| # taz.de -- Die Wahrheit: Schadhaft durch Charlottenburg | |
| > Auch wenn der Scooter den Gefahren einer Weltreise getrotzt hat: Bereits | |
| > an der nächsten Ecke kann das Unheil in Gestalt eines Mittelklassewagens | |
| > lauern. | |
| Bild: „Wenn man überall gewesen ist, sollte man vielleicht dahin zurückkehr… | |
| „Jaah!“ Der Freudenschrei, den ich auf der Kantstraße ausstieß, klang kaum | |
| weniger entschlossen als jener, den Arnold Schwarzenegger als Conan der | |
| Barbar seinen Gegnern entgegenschmetterte. | |
| Nach 37 Tagen Reise war ich gestern wieder in Berlin angekommen. Natürlich | |
| war nach 70-stündiger Reise und 11 Stunden Zeitverschiebung an Nachtruhe | |
| nicht zu denken gewesen. Also hatte ich am frühen Morgen meinen | |
| Elektroscooter Harry vom gröbsten Schmutz der Flugzeug-Frachträume befreit | |
| und war zu einer einsamen Triumphfahrt durch Charlottenburg aufgebrochen. | |
| Ich stützte mich an der Lenkstange in eine aufrechte Position. Auch Harry | |
| schien vor lauter Freude einen Kilometer pro Stunde schneller zu fahren als | |
| sonst. Um halb sieben an einem Sonnabendmorgen hatte ich den Bürgersteig | |
| für mich allein. Und auf den fließenden Verkehr brauchte ich auch nicht | |
| groß zu achten. | |
| Der Verkehr, der kurz darauf von mir gänzlich unbeachtet aus der | |
| Wielandstraße in mich hineinfloss, bestand aus einem metallicblauen | |
| Mittelklassewagen. Da ich vom Bürgersteig aus die Straße überquerte, ohne | |
| mich mit Umschauen aufzuhalten, und das Auto mit überhöhter Geschwindigkeit | |
| aus dem Schatten der parkenden Wagen hervorgeschossen kam, stand einem | |
| Zusammenprall, oder sagen wir: einem Streifschuss, nichts im Weg. | |
| Denn Harrys Motorbremse war auf Vollbremsungen nicht eingestellt, und der | |
| Autofahrer hatte mit dem Angriff eines vierrädrigen Scooters schlichtweg | |
| nicht gerechnet. | |
| ## Knirschender Lack | |
| Der Metallic-Lack knirschte beim Aufprall unwirsch. Dass Harry links vorne | |
| einen heftigen Schlag erhielt, bekam ich in der Aufregung gar nicht mit. | |
| Ich musste aufpassen, nicht aus meiner hauchzart angeberischen Position | |
| geradezu ungalant auf den Asphalt zu kippen. | |
| Der Fahrer sprang aus seinem Wagen, mit nachgerade metallicbleichem | |
| Gesicht. „Könnt ihr denn an Kreuzungen nie aufpassen, ihr Fuß…gänger?“… | |
| dieser Sekunde und nach einem weiteren Blick auf mich und Harry wurde ihm | |
| klar, was er da gerade gesagt hatte. | |
| „Ich kann bei mir keinen Schaden erkennen“, murmelte er betreten. „Ich bei | |
| mir auch nicht.“ Nach dem ersten Scooter-Unfall meines Lebens hatte ich gar | |
| nicht genau hingesehen. „Na dann“, fasste der Autofahrer die Situation | |
| zusammen. „Na dann“, gab ich ihm recht. | |
| Erst als das Auto mit hörbar quietschenden Reifen an Geschwindigkeit | |
| gewann, wurde mir klar, was ich alles vergessen hatte. Mir die Autonummer | |
| des anderen aufzuschreiben beispielsweise. Oder Telefonnummern zu tauschen. | |
| Oder so. Als ich Strom gab, ahnte ich, warum das Auto so rasch verschwunden | |
| war: Harrys Vorderachse war verbogen. Wenn ich den Lenker gerade hielt, | |
| wollte er einen Kreis nach rechts beginnen. | |
| „Geht es dir gut, Harry?“, hörte ich mich stammeln. Harry schwieg. Das | |
| Handy sprang in meine Hand und ich wählte. „Sanitätshaus. Notdienst“, | |
| meldete sich eine freundliche Frauenstimme. „Ich brauche Hilfe“, krächzte | |
| ich. „Mein Scooter. Er ist schwer verletzt …“ | |
| 13 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Knud Kohr | |
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