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# taz.de -- Debatte Googles Marktmacht: Suchen im Dunkeln
> Google löscht Links und gefährdet so die Pressefreiheit? Das ist genau
> die Debatte, die dem Konzern guttut. Und sie geht dennoch am wahren
> Problem vorbei.
Bild: Alles Google, oder was?
Google macht gerade alles richtig. Zumindest wenn es darum geht, eine
Debatte, in der es eigentlich nur verlieren konnte, vorteilhaft zu nutzen.
Und das, obwohl vor einigen Monaten noch bis auf Ministerebene laut über
eine Zerschlagung des Konzerns nachgedacht wurde, der sein
Tätigkeitsspektrum längst auf Bereiche wie Gesundheit, Robotik oder
Haustechnik ausgedehnt hat.
Es geht um das „Recht auf Vergessenwerden“, das – zumindest faktisch – …
Europäische Gerichtshof (EuGH) [1][mit einem Urteil im Mai] festgeschrieben
hat. Demnach müssen Suchmaschinen Links zu persönlichen Informationen über
Privatpersonen entfernen, wenn die Informationen „nicht mehr erheblich“
sind.
Für einen Konzern wie Google ist so ein Urteil natürlich erst einmal eine
Katastrophe. Da mischt sich jemand in das eigene Geschäftsmodell ein,
erzwingt neue Arbeitsschritte und nicht nur das: Das Gericht beansprucht
auch noch, Einfluss zu nehmen auf den hochgeheimen Suchalgorithmus. Dass
dieser Algorithmus nur noch in der Mythologie ein reiner Programmcode ist
und Mitarbeiter schon lange händisch an den Suchergebnissen herumschrauben
und sich die Details ständig ändern – geschenkt. Doch im Glauben vieler
Nutzer funktioniert eine Suchmaschine genau so: Was in der Trefferliste
oben steht, hat ein Programm anhand von unabhängigen Kriterien für wichtig
erkoren.
Nun ist Google ein paar Wochen nach dem Urteil dabei, Links zu löschen.
Dabei hat der Konzern die zugehörigen Zeitungen informiert, es geht nämlich
zumindest teilweise um Links auf journalistische Texte. Die daraus
resultierende Debatte, ob das nun problematisch im Sinne der Pressefreiheit
ist, könnte dem Konzern gelegener nicht kommen. Sie insinuiert nämlich:
Google ist wichtig für die Pressefreiheit. Nicht etwa: Suchmaschinen sind
wichtig für die Pressefreiheit. Oder: Das Auffinden journalistischer Texte
im Internet ist wichtig für die Pressefreiheit.
## Google ist für viele die Realität im Netz
Dass es bei der Debatte nach dem EuGH-Urteil, das sich auf alle
Suchmaschinen bezieht, vor allem um Google geht, zeigt die Folgen der
Tendenz zur Konzentration auf mehrere große Akteure mit auf ihrem Gebiet
ungebrochener Marktmacht. Auf Amazon bei Waren, YouTube (gehört auch zu
Google) bei Videos, Facebook für die Vernetzung. Google bei Werbeanzeigen,
Google bei der Auswertung besuchter Webseiten, Google als Suchmaschine.
Diese Konzentration potenziert auch im aktuellen Fall die Macht des
Konzerns: Was Google – nach eigenem Ermessen – löscht oder eben nicht
löscht, ist für über 90 Prozent der Nutzer in Europa die Realität im Netz.
Strategisch klug ist auch, dass der angekündigte Beirat, der grundsätzliche
Empfehlungen in Sachen Link-Löschung aussprechen soll, öffentlich tagen
wird. Klug nicht nur deshalb, weil es Akzeptanz für das Verfahren schaffen
kann, sondern weil Akzeptanz im Zweifelsfall Gerichtsverfahren vermeidet,
die teuer werden können, dafür aber Rechtssicherheit schaffen würden statt
Konzernwillkür.
Bei der Debatte über eine mögliche Gefahr für die Pressefreiheit wird
übersehen, dass die Suchmaschine bereits ohne persönliche Löschgesuche
alles andere als transparent arbeitet. Da gibt es unterschiedliche Treffer
je nach Land, in dem der Nutzer zu sitzen scheint – daher hilft auch die
simple Eingabe von google.com nicht, um dem Urteil gemäß gelöschte Treffer
doch zu sehen. Wer anhand seiner IP-Adresse als Nutzer aus der EU
identifiziert wird, bekommt EU-Ergebnisse. Da werden Ergebnisse
personalisiert, je nach Suchhistorie und anderen persönlichen Daten aus dem
Google-Universum.
Da landen – das kritisiert etwa die EU-Kommission – eigene Dienste vor
denen der Konkurrenz. Da nehmen auch noch Mitarbeiter per Hand Einfluss,
das ist bekannt, spätestens seit es entsprechende Stellengesuche gab. Alles
im Interesse der Gewinnmaximierung. Je besser die Nutzer die Ergebnisse
finden, desto öfter kommen sie wieder, desto mehr persönliche Daten
hinterlassen sie und schaffen damit die Grundlage für höhere
Werbeeinnahmen.
## Über 90 Prozent Marktanteil
Und das sind nur die einigermaßen bekannten Einflüsse. Wo und in welchem
Ausmaß noch weitere Faktoren auf die Suchergebnisse wirken – unbekannt.
Zumal schon die reine Sortierung der Treffer einer Löschung ziemlich nahe
kommt: Einer [2][Untersuchung des US-amerikanischen Internetvermarkters
Chitika] aus dem vergangenen Jahr zufolge besuchen schon die zweite
Trefferseite nur noch weniger als 5 Prozent aller Suchenden. Auf Seite 3
schafft es nur noch jeder Hundertste, auf Seite 7 jeder Tausendste.
Über 90 Prozent Marktanteil – nicht einmal Kartellrechtler bestreiten, dass
es sich dabei um eine marktbeherrschende Stellung handelt. Die ist auch
nicht verboten – nur ihr Missbrauch. Eigene Dienste gegenüber der
Konkurrenz zu bevorzugen würde für eine Suchmaschine sicher darunter
fallen. Nur lässt sich das dank des geheim gehaltenen Suchalgorithmus nicht
beweisen.
Eigentlich müsste die Debatte also noch einen Schritt weitergehen: Das
Auffinden von Informationen im Internet nach nachvollziehbaren Kriterien
ist wichtig. Nicht nur für die Pressefreiheit, auch für Wettbewerb,
Wirtschaft, Bildung. Es macht einen Unterschied, ob systematisch
Google-eigene Dienste oben auftauchen und die Konkurrenz weit unten oder
nicht. Und es ist ein Unterschied, ob Schüler bei der Suche nach
Informationen über eine Ölkatastrophe auf den ersten Treffern die Seiten
einer Umweltorganisation verlinkt bekommen oder Wikipedia. Oder die Seite
eines Ölmultis.
## Algorithmus offenlegen
Bei den diversen Gedankenspielen über Möglichkeiten zur Zerschlagung von
Google fehlt dieser Aspekt völlig. Was wäre gewonnen, wenn Google nicht
mehr MailSuchmaschineAnalyticsYouTubeAndroidWerbenetzwerk und noch einiges
mehr wäre, sondern nur noch jeweils zwei oder drei Bereiche
zusammengehörten? Gut, es gäbe dann mehrere große statt einen riesigen Pool
persönlicher Nutzerdaten, aber weder würde damit der Umgang
privatsphärenfreundlicher noch die Suche transparenter.
Vielversprechender wäre dafür die Offenlegung des Suchalgorithmus. Das
würde nicht nur Klarheit schaffen, wenn sich die Reihenfolge der
Suchtreffer merklich verändert. Auch der Mythos von der objektiven,
unabhängigen Google-Suche ware dann aus der Welt geschafft.
26 Jul 2014
## LINKS
[1] /Urteil-des-Europaeischen-Gerichtshofs/!138361/
[2] http://chitika.com/google-positioning-value
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
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