# taz.de -- DFB-Elf vor dem Halbfinale: Kampf, Wille, Moral | |
> Die Siegermentalität der deutschen Mannschaft speist sich aus der | |
> Erfahrung des Scheiterns. Das Team hat aus Niederlagen gelernt. | |
Bild: Neuer (l.), Hummels (M.) und Schweini: stark im Kopf und in den Beinen | |
RIO DE JANEIRO taz | Deutschland steht zum vierten Mal in Folge im | |
Halbfinaleinzug einer Fußball-WM. Das erfordert eine Erklärung. Also wird | |
gern in der Schnelle auf Bewährtes zurückgegriffen: die Siegermentalität | |
der Deutschen, die nun wieder zum Thema der internationalen Presse geworden | |
ist. | |
Dabei ist das Gegenteil richtig. Die derzeit vermutlich stärkste | |
Kraftquelle des DFB-Teams sprudelt aus der Erfahrung des Scheiterns. „Wir | |
haben einige Spieler, die schon das Spiel um Platz Drei bestreiten durften. | |
Aber wollen tun wir das bestimmt nicht noch einmal“, erklärte Kapitän | |
Philipp Lahm. | |
Nur wenige Minuten nach dem 1:0-Erfolg gegen Frankreich, als er nach seinem | |
Stolz über das Erreichte gefragt wurde, hatte er schon die nächste Partie | |
gegen Brasilien im Kopf. Sowohl bei den letzten beiden Weltmeisterschaften | |
als auch bei der EM 2012 stolperten die Deutschen im Halbfinale, als es | |
darum ging den letzten Schritt zu machen. | |
Und ähnlich besessen wie einst der FC Bayern nach der so tragischen | |
Finalniederlage gegen Manchester United 1999 in der Nachspielzeit sein | |
Begehren auf den Gewinn der Champions League verengte, will die DFB-Elf | |
partout nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen und endlich | |
Weltmeister werden. Das Viertelfinale von Rio de Janeiro ist durchaus ein | |
Beleg für die erzielten Lernerfolge. | |
Höchst interessant ist in diesem Zusammenhang die Analyse von Thomas | |
Müller, der das aktuelle Team mit dem von vor vier Jahren verglich: „Wir | |
haben jetzt eine sehr andere Spielanlage. Wir können flach, vertikal durchs | |
Mittelfeld spielen, können mit Tempo auf die Gegner zugehen. Ja 2010, ich | |
will uns nicht schlechter machen, als wir waren, aber wir waren schon von | |
unserem Konterspiel abhängig, weil wir einfach noch nicht die Fähigkeiten | |
wie jetzt hatten.“ | |
## Ein Standard entscheidet | |
Müller hat recht. Bereits bei der EM 2012 zeigte das deutsche Team große | |
Fortschritte. Nur war von alle dem am Freitag gegen Frankreich wenig zu | |
sehen. Eine Standardsituation entschied früh die Partie. Danach verwaltete | |
man das Spiel. | |
Die eigenen Fähigkeiten setzt das deutsche Team so gezielt wie selten zuvor | |
ein. Manche Optionen verbleiben so im Theoretischen. Das machte auch Müller | |
deutlich: „Natürlich ist es so, auch wenn es aufgrund des Spielstands nicht | |
unbedingt gefordert war, dass wir offensiv schon noch ein bisschen zulegen | |
können.“ | |
Auch Bundestrainer Joachim Löw räumte ein, dass man bei dieser WM noch kein | |
perfektes Spiel gezeigt habe. Das Wissen um das Steigerungspotenzial | |
scheint wiederum für das Selbstbewusstsein der deutschen Nationalspieler | |
eher noch zuträglich zu sein. | |
Vor vier Jahren in Südafrika wurde der deutsche Fußball erstmals mit dem | |
Etikett „schön“ versehen, in Brasilien sind die Nationalspieler unterdessen | |
äußerst genervt, wenn das Fehlen von Dominanz und Leichtigkeit bemäkelt | |
wird. Dieses Mal giftete Philipp Lahm zurück: „Wir sind hier beim | |
Leistungssport. Da trifft man nicht auf blinde Mannschaften.“ | |
## Strategische Kosten-Nutzen-Rechnungen | |
Das frühe Scheitern der Spanier, deren Ballzirkulation und Offensivdrang | |
Joachim Löw lange Zeit nacheiferte, dürfte auch ihm noch einmal die Sinne | |
für strategische Kosten-Nutzen-Rechnungen geschärft haben. Löws | |
französischer Kollege Didier Deschamps führte die knappe | |
Viertelfinalniederlage auf den unterschiedlichen Erfahrungshorizont der | |
beiden Teams zurück. | |
Die neue deutsche Vorsicht ist auch eine Form von | |
Vergangenheitsbewältigung. Die Entschlossenheit, die dahinter steht, sollte | |
niemand unterschätzen. Sie ist womöglich größer denn je. „Unter Druck sind | |
wir extrem stark im Kopf“, stellt Müller fest. | |
Vom „eisernen Siegeswillen“ spricht Löw in diesen Tagen gerne. Und Per | |
Mertesacker, der die Partie dieses Mal von außen begutachtete, sagte: „Wenn | |
wir diese Moral, diese Bereitschaft weiterzukämpfen, konservieren können, | |
dann haben wir auch im Halbfinale eine gute Chance.“ | |
Kampf, Wille, Moral – die deutschen Nationalspieler verweisen derzeit gern | |
auf diese Kraft, die sich aus den Erfahrungen der Vergangenheit speist. Am | |
Lob für ihr leichtfüßiges und variables Spiel hängen einfach zu schlechte | |
Erinnerungen. | |
7 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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