# taz.de -- Debatte Rüstung: Kampfdrohnen der Zukunft | |
> Bewaffnete Drohnen sind Teil einer radikalen Veränderung des | |
> Militärischen. Die meisten Befürworter unterschätzen das dramatisch. | |
Bild: US-Soldaten bestücken eine Drohne. | |
Die Debatte über „bewaffnungsfähige“ Drohnen hat mit dem klaren Ja zur | |
Beschaffung von Verteidigungsministerin von der Leyen vor dem Bundestag am | |
vergangenen Mittwoch einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Alles ging | |
plötzlich sehr schnell. Nur zwei Tage zuvor hatte der | |
Verteidigungsausschuss zum ersten Mal Experten – darunter auch mich – in | |
eine öffentliche Sitzung eingeladen, um Argumente zu hören und zu bewerten. | |
Überraschungen gab es dort nicht: Befürworter verwiesen auf den Schutz | |
eigener Soldatinnen und Soldaten, „Gegner“ auf ethische und vor allem | |
sicherheitspolitische Argumente. Deutlich wurde allerdings, dass bewaffnete | |
Drohnen an sich mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar sind, was aber | |
nicht für spezifische Einsätze, zum Beispiel die gezielten Tötungen der USA | |
in Pakistan, dem Jemen oder Somalia, gelten muss. | |
Als Kritiker muss man anerkennen, dass das Argument „Schutz“ gerade in | |
einer Demokratie ein enormes Gewicht hat. Wer auf Anordnung des Staates | |
sein Leben riskiert – seien es Soldatinnen und Soldaten, Polizistinnen und | |
Polizisten oder Feuerwehrleute – hat das Recht auf einen angemessenen | |
Schutz. Wenn sich im Bundestag Mehrheiten für gefährliche Kampfeinsätze der | |
Bundeswehr finden, ist es schwer, gleichzeitig bestimmte Waffensysteme | |
vorzuenthalten – zumindest, wenn sie plausibel einen verbesserten Schutz | |
versprechen. Dies gilt bei Drohnen für die sogenannte Luftnahunterstützung, | |
also wenn eine Patrouille in einem gefährdeten Gebiet von einer Kampfdrohne | |
begleitet wird, um bei einem Hinterhalt eine sofortige Gegenwehr zu | |
ermöglichen. | |
Allerdings ist mit dem Schutzargument, entgegen dem Wunsch vieler | |
Befürworter, längst nicht alles gesagt. Denn erstens ist perfekter Schutz | |
eine Illusion, ein Restrisiko bleibt unvermeidbar. Zweitens kann man mit | |
diesem Argument im Prinzip jedes Waffensystem rechtfertigen, wenn man | |
Überlegenheit und Schutz gleichsetzt. | |
## Nur Schutz oder schon Einsatz? | |
Drittens sperren sich Militärs, reinen „Schutz“ von offensiven Maßnahmen … | |
trennen. Das schürt Bedenken. Viertens müssen auch Schattenseiten | |
berücksichtigt und politisch abgewogen werden. Relevante Fragen sind: | |
Ermöglichen bewaffnete Drohnen neue Offensivoptionen? Welche Auswirkungen | |
haben Drohneneinsätze auf die lokale Bevölkerung? Greift der Gegner als | |
Reaktion auf immer asymmetrischere Methoden zurück, zum Beispiel | |
Terroranschläge im Entsendeland? Wie ist mit der rasanten Verbreitung von | |
Drohnen umzugehen? Inzwischen besitzen über 80 Staaten Drohnen, ein Viertel | |
davon, so von der Leyen, auch bewaffnungsfähige Varianten. Das kann zu | |
einer erheblichen Destabilisierung hochgerüsteter Regionen führen. Und | |
sinkt nicht die politische Hemmschwelle zum Einsatz, wenn das Risiko, in | |
weit entfernten Ländern getötete Soldatinnen und Soldaten gegenüber | |
Wählerinnen und Wählern legitimieren zu müssen, deutlich geringer wird? | |
Besonders alarmierend ist, dass die Kampfdrohnen der Zukunft immer | |
leistungsfähiger werden. Unterliegt kein Mensch im Cockpit mehr den | |
Fliehkräften bei extremen Flugmanövern, sind neue Designs und Manöver | |
möglich, die bemannte Kampfjets in Zukunft um ein Vielfaches übertreffen | |
werden. Ein Blick auf die Zeichenbretter der Industrie verrät: Zukünftige | |
Drohnen sind für den „umkämpften Luftraum“, in letzter Konsequenz also f�… | |
Staatenkriege, ausgelegt. Das gilt für aktuelle Modelle noch nicht. | |
Dann scheidet aber die bislang praktizierte Fernsteuerung vom Boden aus. | |
Das Steuersignal zwischen „Pilot“ und Drohne braucht über Satellit circa | |
eine bis zwei Sekunden. Das ist im „umkämpften Luftraum“ zu lange. Computer | |
an Bord werden immer mehr „Entscheidungen“ automatisiert oder gar autonom | |
treffen – bis hin zum Waffeneinsatz, der Entscheidung über Leben und Tod. | |
Das wirft ganz neue ethische und rechtliche Fragen auf. | |
Und: Die Bewaffnung unbemannter Luftfahrzeuge ist nur der Anfang. Die | |
Frage, ob neben Drohnen nicht auch unbemannte Kampfpanzer oder Kampfschiffe | |
bewaffnet werden und dann auch autonom agieren sollen, wird sich in | |
absehbarer Zeit stellen. Bewaffnete Drohnen sind nur der sichtbarste Teil | |
einer radikalen Veränderung des Militärischen. Dies wird von den meisten | |
Befürwortern dramatisch unterschätzt. | |
## Die Vorteile einer Ächtung | |
Das Beste wäre, Deutschland würde angesichts der absehbaren Gefahren auf | |
Kampfdrohnen verzichten und sich aktiv für ihre internationale Ächtung | |
einsetzen, die dann auch auf andere Systeme ausgeweitet werden könnte. Es | |
ist aber unrealistisch, auf eine Ächtung zu hoffen. | |
Die Verbreitung dieser Systeme hat an Fahrt gewonnen, zu groß sind die | |
militärischen Verlockungen. Das schlechteste Szenario hingegen wäre es, | |
wenn Deutschland bewaffnungsfähige Drohnen beschafft und gleichzeitig | |
Anstrengungen unterließe, die genannten Gefahren mit den Mitteln der | |
Rüstungskontrolle zumindest einzuhegen. Vor allem das Hineinrutschen in | |
„letale autonome Waffensysteme“ muss unter allen Umständen vermieden | |
werden. Daraus ergibt sich folgende Forderung: Wenn keine Chance auf | |
umfassende Ächtung mehr besteht, muss eine verantwortungsbewusste | |
Bundesregierung die Bedenken der Kritiker zumindest aufgreifen und das | |
gesamte deutsche rüstungskontrollpolitische Gewicht einsetzen, um | |
schlimmste Gefahren abzuwenden. Dazu gehört neben glasklaren Einsatzregeln, | |
die offensive Einsätze ausschließen, auch bestehende Exportkontrollregime | |
zu stärken, auf internationale Begrenzungen, etwa für Reichweite oder | |
Zuladung, zu drängen, bestimmte Einsatzformen zu ächten und vor allem die | |
vollständige Autonomie zu verhindern. | |
Im Bundestag sprach sich von der Leyen explizit gegen letale autonome | |
Waffensysteme aus. Solche Systeme waren im Mai dieses Jahres in Genf | |
bereits Thema eines Expertentreffens im Rahmen der UN-Waffenkonferenz, im | |
November gehen die Beratungen einer möglichen Einsatzächtung weiter. Dann | |
hat das Verteidigungsministerium die Möglichkeit zu zeigen, wie ernst es | |
die Bedenken der Kritiker nimmt. | |
9 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Niklas Schörnig | |
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