rot-Rot-Grün | |
| ist fern wie nie. Dass SPD-Chef Sigmar Gabriel im Focus die Linkspartei mal | |
| wieder für regierungsunfähig erklärte, passt ins Bild. Die Ankündigung der | |
| SPD-Spitze, Rot-Rot-Grün 2013 formal nicht mehr auszuschließen, hat bislang | |
| wenig Annäherung bewirkt. | |
| Wie weiter? Thomas Falkner, früher einer der intellektuellen Köpfe des FdS | |
| und inzwischen ausgetreten, sieht den Ball im Feld der Ost-Pragmatiker. | |
| „Auch das FdS hat keine machtpolitische Alternative zu Katja Kipping und | |
| Bernd Riexinger.“ Dominic Heilig, neuer Sprecher der Pragmatiker, sagt | |
| vorsichtig, das FdS wolle „offener“ wirken und mehr „Austausch suchen mit | |
| Reformern, die nicht im FdS sind“. Klingt, als würde ein Friedenspfeifchen | |
| ausgepackt. | |
| 29 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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