| # taz.de -- Die Wahrheit: Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? | |
| > Scooterman: Wenn ein MS-Held unverschuldet in brenzlige Situationen | |
| > gerät, eilt ihm Kollege Superman mit wehendem Kittel zu Hilfe. | |
| Bild: „Wenn man überall gewesen ist, sollte man vielleicht dahin zurückkehr… | |
| Der Regen stürzte mit geradezu biblischer Wucht auf Berlin herab. Hätte man | |
| das Unwetter bei meinem Start in Charlottenburg noch als energisches Winken | |
| von Gottes Zeigefinger werten können, haute er jetzt mit der Faust auf den | |
| Tisch. | |
| „Können wir uns nicht mal unterstellen?“, nörgelte Harry, auf dem ich | |
| gerade vom Rathaus Steglitz zu unserem Ziel fuhr. „Irgendwelche | |
| Vorschläge?“ Ich lenkte Harry unter einen Baum, dessen Blätter tatsächlich | |
| nur vier von sechs Regentropfen passieren ließen. Offenbar wirkte ich | |
| aggressiv. Wahrscheinlich deshalb, weil das Wasser meine Jeans passiert | |
| hatte und nun die Unterhose attackierte. „Hast ja recht.“ Mein Scooter | |
| lenkte ein. „Gib Strom.“ | |
| Das Ziel war ein Altbau auf dem halben Weg zwischen Steglitz und dem Ende | |
| der Welt, wie wir sie kennen. Im Eingang wartete eine Frau mit rotgefärbten | |
| Haaren neben einem Mann, dem man den frühpensionierten Beamten ansah. Der | |
| Eingang befand sich an der Spitze von drei klitschnassen, ungleich hohen | |
| Stufen. Sie waren zu überwinden, um an den Esstisch von Lotta zu kommen, | |
| die erst seit kurzer Zeit zu meinen Bekannten zählte. Der Traum eines jeden | |
| MS-Kranken mit Gehbehinderung schien wahr zu werden. | |
| „’n Abend, Lotta“, grüßte ich freundlich. Sie konnte ja nichts für das | |
| Wetter. „Wo ist das Geländer, das du am Telefon erwähnt hast?“ Lotta zeig… | |
| auf ein gebogenes Rohr, das an der Seite des Eingangs vor sich hin tropfte. | |
| Ihr Freund wagte einen schüchternen Blick in meine Augen. „Ich heiße Horst. | |
| Wie wollen wir es angehen?“ – „Halt mich einfach am linken Arm fest, | |
| Horst.“ Die erste Stufe war kein Problem, die zweite wurde schon schwerer | |
| und bei der dritten kam ich ins Straucheln. „Halt fest, Horst!“ –„Geht | |
| nicht, ich hab’s mit der Bandscheibe!“, fiel ihm ein, während ich die | |
| Treppe hinabfiel. | |
| Mit dem Hinterkopf zuerst schlug ich auf. Zum Glück nicht auf den Steinweg, | |
| sondern auf das Plastikchassis von Harry. Trotzdem dauerte es ein wenig, | |
| bis ich nicht mehr röchelte wie das erste Opfer eines Katastrophenfilms. | |
| „Tut mir leid!“, wimmerte Horst. „Brauchst du einen Schirm?“, fragte Lo… | |
| „Was ist denn hier los?“, fragte meine Freundin, die per Bus unter dem | |
| Regen hindurchgefahren war. „Habt ihr den Arzt gerufen?“ Lotte und Horst | |
| schauten erstaunt ob dieser neuartigen Idee. | |
| Die nächste Notaufnahme war nur zweihundert Meter entfernt. Nach wenigen | |
| Minuten betrat ein junger Arzt das Zimmer. Er trug weiße Hosen und einen | |
| weit geöffneten Kittel. Darunter ein Superman-T-Shirt. Spontanes Lachen | |
| erinnerte mich, wie wahnsinnig stark meine Kopfschmerzen mittlerweile | |
| waren. „Tragen Sie das, damit Patienten wie ich sich besser fühlen? Weil | |
| Superman sich um sie kümmert?“ – „Ertappt“, schmunzelte der Arzt. | |
| Ein paar Untersuchungen und ein starkes Schmerzmittel später konnte ich | |
| nach Hause aufbrechen. „Wie bist du eigentlich so schnell unter meinen Kopf | |
| gekommen?“, fragte ich Harry draußen leise. „Keine Ahnung“, murmelte er | |
| zurück. „Der Schlüssel steckte in jedem Fall noch.“ | |
| 5 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Knud Kohr | |
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