| # taz.de -- Als Einsteigerin in der Jungen Union: "Ein fester Partner ist wicht… | |
| > Die Parteien leiden chronisch an Nachwuchsmangel. Jung, Akademikerin, | |
| > Journalistin - damit müsste ich doch eigentlich eine steile Karriere vor | |
| > mir haben? Ein Selbstversuch. | |
| Bild: Die Junge Union hat ein beachtliches Motivationsprogramm für zukünftige… | |
| Es ist Anfang 2009. Vor mir liegen die Mitgliederwerbe-Karten. Vier Stück. | |
| Orangefarbener Hintergrund, roter Schriftzug. "Starke Frauen wählen" steht | |
| darauf. Sechs Frauen lachen mich an. Sie sind blond oder brünett, ihre | |
| Kleidung ist elegant, konservativ. Hosenanzug, Kostüm, die Haare adrett | |
| zurückgekämmt. "Viel getan. Viel zu tun. CDU." | |
| Bürgerlich, konservativ und liberal - so ist die CDU in Bremen, wo ich | |
| lebe. Von rechtskonservativ bis beinahe liberal bündelt die Partei ihre | |
| Mitglieder und Wähler. Mir war sie bislang unsympathisch. Trotzdem | |
| kontaktiere ich die Partei - ich will wissen, was ihr hier werden könnte. | |
| Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Sandra Ahrens, Jahrgang 1974, ist | |
| Vorsitzende der Frauen Union Bremen. Konsequent hat sie auf ihr Mandat | |
| hingearbeitet. Ahrens ist darum bemüht, die Menschen für ihre Politik zu | |
| begeistern. Ich schreibe ihr eine E-Mail. Ahrens schlägt mir sofort ein | |
| Treffen vor. " Wir machen gleich Nägel mit Köpfen." Sie bietet mir an, ihre | |
| Mentee zu werden. Von der Vermittlung von Praktika im Bundestag oder in | |
| Brüssel ist die Rede. | |
| Richtig Politik machen | |
| Standesgemäß treffen wir uns kurz darauf in einer Innenstadt-Bar. Kaum | |
| sitzen wir, ruft der CDU-Fraktionschef an. Die Politikerin möchte mit ihm | |
| über eine Ausnahmeregelung für mich beim Nachwuchsprogramm reden. Es | |
| richtet sich an junge Erwachsene bis fünfundzwanzig Jahren; ich bin mit | |
| meinen achtundzwanzig eigentlich zu alt. Weitere Ausführungen müssen aber | |
| warten, denn vor uns stehen zwei CDU-Funktionsträger, denen ich vorgestellt | |
| werde. Dann packt Sandra Ahrens interne Papiere und eine Beitrittskarte | |
| aus. "Wenn du richtig Politik machen willst, solltest du gleich in die CDU | |
| eintreten", rät sie mir. | |
| Sie habe schon früh "richtig Politik" machen wollen - und mit | |
| siebenundzwanzig den Landesvorsitz der Bremer Frauen Union angestrebt. Das | |
| Interesse für die Volkspartei hat ihr Mann bei ihr geweckt. Sandra Ahrens | |
| erzählt, wie sie auch Bernd Neumann von sich überzeugen konnte. Neumann ist | |
| seit 2005 Staatsminister für Kultur und Medien und war von 1979 bis 2008 | |
| Landesvorsitzender der Bremer CDU. An ihm kommt man hier nicht vorbei. Es | |
| heißt, dass so manche Frauen, die Parteikarriere gemacht haben, eine innige | |
| Beziehung mit ihm hätten. Ich frage meine Mentorin, was an dem Gerücht dran | |
| ist. Sie winkt ab. Sie sei den Weg stets über die Basis gegangen. | |
| "An den Frauenthemen kommst du als Frau nicht vorbei. Aber es ist wichtig, | |
| auch ein hartes Ressort dazuzunehmen", empfiehlt sie mir. Mit einem harten | |
| "Männerthema" wie Wirtschaft käme man als Frau prima durch. Wichtig sei | |
| zudem ein fester Partner. Wie das bei mir aussieht, will sie wissen. Nicht | |
| unwichtig seien auch Kinder. In der Bremer Frauen Union hätten ihre | |
| Gegnerinnen sie mit dem Argument zu verhindern versucht, dass sie noch | |
| keine Kinder hätte. Jetzt ist sie schwanger. | |
| Am Abend sehe ich das interne Papier zum Nachwuchsförderprogramm im | |
| CDU-Landesverband Bremen genauer an. Das Angebot richtet sich an die | |
| Achtzehn- bis Fünfundzwanzigjährigen aus der Metropolregion | |
| Bremen-Oldenburg, die "bereit sind, sich auf politischer Ebene einen Namen | |
| zu machen und die Politik der CDU voranzubringen". | |
| Die Teilnehmer durchlaufen ein 18-monatiges Schulungsprogramm, "das die | |
| Bereiche Rhetorik, Pressearbeit, Landes-, Bundes- und Europapolitik, | |
| soziale Marktwirtschaft sowie die christlich-demokratischen Grundwerte der | |
| CDU beinhaltet." Die Ideologie ist also nachschulbar! | |
| Jetzt bin ich gespannt und unterschreibe den Aufnahme-Antrag. Sechs Euro | |
| kostet mich die Parteimitgliedschaft im Monat. In den folgenden Wochen | |
| bekomme ich Einladungen zu den Veranstaltungen des Ortsverbandes und | |
| E-Mails von Sandra Ahrens. Jedoch geht es kaum um politische Inhalte, | |
| stattdessen werde ich zu Freizeitveranstaltungen eingeladen oder bekomme | |
| Mitteilungen, die ich in der ortsansässigen Zeitung unterbringen soll. | |
| "Ich sehe schon, du machst richtig Parteikarriere", warnt mich ein Freund. | |
| Dazu fehlen mir aber noch die Seilschaften in der Jungen Union. Also nehme | |
| ich Kontakt auf. Malte Engelmann, der stellvertretende Vorsitzende und | |
| Geschäftsführer der Jungen Union (JU) Bremen, will sich sofort mit mir | |
| treffen. | |
| 500 Mitglieder sind in der JU, 70 davon seien aktiv, erzählt mir Malte. Er | |
| wirkt mit seinen neunundzwanzig Jahren sehr erwachsen. Malte hat | |
| Politikmanagement studiert und ist jetzt im Masterprogramm. Er hat die | |
| Ausstrahlung von einem, der etwas erreichen will. Den Idealismus möchte er | |
| sich aber nicht von mir absprechen lassen. Mit siebzehn ging er zur Jungen | |
| Union, wurde Landesvorsitzender der Schüler Union, mit neunzehn kam er in | |
| den Stadtteilbeirat. Heute ist er Deputierter in der Bürgerschaft. Er | |
| möchte ein Abgeordnetenmandat bekommen. Aber es klingt nicht gut, das so | |
| offen zu kommunizieren. "Das würden meine Kritiker ausschlachten." | |
| Ich bekomme den Eindruck, dass er der Typ Nachwuchspolitiker ist, der | |
| derzeit in den Parteien Karriere macht. Einer, der die Politik als Business | |
| begreift. | |
| Malte Engelmann hat mehrere Mentoren aus der Parteispitze. Der eine bringt | |
| ihm Inhaltliches bei, der andere erklärt ihm, wie man taktiert. Das könne | |
| man nur praktisch lernen. Darum hält der junge Konservative die Ochsentour | |
| für wichtig. An der Basis käme man nicht vorbei; um hier zu überzeugen, | |
| müsse die Ideologie geschult werden. Er habe selbst eine Fortbildung | |
| gemacht, in der es um das christliche Menschenbild ging. Und dann sagt er: | |
| "Es kommt der Punkt, an dem man sich fragt: Warum tue ich das? Ich glaube, | |
| so viel Idealismus hat niemand, sich all das abzuverlangen und dann nicht | |
| mehr zu wollen." | |
| Knapp zwölf Jahre Politausbildung liegen hinter Malte. Und bis er als | |
| Abgeordneter in die Bremische Bürgerschaft einziehen kann, können noch ein | |
| paar mehr vergehen. | |
| Am Tag darauf erfahre ich, dass der junge Grüne und Freund von Malte | |
| Engelmann, Jens Crueger, Jahrgang 1984, von 2003 bis 2007 | |
| Bürgerschaftsabgeordneter und große Nachwuchshoffnung der Grünen in Bremen, | |
| hingeworfen hat, weil er gegen das Establishment nicht ankommt. Jetzt | |
| schließt sich Crueger der SPD in Hamburg an. Da seien die Karrierechancen | |
| aussichtsreicher. | |
| Am nächsten Tag hat Malte große Neuigkeiten: Er soll zum Vorsitzenden der | |
| Jungen Union im Land Bremen gewählt werden. Damit gilt auch seine | |
| Kandidatur für die kommende Bürgerschaftswahl 2011 als sicher. Nun möchte | |
| Malte seine Verbindung zur Bremer Presse intensivieren und so nehme ich an | |
| meiner ersten Parteiveranstaltung teil. | |
| Wir fahren zum Kampagnenkongress der Bundes-CDU nach Hannover. Dort treffen | |
| sich mehrere hundert Parteifunktionäre aus Bremen, Bremerhaven und | |
| Niedersachsen. Es sind viele aus der Generation 50 plus da. Die CDU hat für | |
| den Kongress einen großen Saal gemietet, der bis auf die letzten Reihen | |
| gefüllt ist. | |
| Partei als Business | |
| Die Mitglieder der Jungen Union organisieren bei diesem Kongress die | |
| Unterstützeraktion und verteilen dafür unter den Jungen orangefarbene | |
| T-Shirts. Ehe ich mich versehe, mache ich mit beim Wahlkampf. Aber nicht | |
| alle Jüngeren beteiligen sich: Einige in Anzügen versuchen, einen Smalltalk | |
| mit den ranghohen Funktionsträgern zu erhaschen. | |
| Nach knapp drei Monaten Erfahrungen dieser Art trete ich wieder aus der CDU | |
| aus. Meine Ergebnisse: Die Parteien stecken viel Kraft in die Rekrutierung | |
| des Nachwuchses. Am Ende kommt der Typus des jungen Karrieristen in die | |
| Top-Jobs, der Politik als Business versteht. Für den geleisteten Input | |
| möchte man Output haben. Kommt dieser nicht zustande, zieht man weiter. | |
| 9 Jun 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Tina Groll | |
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