| # taz.de -- Die Wahrheit: Augen auf beim Drogenkauf | |
| > Neues vom Scooterman: Langweilige Sonntagnachmittage samt Vehikel Harry | |
| > lassen am Potsdamer Platz tief in die Gesellschaft blicken. | |
| Bild: „Wenn man überall gewesen ist, sollte man vielleicht dahin zurückkehr… | |
| „Sie scheinen mich nicht zu verstehen. Ich möchte bei Ihnen keine Drogen | |
| kaufen“, insistierte die Dame, die ein Businesskostüm über den | |
| Marlene-Dietrich-Platz trug. Über ihr schrie eine Leuchtreklame, dass man | |
| sich – aber pronto – vor der Musicalbühne einfinden solle. Um 18 Uhr | |
| beginne nämlich die nächste Vorstellung der Blue Men Group, und wer die | |
| versäume, solle sich gefälligst nicht wundern, wenn er zwei Stunden später | |
| und ganz woanders mit Udo und einem Mädchen aus Ostberlin vorlieb nehmen | |
| müsse. | |
| Die Dame war mittlerweile dazu übergegangen, ihre Augenbrauen mehrere | |
| Millimeter weit zu heben und streng die drei jungen Männer zu fixieren, die | |
| irgendwo zwischen 17 Jahren und 1,74 Meter lagen. „Ich bin auf einen | |
| Cocktail im Josty verabredet. Können Sie mir jetzt sagen, wo das ist, oder | |
| nicht? | |
| „Cocktail?“ Einer der drei schüttelte derart verächtlich den Kopf, dass i… | |
| fast das Olivenöl aus der Frisur flog. Oder was immer er als Gel | |
| verwendete. „Hab ich euch doch gesagt – die ist viel zu alt. Kriegt einen | |
| Herzinfarkt von unserem Zeug.“ Damit rauschte er mit seinen Kumpanen um die | |
| nächste Ecke. Sie schaute ihnen böse nach. | |
| Ich nahm einen langsamen Schluck von meinem Kaffee, um die Szene ein wenig | |
| nachwirken zu lassen. Nicht etwa einen semilarge Latte macchiato decaf mit | |
| kalorienreduzierter, fair gehandelter Sojamilch aus Burma oder wie immer es | |
| gerade heißt. Sondern eine Tasse Kaffee mit einem Teelöffel Zucker. | |
| Mir fiel eine Neuerung auf. Direkt in meiner Blickrichtung, auf der anderen | |
| Seite einer kleinen Kreuzung, stand eine Stromtankstelle. Wie lange war ich | |
| eigentlich an einem langweiligen Sonntagnachmittag nicht mehr am Potsdamer | |
| Platz gewesen? Einige Monate? „Willst du mal volltanken?“, bot ich meinem | |
| Scooter an und wies lässig in Richtung Zapfhahn. Sagt man eigentlich | |
| „Zapfhahn“ bei Stromtankstellen? Und wann war ich wirklich zum letzten Mal | |
| hier in der Gegend gewesen? Lebte da Marlene Dietrich noch? | |
| Harry blinkte abwechselnd mit dem linken und rechten Scheinwerfer. Seine | |
| Art, den Kopf zu schütteln. „Geht doch gar nicht. Du alter Geizknüppel hast | |
| doch zur Sicherheit meinen Umspannkasten zu Hause gelassen.“ Da hatte er | |
| recht. „Und außerdem kann ich mich doch nicht einfach mit jedem Zeug | |
| aufladen. Keine Ahnung, was bei falscher Spannung passiert. Vielleicht | |
| drehe ich durch und wache völlig verkatert in einer Werkstatt auf. Nee, | |
| mein Lieber, immer nur das Zeug laden, das Du schon versucht hast!“ | |
| „Okay, Harry.“ Ich legte einen Schein auf den Tisch und wuchtete mich auf | |
| seinen Sitz. Zwei Ecken weiter war das Josty. Die Frau von vorhin saß | |
| draußen an einem Tisch. Als sie mich sah, winkte sie hektisch, „Hallo, da | |
| sind sie ja wieder. Meine Verabredung hat mich versetzt. Macht aber gar | |
| nichts. Zwei Glas Wehlener Sonnenuhr, danach einen Hugo, und ich merke noch | |
| nichts. Wollen Sie auch einen?“ Dann fing sie plötzlich an zu weinen. Ich | |
| winkte ab und wendete. „Nur Zeug laden, das man schon kennt?“, fragte ich | |
| den Scooter. „Du sagst es“, antwortete Harry. | |
| 16 Jul 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Knud Kohr | |
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