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# taz.de -- Junge Abgeordnete und Medien: Naiv im Mittelpunkt
> Politiker der jüngeren Generation müssen erst lernen, mit dem Rummel um
> ihre Person umzugehen. Drei Neulinge ziehen Bilanz.
Bild: Bloß nichts Falsches sagen.
Früher dachte Katharina Dröge: Du bist Volksvertreterin, du musst auf alle
Fragen eine Antwort geben. Das sei schließlich „die Aufgabe eines
Abgeordneten“. Doch inzwischen lehnt die 29-Jährige, die seit bald einem
Jahr für die Grünen im Bundestag sitzt, Anfragen von Journalisten „auch mal
ab“ – immer dann, wenn sie „kein gutes Gefühl dabei“ habe.
Dröge sitzt am Kölner Ebertplatz in ihrem Wahlkreisbüro und erinnert sich:
Ein Fernsehmagazin hat sich mit der Reform der Rente beschäftigt. Die Frage
war, ob die aktuellen Pläne der Großen Koalition besonders schlecht für die
junge Generation seien. „Das wollte ich so aber gar nicht sagen, weil es
mir eher um die Gerechtigkeit zwischen Arm und Reich geht, nicht zwischen
Jung und Alt“, erzählt Dröge. Der Journalist habe sie aber „immer und imm…
wieder“ gefragt, bis sie mal einen Satz gesagt habe nach dem Motto „Ja,
aber …“. Im Beitrag sei ihre Einschränkung dann einfach rausgeflogen.
„Es ging ihm nur um diesen einen Satz. Dass ich ihm vorher 25 Minuten etwas
völlig anderes erzählt habe, hat ihn nicht interessiert“, sagt die
Politikerin aus dem Rheinland heute.
Treffen Journalisten und Politiker aufeinander, dann dauern Interviews
schon mal eine halbe, vielleicht sogar eine ganze Stunde. In Zeitungen und
vor allem auf den Sendern tauchen dann nur ein paar wenige Sätze auf. Wer
wie Neulinge im Bundestag das erste Mal die große Bühne der Öffentlichkeit
betritt, der muss sich daran erst gewöhnen.
„Natürlich wird verkürzt und zugespitzt, aber so ist das Geschäft: Medien
müssen die Sache auf den Punkt bringen“, sagt Dröge. Dass Aufwand und
Ertrag beim Kontakt mit den Medien nicht immer ausgewogen sind, finde sie
deshalb auch „meistens völlig in Ordnung“. Sie müsse zwar viel Zeit
investieren, bekomme dafür aber Präsenz zurück. Was sie stört: Wenn sie nur
noch eine These bestätigen soll, die „der Journalist auf seinem Zettel“
hat.
## Aufeinander angewiesen
So sehr sich Politiker über einzelne Journalisten aufregen mögen: Natürlich
können sie nicht ohne sie. „Mir ist schon daran gelegen, ein gutes
Verhältnis zu Journalisten aufzubauen und sie mit Informationen zu
versorgen“, sagt Christina Kampmann, 34-jährige Sozialdemokratin aus
Bielefeld. „Anders erfährt der Bürger ja nicht, was wir hier machen.“
An den Hauptstadtjournalismus musste aber auch sie sich erst mal gewöhnen.
„In der Region hatte ich immer wieder mit denselben Leuten zu tun, da
begegnet man sich ständig auf den Terminen, vor allem im Wahlkampf“, sagt
Kampmann. In Berlin aber habe sie sich erst neue Kontakte aufbauen müssen,
„und das sehr schnell“.
Ansonsten habe sich gar nicht so viel geändert. Klar, bundesweite Medien
hätten eine stärkere Wirkung. Sie habe aber schon in der Kommunalpolitik
ihre Worte abgewogen. „Ich bin ja mit dem Internet aufgewachsen“, sagt die
Politikerin, die sich schon im Studium mit dem immer prominenteren Feld
„Datenschutz“ beschäftigt hat. „Das Netz vergisst nicht. Wer weiß schon…
welchem Kontext eine Äußerung wieder auftaucht?“
Kampmann ist stellvertretende Sprecherin der Youngsters, der Gruppe der
jüngsten SPD-Abgeordneten, die sich derzeit etwa kritisch über das
Freihandelsabkommen TTIP äußert. Pressearbeit gehört für Kampmann deshalb
längst zum Alltag. Und trotzdem will sie besser verstehen, wie der
Journalismus funktioniert: „Ich habe vor, für einen Tag als Praktikantin in
einer Redaktion zu arbeiten.“
## Von Redakeuren lernen
Was sie dort wohl lernen wird? Vielleicht, wie Redaktionen entscheiden,
welche Themen sie aufgreifen und welche nicht. Während sich Kampmann häufig
mit populären Themen beschäftigt, steckt für Julia Verlinden, Grüne aus
Lüneburg, der Teufel häufig im Detail. Verlinden, 35, ist energiepolitische
Sprecherin ihrer Fraktion. Die Energiewende läuft zwar hoch und runter,
aber „wenn ich die vielen Berichte sehe, denke ich häufig: da fehlt etwas
Wichtiges“.
Als Umweltwissenschaftlerin kennt sich Verlinden aus und findet es
„unbefriedigend“, dass es „bestimmte Aspekte gar nicht in die Medien
schaffen“. Ihr Eindruck: Die Energiewende sei auf erneuerbare Energien und
die Strompreise fokussiert. Die Diskussion über die Energieeffizienz sei
zwar „für das Gelingen der Energiewende extrem wichtig“, komme aber
praktisch nicht vor. „Vielleicht, weil niemand dagegen ist?“
Was junge Abgeordnete eint: Sie ächzen in ihrer neuen Rolle unter dem
Zeitdruck, unter den Journalisten sie häufig setzen. In der Hoffnung auf
eine Exklusivmeldung verlangen sie schnelle Statements der Politiker. „Wenn
die Bundesregierung mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit geht, dann
rufen schon nach wenigen Minuten Journalisten an und fragen, was wir davon
halten“, sagt Energieexpertin Verlinden.
Vor allem sie als Wissenschaftlerin wolle sich einen Gesetzentwurf erst mal
gründlich ansehen und mit anderen Experten diskutieren. „Als Politikerin
muss man sich aber sehr schnell positionieren“, sagt sie. „Da bleibt
manchmal nur der Ausweg, den Text zu überfliegen und zumindest nachzusehen,
ob das drin steckt, was mir total wichtig ist.“
Wie sie sich im Kontakt mit Journalisten am besten verhalten, das
trainieren Politiker natürlich. In sogenannten Medientrainings üben sie in
Rollenspielen, wie sie souverän reagieren und Fallstricken aus dem Weg
gehen. Etwa dies: Überfällt dich ein Journalist und sagt: ,Haben Sie schon
gehört, dies und das ist passiert – wie stehen Sie dazu?!’“
## Mut zu warten
Das Ziel des Reporters ist klar: ein politischer Schnellschuss, eine
möglichst emotionale Reaktion. „Das kann eine blöde Situation sein“, sagt
Verlinden. Da müsse ein Politiker den Mut aufbringen, sich vorerst nicht zu
äußern.
„Es mag ja auch sein, dass der Journalist nur in Teilen wiedergibt, was
tatsächlich passiert ist, um eine größere Empörung einzufangen und die
Geschichte spannender zu machen als sie wirklich ist.“
Mindestens genauso wichtig ist für junge Politiker aber auch, im Gespräch
zu bleiben. Ein Segen für die Politik ist dafür das Internet. Auf ihren
eigenen Seiten, Blogs und Profilen in sozialen Netzwerken können sie
stattfinden, wann sie wollen. „Mich beruhigt es, eigene Plattformen zu
haben, auf denen ich meine Themen und meine Sicht auf die Dinge ungefiltert
platzieren kann“, erzählt SPD-Politikerin Kampmann, die für ihren neuen
Lebensabschnitt ein frisches Profil bei Facebook aufgesetzt hat. „Dadurch
sind Politiker auch nicht machtlos, wenn sie mal in eine Kampagne gezogen
werden sollten.“
Twitter wiederum trainiert Politiker. Grüne-Abgeordnete Verlinden, die das
äußerst komplexe Thema Energiewende transportieren muss, erzählt
jedenfalls: „Ich brauche manchmal länger für einen 140-Zeichen-Eintrag als
für eine Pressemitteilung, weil es schwerfällt, etwas in diese wenigen
Zeichen zu pressen.“
Und dann ist da noch die Sache mit der ständigen Erreichbarkeit – Politik
im Zeitalter der Smartphones. „Ich habe bislang nicht den Mut, mein Handy
häufiger mal ganz auszuschalten“, gesteht etwa Grünen-Politikerin Dröge.
„Es ist immer das Gefühl da, dass wichtige Dinge geschehen, auf die ich
reagieren muss.“ Ihre Fraktionskollegin Verlinden wiederum hat ihrem Mann
einen ganzen Offline-Tag pro Monat versprochen. Immerhin.
6 Sep 2014
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Medien
Journalismus
Jürgen Trittin
Twitter / X
Peter Tauber
Katja Kipping
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