# taz.de -- Die Wahrheit: Sprachbegabt trotz Schwerverbeulung | |
> Scooterman: Nach der Konfrontation von Scooter Harry mit einem | |
> feindlichen Auto kann nur die nette Notfall-Frau aus dem Sanitätshaus | |
> helfen. | |
Fünf Minuten nach meinem Unfall mit dem metallicblauen Auto und dessen | |
skrupellosem Fahrer stand ich noch immer bei Harry. Die nette Frau vom | |
Notdienst meines Sanitätshauses hatte sich meine Handynummer geben lassen | |
und versprach, sofort anzurufen, wenn sie einen Kollegen erreichte. Das | |
konnte dauern. Um sieben Uhr morgens. An einem Sonnabend. | |
Um wenigstens irgendetwas zu tun, startete ich erneut. Wieder ließ die | |
frisch verbogene Achse meinen Scooter einen Kreis nach rechts beginnen. | |
Dabei knirschte es so unangenehm, dass zwei Partyspätheimkehrer auf der | |
anderen Seite der Kantstraße aufmerksam wurden. | |
„Wass’n los?“, fragte einer von ihnen. Dabei stellte er seinen | |
Sechserträger Bier neben sich auf die Straße. „Soll’n wa rübakomm?“ Der | |
zweite klang mitfühlend und unterbrach den Versuch, den Kronenkorken seiner | |
Bierflasche mit den Zähnen zu entfernen. „Ach nein, das ist nicht | |
notwendig“, sagte jemand. „Ach nein, das ist nicht notwendig“, wiederholte | |
ich folgsam. | |
Die beiden Männer auf der anderen Straßenseite winkten und gingen dann | |
weiter. Der Mitfühlende spuckte ein bisschen Blut auf den Bürgersteig. | |
Offensichtlich war der Kronenkorken härter gewesen als sein Zahnfleisch. | |
„Memme!“, raunzte der andere liebevoll, nahm ihm die Flasche aus der Hand, | |
biss den Kronenkorken ab und gab sie zurück. | |
„Wusste gar nicht, dass Männer am Morgen so nett zueinander sein können.“ | |
Die Stimme war dieselbe, die mir eben untersagt hatte, die beiden | |
Spätheimkehrer zu Hilfe zu rufen. Irgendwie klang sie blechern. „Wer | |
spricht denn da eigentlich?“, fragte ich misstrauisch. „Wer ist denn sonst | |
noch in der Nähe?“ „Nur mein Scooter“, erwiderte ich und klang dabei sch… | |
gar nicht mehr recht wirsch. „Scharf beobachtet“, klapperte die Stimme. Ich | |
zuckte zusammen und schaute Harry … ja, wohin eigentlich? Ins Gesicht? Ich | |
entschloss mich, seinen linken, vorderen Scheinwerfer zu fixieren. Der | |
befand sich direkt über der demolierten Achse. Außerdem hatte das Plastik | |
direkt darüber einen Sprung abbekommen. Alles in allem sah Harry auf der | |
linken Seite angenehm verletzt und ungefährlich aus. „Noch länger glotzen | |
kostet eine Runde Schmieröl“, entschied er. | |
„Tut mir leid, Harry. Aber seit wann kannst du eigentlich sprechen?“ | |
„Seitdem der Trottel mit seinem Auto auf mich draufgefahren ist.“ „Wie ge… | |
denn das? Hat der deine Elektronik verstellt?“ Harry grinste und zog die | |
Augenbrauen hoch. Jedenfalls so gut, wie man das ohne Mund und Augenbrauen | |
anstellen kann. „Ich könnte dir jetzt irgendwas erzählen. Aber | |
schätzungsweise habe ich von Elektronik nicht mehr Ahnung als du.“ In | |
diesem Moment klingelte mein Handy. Die nette Notfall-Frau war dran. „Heute | |
Morgen ist leider nichts zu machen. Kommen Sie irgendwie übers Wochenende?“ | |
Ich sah Harry mit seinem linken Scheinwerfer zwinkern. „Ja“, bejahte ich. | |
Ich regulierte die Höchstgeschwindigkeit auf drei Kilometer und gab Strom. | |
„Erst mal ist wichtig, dass du von der Straße wegkommst, Harry!“ „Das hat | |
meine Großmutter auch immer gesagt.“ | |
4 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Knud Kohr | |
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