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# taz.de -- Die Wahrheit: Sushi-Burritos und Duschkabinen
> Scooterman rollt durch Singapur - seine Befremdung über hoteleigene
> Waschanlagen weicht dieses Mal lukullischen Genüssen.
„It’s a little bit kinky.“ Die junge Hotelangestellte, die meinen
Mitreisenden Frank, Susann, mir selbst und meinem Elektroscooter Harry das
Zimmer in dem ziemlich teuren Hotel in Singapur zeigte, sah in etwa so aus
wie alle Kolleginnen, die auf der ganzen Welt vergleichbare Hotelzimmer
präsentieren: Mit einem Rock, der vielleicht ein bisschen zu kurz war,
einem Paar Augen, die vielleicht ein bisschen zu sehr strahlten, und einem
Lachen, das vielleicht ein bisschen zu laut war.
Mit einer vielleicht ein bisschen zu antrainierten Geste wies sie auf die
Dusche. Sie stand mitten im Zimmer und bestand aus einer Plastikröhre, die
von allen Seiten einsehbar war. Kein Vorhang. Das Wasser kam gleichzeitig
aus vier Düsen. Vermutlich die neueste Neuerung im internationalen
Zimmerverleih. Wenn man als Reiseautor vom Hotel gesponsert wird, muss man
solche Anblicke regelmäßig ertragen.
„Especially some of our Russian guests like it“, raunte die Angestellte.
Vielleicht ein bisschen zu verschwörerisch.
„Och nö“, entschied ich. Mit der einen Hand startete ich meinen Scooter,
mit der anderen zog ich meine Freundin Susann heran. Frank hob die Achseln
und schleifte seinen Koffer hinter sich her ins Zimmer. Die Dusche in
unserem Zimmer war in Ferrarirot gehalten. Die schwarzen Gummigriffe, mit
denen man den mörderisch hohen Einstieg in die Duschwanne ohne
Sauerstoffgerät überwinden sollte, sahen aus wie für die kommende
Formel-eins-Saison kreiert. Oder für einen spontanen Besuch auf der ISS.
Beim sechsten Aufwachen am nächsten Morgen entschied ich: Der Jetlag war
deutlich stärker als mein Wunsch nach geregeltem Schlaf. Also weckte ich
Harry, der die Nacht brav vor der Tür verbracht hatte, durch energisches
Einführen des Zündschlüssels. Noch völlig dösig im Zwischenohrbereich und
ohne meinen Mitreisenden Bescheid zu geben, rollte ich durch die Innenstadt
von Singapur. Die sah in etwa so aus, wie ich es von einer asiatischen
Millionenmetropole erwartet hatte. Voller Bankhochhäuser, die
Sonnenstrahlen nur im äußersten Notfall zwischen sich durchließen.
Mit vierspurigen Kreisverkehren, die sich wie naturgegeben unter die
Brücken der Stadtautobahnen schmiegten. Gern wäre ich zum Hafen gerollt. In
welche Schublade hatte ich eigentlich zu Hause mein Testament einsortiert?
Logisch, dass ich nach ungefähr zehn Minuten keine Ahnung mehr hatte, wo
ich war. Erst einmal frühstücken. Aber wo? Im Sushi-Burrito, das ich im
nächsten Kinozentrum vermutete?
Planlos bog ich in eine heruntergekommene Nebenstraße ab. Und landete
direkt vor einer Garküche. Der Betreiber stand hinter mehreren Dutzend
Metallschüsseln. Ich schaute fragend, er nickte antwortend. Dann stieß er
seine Kelle in drei der Schüsseln, klatschte deren Inhalt an den Rand eines
Tellers voller Reis und stellte mir das Ergebnis auf einen kleinen
Campingtisch. Es war köstlich. Keine Ahnung, was ich da aß. Dass mein Magen
mir dieses Frühstück übel nehmen würde, war mir beim ersten Bissen klar.
Aber noch genoss ich den Morgen in Singapur.
31 Mar 2014
## AUTOREN
Knud Kohr
## TAGS
Singapur
Scooter
Berlin
Neuseeland
Multiple Sklerose
Scooter
Scooter
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